Arbeitsschutz
Der UltraschallSpion
Schon kleinste Defekte können fatale Auswirkungen sowohl für die Produkte als auch die Mitarbeiter haben. Um solchen Gefahren vorzubeugen, setzt Haupt Pharma, einer der größten europäischen Lohnhersteller der pharmazeutischen Industrie, am Standort Wolfratshausen seit Kurzem auf ein Ultraschallgerät, das von außen Geräte „abtastet“ und so selbst bei geringem Überdruck winzige Leckagen zuverlässig und in Sekundenschnelle aufspürt.
Dringt das Sterilisationsgas Wasserstoffperoxid während eines Sterilisationsvorgangs aus einem Isolator nach außen, so ist der Produktionsmitarbeiter Risiken wie beispielsweise Reizungen der Schleimhäute und Atemwege ausgesetzt. Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist, dass im sterilisierten Isolator keine Keime aus der Außenumgebung in den Isolator dringen dürfen, da sonst keine aseptische Produktion möglich wäre. „Daher ist es unabwendbar, dass separierte Produktionsbereiche wie zum Beispiel Isolatoren gegenüber der Umgebung ausreichend abgedichtet sind“, sagt Rolf Schmiegel, der für die Qualitätssicherung bei Haupt Pharma am Standort Wolfratshausen verantwortlich ist. Dieser Anspruch gilt gerade dort, wo das Personal mit Isolatoren arbeitet, die den höchsten Richtlinien zur Qualitätssicherung bei der Produktion von Arzneimitteln (GMP-Standards) entsprechen.
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In Wolfratshausen werden Pharmaprodukte wie zellwachstumshemmende Zytostatika, Narkotika und Antidota hergestellt. Zwei Ansatz- und zwei Abfüllisolatoren sind in dem oberbayerischen Werk im Einsatz, um Lösungen anzusetzen und abzufüllen sowie toxische Produkte zu verarbeiten. Vor jeder neu angesetzten Produktion werden alle vorhandenen Isolatoren gereinigt und vorbereitet. Im Anschluss daran erfolgt die Sterilisation mittels verdampften Wasserstoffperoxids (H2O2). Während dieses Prozessschritts müssen die Mengen an entweichendem H2O2 so klein sein, dass die Arbeitsplatzgrenzwerte für diese reizende Substanz nicht überschritten werden, so Schmiegel. Aus diesem Grund führen die Mitarbeiter routinemäßig vor jeder Sterilisation des Isolators eine Leckageprüfung durch, um Rückschlüsse auf die Dichtigkeit ziehen zu können.
Auf der Suche nach einer geeigneten Prüfmethode entschieden sich Schmiegel und der Leiter Technologie und Transfer, Dr. Christian Seliger, für ein Gerät, das auf Ultraschalltechnik basiert.
Schäden akustisch umgesetzt
Der so genannte UltraschallSpion spürt fehlerhafte Bauteile und Beschädigungen an Außenwand und Dichtungen sogar an schwer erreichbaren Stellen bereits im Anfangsstadium auf, indem er Gasleckagen, undichte Ventile oder auch mechanische Schäden akustisch umsetzt. Solche Schäden geben auf einer Frequenz von 40 Kilohertz charakteristische Geräusche von sich. Wenn Materialteilchen aneinander reiben, entsteht auf molekularer Ebene ein Rauschen. Dieses Geräusch kann der Spion mit Hilfe eines hoch entwickelten Ultraschallmikrofons in für menschliche Ohren hörbare Töne umwandeln. Die Töne unterscheiden sich je nach Art der Defekte voneinander. Es ist daher genau erkennbar, ob es sich bei der angezeigten Störung etwa um ein Gas- oder ein Luftdruckleck oder um eine elektrische Entladung handelt. Mit Hilfe einer am Spion aufgeschraubten Sonde „tastet“ der Anwender das zu prüfende Anlagenteil akustisch ab. Weiter Seite 37
Der Schallgeber kommt etwa bei Anlagen mit niedrigem Druck zum Einsatz. Am Haupt Pharmastandort Wolfratshausen wird er in den verschlossenen Isolator gelegt und anschließend potentielle Problembereiche wie Türdichtungen überprüft. Dies ist selbst bei einer Druckeinregelung von 70 Pa während der H2O2-Sterilisation beziehungsweise zwischen 25...80 Pa im Betriebsmodus „Abfüllung“ möglich. Der Ultraschallgenerator sendet permanent ein für den Empfänger wahrnehmbares Signal. Je lauter das Geräusch wird, umso näher ist die Fehlerquelle. Der Schaden befindet sich dort, wo der Pegel am höchsten ist. So werden selbst kleinste Schäden millimetergenau festgestellt, lange bevor Mängel mit herkömmlichen Schwingungsmessgeräten oder Infrarotkameras wahrgenommen werden können.
Alternative Methoden vielfach eingeschränkt
Bei Haupt Pharma hat sich das Ultraschallgerät als zuverlässige Methode durchgesetzt, Isolatoren auf ihre Dichtigkeit zu prüfen. „Alternative Methoden wie Lecksuchspray oder Gasortungssysteme haben ihre Grenzen und haben sich für unsere Anwendungen daher als ungeeignet erwiesen“, resümiert Schmiegel. Die Gründe sind vielfältig. Ein Leckortungsspray könnte man beispielsweise nur über die Handschuheingriffe des Isolators an potentielle Leckagen aufsprühen, der Isolator müsste für diese Methode in Unterdruck versetzt werden. Das Handling der Lecksuchsprühdose durch die Handschuhe ist umständlich. Da durch die Eingriffe nicht alle Positionen im Isolator zugänglich sind, wie etwa Kabeldurchführungen, hat diese Methode ihre Grenzen. „Auch erhält man dadurch kein repräsentatives Ergebnis unter realistischen Betriebsbedingungen“, gibt Schmiegel zu Bedenken. Eine im Unterdruck entdeckte Leckage ist eventuell im Überdruck gar nicht mehr vorhanden.“ Darüber hinaus deckt die Mehrheit der Methoden lediglich größere Leckagen auf. Laut Schmiegel besteht ein weiterer Vorteil der Ultraschalltechnik darin, dass die Abscannung von weiter entfernte Lecks möglich ist. So konnten bereits minimale Leckagen aus einer Distanz von etwa zwei Metern geortet werden.
Durch eine regelmäßige Anwendung der Ultraschallmethode kann das Unternehmen bereits frühzeitig Maßnahmen gegen einen Schaden einleiten. In der Pharmaproduktion ist diese Vorsichtsmaßnahme Teil eines hohen Sicherheitsanspruchs und dient der Vermeidung von Gesundheitsrisiken. Aber auch in anderen Branchen lohnt sich das Gerät, da sich Firmen mit einer überschaubaren Investition und verhältnismäßig geringem technischen Aufwand kostspielige Reparaturen ersparen. So können teure, unvorhergesehene Produktionsausfälle auf einfache Weise vermieden werden. Sogar die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA setzt zwei UltraschallSpione auf der ISS ein, um mit den empfindlichen Sensoren des Geräts kleinste Leckagen aufzuspüren.