Kunststoffe in der Umwelt
Erhöht Mikroplastik die Mobilität von Schadstoffen in Ackerböden?
In der Landwirtschaft gelangen mit Kompost, Klärschlamm und mit der Verwendung von Folien große Mengen von Nano- und Mikroplastik auf die Ackerböden. Die Plastikpartikel haben dabei stets diverse Schadstoffe im Gepäck. Diese transportieren sie jedoch meist nicht, wie häufig angenommen, bis ins Grundwasser, denn Umweltgeowissenschafter/-innen um Thilo Hofmann haben ermittelt, dass die Kunststoffpartikel die Schadstoffe bereits in oberen Bodenschichten freigeben. Sie verunreinigen demnach in der Regel nicht das Grundwasser, wirken aber negativ auf Bodenmikroben und Nutzpflanzen.
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Mit Kunststoffpartikeln gelangen Schadstoffe in Ackerböden
Abwasser und Flüsse tragen Mikroplastik bis in die Ozeane. Wind verteilt die Partikel bis in die entlegensten Teile der Erde. Doch für die Verschmutzung von Agrarflächen durch Kunststoffe spielt die Landwirtschaft selbst eine weitaus größere Rolle: Kompostdünger, Klärschlamm und Reste landwirtschaftlicher Folien tragen große Mengen von Kunststoffpartikeln, sog. Makro-, Mikro- und Nanoplastik, auf Ackerflächen. Mit jedem Kilogramm Klärschlamm gelangen nach aktuellen Schätzungen beispielsweise bis zu 300 000 Kunststoffpartikel auf die Ackerböden – und mit ihnen Schadstoffe. „In Plastik sind immer so genannte Additive enthalten. Diese Zusatzstoffe sorgen für bestimmte Eigenschaften, Haltbarkeit oder auch die Farbe eines Polymers. Zudem kann es sein, dass sich Verunreinigungen wie zum Beispiel Pestizide oder Arzneimittelreste an die Kunststoffpartikel hängen“, erklärt Stephanie Castan, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien. „Die Plastikpartikel geben diese Schadstoffe irgendwann in die Umwelt frei. Uns hat interessiert, wann genau sie das tun.“
Trägt Mikroplastik Schadstoffe ins Grundwasser?
Das Forschungsteam überprüfte die gängige Annahme, dass die Kunststoffpartikel die Schadstoffe bis ins Grundwasser transportieren könnten – und kam zu einem klaren Ergebnis: „Unsere Berechnungen zeigen, dass sie das in aller Regel nicht tun“, sagt Thilo Hofmann, Leiter der Studie und der Forschungsgruppe. „Die Schadstoffe verbleiben in den oberen Schichten des Ackerbodens, weil sie bereits dort von den Kunststoffen freigesetzt werden.“
Ob Schadstoffe mittels Mikro- und Nanoplastik zum Grundwasser wandern können, hängt davon ab, ob der Transport der Plastikpartikel durch die Bodenschichten schneller erfolgt als die Freisetzung (Desorption) der Schadstoffe aus diesen Partikeln. Für die Untersuchung nahmen die Forschenden daher diese zwei Kennzahlen – die Transportzeit und die Desorptionszeit – in den Blick und berechneten die so genannte Damköhler-Zahl: Die Damköhler-Zahl drückt das Verhältnis der beiden Kennzahlen zueinander aus. „Um klare Aussagen darüber treffen zu können, unter welchen Bedingungen Plastikpartikel tatsächlich als Transporthelfer für Schadstoffe dienen, haben wir die Damköhler-Zahl für zwei Extremsettings – den üblichen Ackerboden und einen eher zerklüfteten Gesteinsboden – berechnet“, berichtet Charlotte Henkel, Co-Erstautorin der Studie. „Wir haben dabei auch unterschiedliche Eigenschaften von Kunststoffen und Schadstoffen berücksichtigt.“
Einfluss auf die Mobilität von Schadstoffen
Im Vergleich der berechneten Szenarien mit Messdaten aus der Literatur fand das Forschungsteam kaum Indizien dafür, dass Schadstoffe im Gepäck von Nano- und Mikropartikeln bis ins Grundwasser wandern könnten. „Dass die Plastikpartikel die Mobilität der Schadstoffe im Boden erhöhen, ist wirklich nur für sehr spezifische Polymere und spezifische Bodenbedingungen, zum Beispiel wenn Böden stark ausgetrocknet und durch Starkregen ausgewaschen sind, denkbar“, erläutert Thorsten Hüffer, Umweltchemiker und Co-Autor der Studie. Verunreinigungen des Grundwassers seien auf diesem Wege also sehr unwahrscheinlich. „Damit wollen wir aber keineswegs sagen, dass Nano- und Mikroplastik in Ackerböden harmlos sei“, betont Thilo Hofmann, der als Leiter der Forschungsplattform „PLENTY“ und des Forschungsnetzwerkes Umwelt der Universität Wien interdisziplinäre Forschung zum Thema Plastik in der Umwelt vorantreibt. „Vielmehr zeigen wir, wo das eigentliche Problem dieser an Plastikpartikel gebundenen Schadstoffe liegt: Sie landen nicht im Grundwasser, sondern in den oberen Bodenschichten und können hier möglicherweise von Nutzpflanzen und Mikroorganismen aufgenommen werden und so dann auch in unsere Nahrung gelangen.“
Ausblick
Die Studie liefert damit gute Nachrichten für das Grundwasser, jedoch eher schlechte für landwirtschaftliche Nutzpflanzen: Das Team der Umweltgeowissenschaften wird in einer Folgestudie untersuchen, ob Nutzpflanzen die Schadstoffe tatsächlich über den Boden aufnehmen können.
Publikation
Microplastics and nanoplastics barely enhance contaminant mobility in agricultural soils; Stephanie Castan*, Charlotte Henkel*, Thorsten Hüffer & Thilo Hofmann (*Co-Erstautorinnen); Communications Earth & Environment (2021); DOI: 10.1038/s43247-021-00267-8
Quelle: Universität Wien