Chemikalienverwaltung im täglichen Laboralltag

Auf der Suche nach der richtigen Chemikalie

Welche Chemikalien sind im Labor vorhanden und wo sind sie zu finden? Die Autoren beschreiben, wie die Bestandsverwaltung am Garchinger Forschungsinstitut gelöst und eine Chemikaliendatenbank eingerichtet wurde.

Es sind immer dieselben Fragen, die bei der Planung und Durchführung von Experimenten im Labor aufkommen. Welche Chemikalien sind im Labor vorhanden und wo sind sie zu finden? Am Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie an der Technischen Universität München waren es zuletzt mehr als 2 500 Chemikalien, die in sechs Chemikalienschränken, sechs Regalen, vier Gefrierschränken, sechs Kühlschränken und vier Gloveboxen verteilt waren. Mit „Chemikalien“ sind kommerziell erhältliche Reagenzien oder im Labor hergestellte Proben und Substanzen gemeint, die nach verschiedenen Stoffgruppen sortiert gelagert wurden.

© Jonas Breitsameter

Das Auffinden einer Chemikalie kann da durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen. Besonders unangenehm wird es, wenn man nicht weiß, wie das Gebinde aussieht, nach dem man sucht (Flaschengröße, Deckelfarbe, Verpackung in Schutzcontainer, abgefüllt in ein anderes Gefäß etc.). „Das ist nicht nur lästig und mühsam, sondern führt in der Realität auch dazu, dass Chemikalien häufig mehrfach bestellt oder hergestellt werden, weil sie nicht auffindbar sind, obwohl bis zu mehreren Stunden nach ihnen gesucht wird“, berichtet Labormanager Dr. Carsten Troll aus eigener Erfahrung. – Und das, obwohl zu den Chemikalienbeständen Excel-Tabellen geführt wurden. Diese wurden zwar für die Verwaltung und bei Sicherheitsbegehungen erstellt, wo sie auch ihren Zweck erfüllt haben, aber im praktischen Laboralltag war es immer zu aufwändig, sie zu aktualisieren, um effizient mit ihnen zu arbeiten oder Chemikalien zu finden.

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Dr. Carsten Troll freut sich über die Einführung eines Kennzeichnungssystems, mit dem die Chemikaliendatenbank inkl. Lagerorten auf dem aktuellen Stand gehalten werden kann. © privat

Wie kann es nun gelingen, Ordnung in das Chaos der gelagerten Chemikalien zu bringen? Nach einer Analyse der aktuellen Situation und Gesprächen mit den Labormitgliedern (Labormanagern, Forschenden, CTAs, Studenten und Studentinnen) wurde schnell klar, dass nur eine Datenbank, die für alle schnell zugänglich ist und ständig aktualisiert werden kann, eine praktikable Lösung wäre. Konkret ergaben sich daraus folgende Anforderungen, die solch eine Datenbank erfüllen sollte:

  • Möglichkeit zum schnellen und eindeutigen Aktualisieren von Lagerort, verbrauchtem Volumen und Öffnungsdatum (bei instabilen Verbindungen);
  • eine digital durchsuchbare Datenbank, auf die jeder Mitarbeiter im Labor Zugriff hat;
  • Speichern einer Änderungshistorie zur besseren Nachverfolgung von durchgeführten Experimenten;
  • Durchführbarkeit einer schnellen Inventarisierung in regelmäßigen Abständen zur Bestandskontrolle;
  • Abgleich mit meldepflichtigen Chemikalien bei Sicherheitsbegehungen.

Der entscheidende Punkt: Wie gelingt die Verknüpfung der digitalen Datenbank mit den tatsächlich im Labor gelagerten Chemikalien?

Häufig liegt die größte Schwierigkeit in der ständigen Pflege einer Inventardatenbank: Lagerort, Füllstand und Öffnungsdatum von Proben und Reagenzien, die im Labor frei beweglich sind, müssen im Laboralltag schnell und fehlerfrei aktualisiert werden. Manuelles Aktualisieren einer einfachen digitalen „Datenbank“, wie z. B. einer Excel-Liste, ist aber normalerweise eine zeitraubende und auch eintönige und vor allem fehleranfällige Arbeit. Die Folge ist üblicherweise eine Flut von nur teilweise aktualisierten Excel- Dateien, die auf den Computern im Labor „herumgeistern“.

Kennzeichnung mit Identifikatoren zum Einscannen

Etiketten mit einem eindeutigen QR-Code kann man entweder mit einer mobilen App auf einem mobilen Gerät wie Smartphone oder Tablet einscannen oder mit einem Barcodescanner an einem Computer einlesen. Klebt man solche Etiketten auf eine Chemikalie, dann können die in der Datenbank hinterlegten Informationen fehlerfrei abgerufen und bei Bedarf aktualisiert werden. Wenn zusätzlich die einzelnen Lagerorte wie Schränke, Regalböden, Schubladen, Boxen etc. mit entsprechenden Etiketten beschriftet werden, dann können auch die in der Datenbank hinterlegten Lagerorte in Sekundenschnelle fehlerfrei auf den neuesten Stand gebracht werden.

Screenshot der mobilen Fluics-Connect-App. Fotos der eingelagerten Gebinde sind hilfreich. Das kann die benötigte Zeit zum Suchen deutlich reduzieren. © Jonas Breitsameter

Nach der Evaluierung der unterschiedlichen auf dem Markt verfügbaren Inventarisierungssysteme haben sich Dr. Carsten Troll und die Doktoranden Jonas Breitsameter und Moritz Kränzlein, die auch für die Implementierung verantwortlich waren, für die Lösung „FLUICS CONNECT“ entschieden. Hier kann ein Online-Workspace (die Datenbank) vom Computer mit einem Browser oder von einem Smartphone bzw. Tablet mit einer mobilen App aufgerufen und editiert werden. Dieser ist für alle Labormitglieder gleichermaßen verfügbar. Etiketten mit QR-Codes für Chemikalien und Lagerorte werden bei Bedarf ebenfalls über einen oder mehrere internetfähige Etikettendrucker erstellt. In der Praxis hat sich zudem als besonderer Clou das Hochladen von Fotos mit dem Smartphone herausgestellt. Damit können die Chemikalien im Schrank aufgrund ihrer Verpackung mit einem Blick erkannt werden. Weil die Etiketten neben einem QR-Code zum Einscannen auch mit Text bedruckt werden, können neben kommerziellen Chemikalien auch die im Labor hergestellten Proben und Reagenzien schnell und eindeutig beschriftet werden.

Implementierung des Systems im Garchinger Institut

Für die Implementierung des neuen Inventarisierungssystems hat ein Team von sechs Mitarbeitern in knapp zwei Wochen den gesamten Chemikalienbestand inventarisiert und bestehende Excel-Listen in das neue System hochgeladen und Etiketten für die Chemikalien und Lagerorte ausgedruckt. Zu jeder Chemikalie werden jetzt routinemäßig die folgenden Angaben registriert: Substanzname, CAS-Nummer, Lagerort, Foto von dem Gebinde, Menge und Hersteller.

Mit der übersichtlichen Darstellung aller Lagerorte inklusive der Anzahl darin gelagerter Objekte erhält man in Sekundenschnelle einen Überblick über das Laborinventar. © Jonas Breitsameter

Durch eine deutliche Verkürzung der Suche nach Chemikalien im aktuellen Laborbetrieb (2 – 5 Minuten lang suchen anstatt 1 – 2 Stunden, und das manchmal sogar ohne Erfolg) hat sich der anfängliche Zeitaufwand schon etwa in einem halben Jahr amortisiert. Zudem finden neue Mitarbeiter jetzt ohne lästiges Durchfragen die Chemikalien, die sie benötigen. Bei der Inventarisierung, die einmal jährlich durchgeführt wird, hat sich die Bulk-Scan-Funktion als besonders nützlich erwiesen, um die Lagerorte der Chemikalien zu aktualisieren. Auch finanziell hat sich die Investition für die Arbeitsgruppe von Prof. Rieger ausgezahlt, da mittlerweile bedeutend weniger Chemikalien doppelt bestellt werden.

Chemikaliengebinde und Gefäße im Gefahrstoffschrank sind beschriftet mit QR-Codes und eindeutigen IDs zum schnellen Scannen und Editieren der Datenbank. © Jonas Breitsameter

Bei einem Durchgang durchs Labor öffnete Dr. Carsten Troll die Chemikalienschränke und resümiert zufrieden: „Vor einem Jahr wäre das nicht denkbar gewesen. Jetzt ist unsere Chemikaliendatenbank immer auf dem neuesten Stand, und wenn doch mal etwas nicht stimmt, dann scannen wir einfach ein paar Regalböden mit Chemikalien und aktualisieren die Lagerorte der Chemikalien. So einfach ist das.“

AUTOREN
Jonas M. Breitsameter, Moritz Kränzlein
Doktoranden bei Prof. Dr. Dr. h.c. Bernhard Rieger,
WACKER-Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie, Garching
Technische Universität München

Dr. Claudio Rolli
FLUICS GmbH, München
Tel.: 089/71690877
[email protected]
www.fluics.com

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