Herausforderungen und Lösungsansätze für ganzheitliches digitales Qualitätsmanagement
Digitale Transformation in der Lebensmittelindustrie
Mit Blick auf qualitätsbezogene Abläufe am Beispiel der Lebensmittelindustrie zeigt der Autor, wie ein Digitalisierungsprojekt unter Einbeziehung einzelner Prozesse angegangen und umgesetzt werden kann.
Im Labor und in der Qualitätssicherung werden immer mehr Daten aus unterschiedlichen Quellen verwendet, die meistens nicht miteinander vernetzt sind. Außerdem agieren Qualitäts-Labore innerhalb vieler Unternehmen global mit Service-Laboren sowie Zulieferern und Kunden, deren Anzahl mit der Zeit zunimmt. Infolgedessen werden große Mengen an Labor- und Musterdaten auch vermehrt über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg ausgetauscht. Zunehmend soll die Produktsicherheit vom Rohstofflieferanten bis zum Konsumenten transparent und einfach nachvollziehbar sichergestellt werden.
Vor einem Digitalisierungsprojekt wird den zugrundeliegenden Prozessen oft nur eine geringe Aufmerksamkeit geschenkt oder selten auf mögliche Optimierungspotentiale geprüft. Stattdessen werden oft die vorliegenden, oft aufwendigen, fehleranfälligen, komplexen und häufig ineffizienten Prozesse ohne weitere Überprüfung digitalisiert. So kann nur ein Teil der möglichen Effizienzsteigerung realisiert werden – wodurch die Umsetzung eines Digitalisierungsprojekts langfristig gesehen oft nur teilweise erfolgreich ist.
In den meisten Qualitätskontrollorganisationen liegt eine sehr heterogene Umgebung an Analysengeräten, Software-Tools und Prozessen vor. Die Geräte sind über die Bediensoftware nicht mit der zentralen Labor-Verwaltungssoftware, dem Qualitätsmanagement oder dem ERP-System verknüpft, die Analysenwerte müssen mittels eines USB-Sticks, oder, im schlechtesten Fall, ausgedruckt und manuell übertragen werden. In den produzierenden Industrien werden meistens dafür große Mengen Excel-Sheets für die zentrale Sammlung aller Qualitäts-Daten verwendet. Eher selten kommen in Organisationen professionelle Datenmanagement- oder Qualitäts-Software und ganz vereinzelt Labor-Informations- und Management-Systeme (LIMS) zum Einsatz.
Vor der eigentlichen Digitalisierung jedoch sollten vorgängig essenzielle Schritte zur Vorbereitung unternommen werden. Bestehende Arbeitsabläufe, Prozesse und Strukturen sollen gesamthaft in ihrer Vernetzung und Einflussnahme in einer Prozesslandkarte abgebildet und überprüft werden. Diese qualitative Evaluierung der wichtigsten Qualitäts-Abläufe gibt bereits einen ersten Eindruck der Komplexität der real existierenden Prozesse. Durch die visuelle Darstellung können die vorliegenden Abläufe besser in Teil-Schritte unterteilt und auf ihre Wichtigkeit und Richtigkeit überprüft sowie im besten Fall verkürzt, sprich effizienter gestaltet, werden.
Durch einfache Kennzahlen wie Probendurchlauf, Liegezeiten oder den Ergebnissen aus sog. Multimoment-Analysen können halb-quantitative Leistungsparameter definiert werden, die als Ausgangslage für die Optimierung und Gradmesser für die Leistungs- sowie Wertschöpfungs-Potenziale dienen können.
Optimierungspotenziale erkennen
Viele Medienbrüche im Qualitätsmanagement führen zu mehr potenziellen Fehlerquellen. Außerdem konnte mittels zahlreicher durchgeführter Multimoment-Analysen festgestellt werden, dass rund 30 % und teilweise auch mehr Zeit in den Qualitätslaboren für die Verwaltung und Aufbereitung von Daten aufgewendet wird – was nicht-wertschöpfende Zeit ist. Durch weitere Analysen aus dem „Lean-Six-Sigma-Baukasten“ können Prozesse auf ihre Effizienz und Effektivität geprüft werden, so zum Beispiel durch eine Wertstromanalyse oder eine einfache SIPOC (Supplier, Inputs, Process, Outputs, Customer)-Top-Level-Prozessdarstellung. Dadurch können qualitätsrelevante Prozesse realitätsgetreu beschrieben, Flaschenhälse detektiert, potenzielle Fehlerquellen eruiert und aktuelle Prozesszeiten bestimmt werden. Diese und weitere Daten dienen als Basis für eine Anforderungsanalyse, resp. Lastenheft für die zukünftige Digitalisierung einer Qualitätssicherung, da daraus die Priorisierung und der nötige Aktionsplan mit Meilensteinen für eine erfolgreiche Umsetzung definiert werden kann. Durch vorgängige Prozessoptimierung mit einer folgenden Digitalisierung wird die größte Wirkung zur Wertsteigerung für interne und externe Kunden generiert. Denn die digitalisierten Prozesse müssen nicht nur effizient sein, sondern sollen auch noch die nötige Effektivität bringen.
Software-Implementierung
Nachdem die Prozesse analysiert und wenn möglich optimiert wurden, folgt als nächster Schritt die Implementierung einer Qualitäts-Software, die aufgrund der Anforderungsanalyse bestmöglich auf die internen Prozesse angepasst ist.
Moderne LIMS-Lösungen mit einer modularen und flexiblen Software-Architektur sind geeignet, um durch die bereits definierten Nutzer-Anforderungen und Kundenbedürfnisse in relativ kurzer Zeit – ohne oder mit einem geringen Programmieraufwand – das Labor-System individuell anzupassen. So wird eine flexible Qualitäts-Applikation über die angepassten Prozesse gelegt und nur noch die nötige Integration zur Drittsoftware (ERP, Geräte) erstellt sowie die externen Schnittstellen zu Service-Laboren freigeschaltet. Zusätzlich ist es mit modernen Labordaten-Plattformen möglich, für Zulieferer und Kunden einen eigenen Webservice zur Verfügung zu stellen, der es ermöglicht, Aufträge zu erfassen oder Analyse-Resultate sowie Prüfberichte abzurufen. Durch die Vernetzung der heterogenen Datenquellen im Qualitätsmanagement erhöht sich die System-Komplexität sehr. Damit verknüpft ist auch die Möglichkeit, durch eine smarte Datenmanagement-Lösung, auf Basis der retrospektiven und aktuellen Daten, langfristig bessere Entscheidungen zu treffen. Die Verantwortlichen der Qualitätskontrolle könnten so Analysenpläne optimieren und die Wertschöpfung steigern.
Wiederkehrende Tätigkeiten können im vierten Schritt automatisiert und durch die zuvor definierten Key-Performance-Indicators (KPIs) entlang der gesamten Wertschöpfungskette digital abgebildet und kontinuierlich überwacht werden. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) im Bereich Qualität kann implementiert werden, der mit einer flexiblen Qualitäts-Lösung komplett transparent und zentral verwaltet werden kann.
Zusammenfassung
Das 4-Schritte-Modell für eine wertsteigernde Digitalisierung und Automatisierung – 1. Analysieren, 2. Optimieren, 3. Digitalisieren, 4. Automatisieren – nach „Lean Six Sigma“ wurde von 1LIMS in Zusammenarbeit mit Spezialisten von Krügel & Partner entwickelt und in verschiedensten Industriebetrieben bereits erfolgreich angewendet und umgesetzt. Durch die Einbeziehung der Prozesse mit Betrachtung der Wertschöpfung im Zuge einer Digitalisierung können sozusagen Hebel im Bereich Prozess-Effektivität als auch im Bereich Automations-Effizienz installiert werden, um die digitale Transformation langfristig auszulegen.
AUTOR
Philipp Osterwalder
CEO und Co-Founder
1LIMS by modeso ventures AG, CH-Zürich
Tel. 0041 (0)76 430 69 70
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1LIMS auf der Future Labs Live am 7.-8. Juni 2022 in Basel: Stand Nr.: 111.