Belastete Wässer aufbereiten

Barbara Schick,

Plasma gegen PFAS

Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben im Rahmen eines Verbundprojekts eine Plasma-Technologie erfolgreich an Wasserproben angewendet, um PFAS abzubauen.
Die Plasma-Atmosphäre wird im Reaktor durch das charakteristische Leuchten und das Entladen von Blitzen sichtbar. © Fraunhofer IGB

Die gesundheitsschädlichen Chemikalien PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind mittlerweile in vielen Böden und Gewässern nachweisbar. Die Beseitigung mit herkömmlichen Filtertechniken ist sehr aufwendig und schwierig umzusetzen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben im Verbundprojekt AtWaPlas Erfolge mit einer Plasma-Technologie erzielt. Kontaminiertes Wasser wird in einen kombinierten Glas- und Edelstahlzylinder eingeleitet und dort mit ionisiertem Gas – dem Plasma – behandelt. Das reduziert die Molekülketten von PFAS und könnte so eine Beseitigung der toxischen Substanz bewirken.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz: PFAS (engl.: per- and polyfluoroalkyl substances), haben viele Talente. Sie sind thermisch und chemisch stabil, dabei wasser-, fett- und schmutzabweisend. Dementsprechend findet man sie in vielen alltäglichen Produkten: Pizzakartons und Backpapier sind damit beschichtet, auch Shampoos und Cremes enthalten PFAS. In der Industrie finden sie Verwendung als Lösch- und Netzmittel. In der Landwirtschaft werden sie in Pflanzenschutzmitteln verwendet. Mittlerweile lassen sich Spuren von PFAS auch da nachweisen, wo sie nicht hingehören: im Boden, in Flüssen und im Grundwasser, in Lebensmitteln und im Trinkwasser. So gelangen die schädlichen Stoffe am Ende auch in den menschlichen Körper. Wegen ihrer chemischen Stabilität ist die Beseitigung dieser auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichneten Substanzen bisher mit vertretbarem Aufwand kaum möglich.

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Ziel der Arbeiten im Verbundprojekt „AtWaPlas“ ist die Aufbereitung und Rückgewinnung PFAS-belasteter Wässer mittels Plasma-Behandlung. Das Akronym steht für Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung. Das Projekt wird derzeit am Fraunhofer IGB in Stuttgart gemeinsam mit dem Industriepartner HYDR.O. Geologen und Ingenieure GbR aus Aachen vorangetrieben.

Das Forschenden-Team um Dr. Georg Umlauf, Experte für funktionale Oberflächen und Materialien, macht sich dabei die Fähigkeit von Plasma zu Nutze, die Molekülketten von Substanzen anzugreifen. Erzeugt wird das elektrisch leitfähige Gas aus Elektronen und Ionen durch Anlegen von Hochspannung.

„In unseren Versuchen mit Plasma ist es gelungen, die Molekülketten von PFAS im Wasser zu verkürzen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer effizienten Beseitigung dieser hartnäckigen Schadstoffe“, so Umlauf.

Schema zum Plasma-Reaktor: Durch Anlegen von Spannung an der Kupferelektrode entsteht ein Plasma. Kontaminiertes Wasser wird nach oben gepumpt und fließt in einem Spalt durch die Zone mit der Plasma-Entladung wieder nach unten. © Fraunhofer IGB

Zur Vorgehensweise

Für das Verfahren nutzen die Fraunhofer-Forschenden einen zylinderförmigen Aufbau. Im Inneren befindet sich ein Edelstahlrohr und dieses dient als Masse-Elektrode des Stromkreises. Ein äußeres Kupfernetz fungiert als Hochspannungselektrode und wird zur Innenseite hin durch ein Dielektrikum aus Glas abgeschirmt. Dazwischen bleibt ein winziger Spalt, der mit einem Luft-Gemisch gefüllt ist. Durch Anlegen von mehreren Kilovolt Spannung verwandelt sich dieses Luft-Gemisch in Plasma. Für das menschliche Auge wird es durch das charakteristische Leuchten und das Entladen in Form von Blitzen sichtbar.

Im Reinigungsprozess wird das mit PFAS kontaminierte Wasser am Boden des Stahltanks eingeleitet und nach oben gepumpt. Im Spalt zwischen den Elektroden fließt es nach unten und durchquert dabei die elektrisch aktive Plasma-Atmosphäre. Beim Entladen bricht das Plasma die PFAS-Molekülketten auf und verkürzt sie. Das Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf immer wieder durch den stählernen Reaktor und die Plasma-Entladezone im Spalt gepumpt, jedes Mal werden die PFAS-Molekülketten weiter reduziert bis zu einer vollständigen Mineralisierung.

„Im Idealfall werden die schädlichen PFAS-Stoffe so gründlich beseitigt, dass sie in massenspektrometischen Messungen nicht mehr nachweisbar sind. Damit werden auch die strengen Regularien der Trinkwasserverordnung in Bezug auf die PFAS-Konzentration erfüllt“, sagt Dr. Georg Umlauf. Gegenüber herkömmlichen Methoden wie beispielsweise der Filterung mit Aktivkohle weist die am Fraunhofer IGB entwickelte Technologie einen entscheidenden Vorteil auf: „Aktivkohlefilter können die schädlichen Stoffe zwar binden, sie aber nicht beseitigen. Somit müssen die Filter regelmäßig ausgetauscht und entsorgt werden. Die ‚AtWaPlas‘-Technologie dagegen kann die schädlichen Substanzen rückstandsfrei eliminieren und arbeitet dabei sehr effizient und wartungsarm“, so der Experte.

Proben aus Gewässern untersucht

Versuchsanlage im Labormaßstab zur Plasma-„Behandlung“ von PFAS-belasteten Wässern. Ziel ist es, die Technologie auch für praktische Anwendungen im Industriemaßstab zu optimieren und zu skalieren. © Fraunhofer IGB

Die Fraunhofer-Forschenden testen die Plasma-Reinigung bereits unter realen Bedingungen. Konventionelle Testverfahren arbeiten mit sauberem Wasser und im Labor angerührten PFAS-Lösungen. Das Forschenden-Team in Stuttgart hat reale Wasserproben, die aus PFAS-kontaminierten Gebieten stammen, untersucht. Die Proben werden vom Projektpartner HYDR.O. Geologen und Ingenieure aus Aachen zugeliefert. Das Unternehmen hat sich auf Altlastensanierung spezialisiert und führt daneben hydrodynamische Simulationen durch.

Diese Wasserproben, mit denen Umlauf und sein Team arbeiten, enthalten daher neben PFAS auch weitere Partikel, Schwebstoffe und organische Trübungen. Umlauf: „Auf diese Weise stellen wir sicher, dass ‚AtWaPlas‘ seinen Reinigungseffekt nicht nur mit synthetischen Laborproben, sondern auch unter realen Bedingungen mit wechselnden Wasserqualitäten unter Beweis stellt. Zugleich können wir die Prozessparameter laufend anpassen und weiterentwickeln“.

Die Plasma-Methode lässt sich auch für den Abbau anderer schädlicher Substanzen einsetzen. Darunter fallen etwa Rückstände von Medikamenten im Abwasser, Pestizide und Herbizide, aber auch Industriechemikalien wie Cyanide. Daneben kommt das „AtWaPlas“-Verfahren auch für die umweltschonende und kostengünstige Aufbereitung von Trinkwasser in mobilen Anwendungen infrage.

Das Verbundprojekt AtWaPlas startete im JuIi 2021. Nach den erfolgreichen Versuchsreihen im Technikums-Maßstab mit einem 5-Liter-Reaktor arbeitet das Fraunhofer-Team gemeinsam mit dem Verbundpartner daran, das Verfahren weiter zu optimieren. Georg Umlauf sagt: „Unser Ziel ist es jetzt, toxische PFAS durch verlängerte Prozesszeiten und mehr Umläufe im Tank vollständig zu eliminieren und die ‚AtWaPlas‘-Technologie auch für die praktische Anwendung im größeren Maßstab verfügbar zu machen.“ Zukünftig könnten entsprechende Anlagen auch als eigenständige Reinigungsstufe in Klärwerken aufgestellt werden oder in transportablen Containern auf kontaminierten Freilandflächen zum Einsatz kommen.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

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