Editorial
Erfolgreiche Expedition?
Kürzlich hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, in der Mensa einer Technischen Hochschule zu Mittag zu essen. Für mich war dies insofern spannend, als dass meine eigene Studienzeit schon etliche Jahre zurückliegt. Nun, geändert hat sich nicht viel: Anstehen mit Tablett an der Ausgabestelle und der Kasse, die vertraute Geräuschkulisse im Speisesaal und eine Verpflegung, deren Qualität dem niedrigen Preis angemessen erscheint. Als Novum fielen mir allerdings die Tabletts auf: Diese waren mit Image-Werbung großer Industriefirmen bedruckt, die dazu aufforderte, sich per Internet über deren aktuellen Stellenangebote zu informieren. Kein schlechter Schachzug: Die Mensa finanziert so einen Teil ihrer Ausstattung, und die Geldgeber hoffen, auf diese Weise Absolventen zu ködern. Schließlich sind Ingenieure und Naturwissenschaftler selbst jetzt in der Krise heiß begehrt. Laut VDI, dem Verein Deutscher Ingenieure, lag die Ingenieurlücke im Juli bei gut 30000 Personen. Bezieht man noch die Naturwissenschaftler mit in die Rechnung ein, beträgt die MINT-Akademikerlücke sogar rund 61000. Das Kürzel MINT steht übrigens für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, und nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln kann die Zahl der Absolventen aus diesen Bereichen den Bedarf auch in den nächsten Jahren nicht decken.
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Zum Glück haben Wirtschaft und Politik das Problem schon vor Jahren erkannt und versuchen mit verschiedenen Aktionen, das Image der MINT-Fächer aufzupolieren und Jugendliche für ein entsprechendes Studium zu begeistern. Am bekanntesten in diesem Zusammenhang sind wohl die sogenannten Wissenschaftsjahre, die es seit 2000 gibt. Dieses Jahr steht die Initiative unter dem Motto „Forschungsexpedition Deutschland“: Bürgerinnen und Bürger können eine eigene „Expedition“ unternehmen, und zwar in die Labors der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der Industrie. Die Initiative beinhaltet jedoch nicht nur „Tage der offenen Tür“, sondern auch Vorträge, Filmreihen und Präsentationen. Vielleicht haben Sie schon vom Ausstellungszug „Expedition Zukunft“ gehört oder hatten sogar bereits die Gelegenheit, diesen zu besichtigen. In seinen zwölf Waggons gibt es „Forschung zum Anfassen und Mitmachen“. Auch ein Ausstellungsschiff ist derzeit in Deutschland unterwegs und steuert die verschiedenen Binnenhäfen an. Schauen Sie doch einmal im Internet unter http://www.forschungsexpedition.de nach. Sicher gibt es auch in Ihrer Nähe entsprechende Veranstaltungen!
Die Zahl der angebotenen Aktionen des Wissenschaftsjahres 2009 ist wirklich beeindruckend. Ich frage mich allerdings, ob sie wirklich dazu beitragen, die MINT-Absolventenlücke zu beseitigen. Sicher – sie mögen bei etlichen Kindern und Jugendlichen das Interesse an Naturwissenschaften und Technik wecken. Aber um ein entsprechendes Studium beginnen und erfolgreich abschließen zu können, bedarf es weit mehr als bloßes Interesse – einer soliden Schulausbildung nämlich. PISA und die hohen Abbrecherquoten speziell bei MINT-Studiengängen zeigen jedoch, dass hier so manches im Argen liegt. Solange Oberstufenschüler Fächer wie Chemie, Physik oder Mathematik abwählen bzw. ihre Wochenstundenzahl einschränken können, und solange Unterrichtsstunden wegen Lehrermangel ausfallen, wird sich an der Studierfähigkeit der Abiturienten nichts verbessern. Und unsere Bildungspolitiker? Denen fällt zum Teil leider nichts Klügeres ein als Turboabitur und Studiengebühren. So wird der „Forschungsexpedition Deutschland“ wohl kein nachhaltiger Erfolg beschieden sein!