Von Herausforderungen und Möglichkeiten
(Langzeit-)Lagerung von Proben
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Neben dem üblichen analytischen Prozess, der das Probenmanagement von der Probenentnahme bis zur Messung umfasst, kann es sinnvoll sein, Proben vor oder nach der Messung für längere Zeit zu lagern. Dies ist insbesondere bei klinischen Studien oder im Rahmen von prospektivem Biobanking üblich. In diesen Fällen werden Proben aufbewahrt, um sie zu einem späteren Zeitpunkt (erneut) zu analysieren. Dies bietet eine große Chance, da das gelagerte Probenmaterial zu einem späteren Zeitpunkt bspw. mit neuen Analyten oder Biomarkern untersucht werden kann. Allerdings erhöht sich der Aufwand, da nicht nur die prä-analytische Phase bis zur Messung, sondern auch die Lagerungsbedingungen berücksichtigt werden müssen.
Chancen aus der Lagerung von Proben
Die Gründe für die Lagerung von Proben können sehr unterschiedlich sein. Gemeinsam haben sie jedoch, dass jede Probe einen unschätzbaren Wert besitzt – sowohl bezogen auf die einzelne Probe als auch für Proben aus dem gleichen Kontext. Insbesondere das Bewahren von Proben für zukünftige Untersuchungen oder die Analyse mit neuen (bio-analytischen) Methoden bietet Chancen in verschiedenen Bereichen, wie etwa in den folgenden:
- Entdeckung neuer Biomarker: Durch die (Langzeit-)Lagerung von Proben können neue Biomarker entdeckt werden, die zum Zeitpunkt der Probenentnahme noch unbekannt waren. Wenn neue Analysemethoden entwickelt werden oder sich das Wissen über bestimmte Erkrankungen erweitert, können bereits gewonnene und gelagerte Proben auf Basis einer Einwilligung und ggf. eines Ethikvotums erneut untersucht werden. Auf diese Weise können wertvolle Erkenntnisse gewonnen und neue Therapiemöglichkeiten entwickelt werden.
- Bestimmung von Krankheitsverläufen: Wenn Proben im Rahmen einer Langzeitstudie gesammelt und gelagert werden, können sie genutzt werden, um den Verlauf einer Erkrankung im Laufe der Zeit zu verfolgen. Dadurch können Forschende wichtige Informationen über die Entwicklung und das Fortschreiten von Krankheiten gewinnen. Dies kann dazu beitragen, neue Ansätze zur Diagnose und Behandlung von Erkrankungen zu entwickeln.
- Forschung an seltenen Erkrankungen: Wenn es um seltene Erkrankungen geht, kann (Langzeit-)Lagerung von Proben besonders wertvoll sein. Aufgrund der Seltenheit solcher Erkrankungen ist es oft schwierig, genügend Proben zu sammeln, um aussagekräftige Studien durchzuführen. Durch das Aufbewahren von Proben über längere Zeit können Forscher auch in Zukunft auf das benötigte Probenmaterial zugreifen und so Studien zu seltenen Erkrankungen durchführen.
Herausforderungen bei der Lagerung
Die Lagerung von Proben bietet zahlreiche Chancen, doch ist der damit verbundene Aufwand nicht zu unterschätzen. Es geht nicht nur darum, die Proben einfach in einem Kühlschrank zu lagern. Vielmehr müssen verschiedene Aspekte je nach Probenart berücksichtigt werden, die sorgfältig aufeinander abgestimmt und miteinander abgewogen werden müssen. Im Folgenden sind unter den Punkten Compliance, Temperaturbereiche und Ressourcen Beispiele dieser Aspekte benannt, die natürlich für jeden Einzelfall nochmals genau betrachtet und bewertet werden müssen.
Compliance
Compliance bezeichnet die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, ethischen Standards und internen Richtlinien und Prozessen. Auch bei der Lagerung von Proben sind eine große Anzahl an Vorschriften und Standards zu beachten. Als
Grundlage für die Lagerung ist dabei zu betrachten, dass die Lagerung selbst eine Tätigkeit ist, die gesetzlichen Vorschriften unterliegt. Somit gelten die gleichen Vorschriften wie etwa bei einer Vermehrung von Krankheitserregern im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes.
Gerade im pharmazeutischen Bereich oder bei der Lagerung von Gewebe wird dann auch ein etabliertes und zertifiziertes Qualitätsmanagement gefordert, welches den rechtlichen Vorschriften und der Vorgaben etwa der Guten Laborpraxis entspricht. So sind für alle Tätigkeiten Standardarbeitsanweisungen zu erarbeiten, es sind Geräte etwa durch Temperaturmapping zu qualifizieren und Wartungen für alle genutzten Geräte durchzuführen. Im Rahmen eines risikobasierten Qualitätsmanagements muss auch mit Fragen umgegangen werden, welche Maßnahmen etwa bei Stromausfall oder dem Ausfall von Freezern ergriffen werden, um die Integrität der Proben zu bewahren.
Im Rahmen der Compliance ist auch das gesamte Thema des Arbeitsschutzes zu betrachten, welcher gerade bei der Lagerung von infektiösem Material oder auch bei Lagerung in tiefkalt verflüssigtem Stickstoff zahlreiche Anforderungen mit sich bringt. Speziell für klinische / medizinische Proben sind weitreichende Anforderungen des Datenschutzes, der Patientenrechte sowie der Ethik zu betrachten.
Temperaturbereiche und Handling der Proben
Zentrale Frage der Lagerung ist der Temperaturbereich, in dem die Proben stabil sind. Dies betrifft insbesondere die Veränderungen der Analyten in der Probe selbst, die oft auf Degradationsprozesse durch unterschiedliche Mechanismen zurückzuführen sind. Es müssen jedoch auch Kontaminationsprozesse bzw. das Wachstum von Mikroorganismen berücksichtigt werden, die ebenfalls auftreten können. Vor der Lagerung sollten daher Publikationen oder Best Practices konsultiert werden, um die für die Art der Probe gegebenenfalls erforderlichen Zusätze wie „Cryoprotectants“ oder auch Temperaturbereiche für die Lagerung festzulegen. Bedingungen wie Luftfeuchtigkeit sind bei Proben in Röhrchen wie Blutproben kein Kriterium, können aber bei Gewebeblöcken oder Dried Blood Spots (Trockenblut) von Bedeutung sein. Es ist also eine Vielzahl von Informationen zu berücksichtigen, wobei die Art der Probe und gegebenenfalls erforderliche Zusätze an die standardmäßig im Labor verwendeten Temperaturbereiche angepasst werden müssen.
Neben der Frage der Temperaturbereiche sind auch das Probenhandling und damit verbundene Einfrier- und Auftauprozesse für die Integrität von Proben wichtig. Gerade bei Zellen wird durch ein schnelles Einfrieren (Vitrifikation) verhindert, dass sich Eiskristalle vor allem innerhalb der Zellen bilden, die die Zellen und deren Strukturen zerstören können. Ziel ist die Bildung von amorphem Eis, welches ohne Struktur gefroren vorliegt. Daneben ist auch der Auftauprozess zu betrachten, der ebenfalls auch im besten Fall kontrolliert ablaufen sollte. Denn auch beim Auftauen werden Temperaturbereiche durchlaufen, bei denen Rekristallisation von Eis stattfindet und so schädlich bspw. für Zellen sein kann.
Ressourcen
Im letzten Jahr wurde vor allem die Ressource Strom im Bereich des Biobankings sowie der Probenlagerung diskutiert, da gerade bei der Lagerung in –80 °C-Freezern ein hoher Strombedarf entsteht, der pro Jahr und je nach Alter des Freezers mehrere tausend Euro betragen kann. Die Möglichkeit zur Anhebung der Lagerungstemperatur wurde zugunsten der Probenintegrität von vielen Fachgesellschaften verneint. Vielmehr sollten alte Freezer ersetzt, Freezer enteist werden und Proben sortiert bzw. umgelagert werden, um alte Proben zu entsorgen und den Platz optimal zu nutzen. Auch im Bereich der Lagerung in tiefkalt verflüssigtem Stickstoff waren und sind Energiekosten ein Thema, da hohe Energie zur Erzeugung des flüssigen Stickstoffs benötigt wird.
Neben den Energieressourcen bindet die Lagerung von Proben auch personelle Ressourcen. Dies umfasst den Personaleinsatz zum Beispiel beim Handling der Proben inklusive deren Inventarisierung oder auch für die Durchführung von Schulungen im Bereich Qualitätsmanagement und Arbeitsschutz.
Und Lagerung bedeutet Platz. Denn gerade bei Sammlungen, die stetig wachsen, muss der Raum ausreichend sein und dieser auch für die Lagerung auf Basis der oben genannten Compliance ertüchtigt werden. Dabei sind neben den baulichen Voraussetzungen auch das Absichern von technischen Fehlern und Stromausfällen zu betrachten, was durch weitere Freezer bei technischen Fehlern oder auch durch Notstromaggregate, die ebenfalls einer regelmäßigen Wartung unterliegen, adressiert werden kann.
Möglichkeiten zu lagern
Die Frage „Make or buy“ stellt sich aufgrund der Vielzahl an Herausforderungen auch für die moderne Probenlagerung. Denn wie bei allen Outsourcingprojekten muss abgewogen werden, ob ein Herausgeben der Tätigkeiten nicht zum Vorteil sein kann. So kann das Outsourcing selbst eine Risikominimierung darstellen, da hier etwa ein Notstromaggregat oder Redundanzgeräte zur Verfügung stehen. Auch können Anlagen effizienter genutzt werden, da nicht nur die eigenen Proben, sondern auch Proben anderer Firmen eingelagert werden. So werden die Anlagen besser genutzt und der Stromverbrauch verteilt. Weniger Personaleinsatz für die eigene Lagerung bedeutet auch mehr Fokus für die eigenen Tätigkeiten und so mehr Wertschöpfung im Unternehmen. Und zuletzt ermöglicht das Outsourcing eine Flexibilität, da kein Kapital in großen Lagerungsflächen und -anlagen gebunden ist. Demgegenüber steht natürlich, dass sich wertvolle Proben nicht mehr im direkten eigenen Zugriff befinden und dass die Proben mittels temperaturgeführter Logistik zum Outsourcing-Lager befördert werden.
Zusammenfassung
Die Lagerung von Proben bietet zahlreiche Chancen in verschiedenen Bereichen wie der Entdeckung neuer Biomarker, der Bestimmung von Krankheitsverläufen und der Forschung an seltenen Erkrankungen. Das Bewahren von Proben ermöglicht es, zu einem späteren Zeitpunkt neue Analyten oder Biomarker zu untersuchen und darüber wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.
Allerdings ist die Lagerung von Proben mit einem hohen Aufwand verbunden. Es müssen verschiedene Aspekte, wie Compliance, Temperaturbereiche und Ressourcen sorgfältig aufeinander abgestimmt und abgewogen werden. Es sind gesetzliche Vorschriften und ethische Standards zu beachten, und es ist ein etabliertes und zertifiziertes Qualitätsmanagement notwendig. Risiken wie Stromausfälle und Ausfälle von Freezern müssen berücksichtigt werden.
Insgesamt ist die Lagerung von Proben eine sinnvolle und oft notwendige Ergänzung zum analytischen Prozess. Die damit verbundenen Herausforderungen sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Eine sorgfältige Planung und Umsetzung sowie eine laufende Überwachung und Kontrolle sind notwendig, um eine hohe Probenqualität und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und ethischer Standards zu gewährleisten. Nur so können die vollen Chancen der Probenlagerung ausgeschöpft werden und wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, die z. B. zur Entwicklung neuer Therapien beitragen könnten. Alternativ zur Lagerung in eigenen Räumlichkeiten ist es möglich, die Probenlagerung outzusourcen, was auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann. Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Pharma, Diagnostik, darunter auch Labore könnten sowohl von den Vorteilen der externen Probenlagerung zu profitieren als auch sich gleichzeitig auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren.
AUTOR
Dr. Soeren Schumacher, M.B.A.
Geschäftsführer
Cryondo GmbH, München
Tel.: 089/540435-72
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www.cryondo.de