Utility-Filme

SOP als Utility-Film

Kooperation von Medicyte und memex bei Laborprozessen
Bild 2: Dreh des Utility-Films im Labor.

Stefan Holder*, Dr. Nadja Hartmann*, Uwe Berner**)

  1. S. Holder, Managing Director, N. Hartmann, Laborleiterin, Medicyte GmbH, 69120 Heidelberg.
  2. U. Berner, Leiter Forschung und Entwicklung, memex GmbH, 73235 Weilheim.
Schriftliche SOPs alleine reichen oft nicht aus, um eine Arbeitsanweisung im Labor korrekt darzustellen. Viele Vorgänge im Labor ließen sich viel besser bildlich oder filmisch dokumentieren. Im Folgenden wird die Entstehung eines sogenannten Utility-Films gezeigt, der einen wichtigen Prozess im Zellkulturlabor so darstellt, dass er auch für ungelerntes Personal nachvollziehbar wird.


Bei der täglichen Arbeit im Labor, speziell bei der Arbeit im Zellkulturlabor, sind Arbeitsanweisungen (Standard Operating Procedure, SOP) in schriftlicher Form häufig ungeeignet. Schriftliche SOPs werden in der Regel vor Beginn der praktischen Arbeit im Labor durchgearbeitet. Aus Praktikabilitätsgründen muss der Inhalt – meist ein Fließtext – selbstständig vom Labormitarbeiter in Stichpunkte zusammengefasst werden. Dieses Vorgehen kostet zum einen Zeit, die besser eingesetzt werden könnte. Auch besteht die Gefahr, bei der Zusammenfassung wichtige Anweisungsdetails zu übersehen. Zudem prägen sich reine Textanweisungen schlecht ein. In der Folge gelingen Laborarbeiten oftmals nicht und müssen wiederholt werden. Mitunter wird der Fehler gar nicht bemerkt und das Experiment liefert ein falsches Ergebnis.

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Zur Lösung dieser Probleme haben sich die Medicyte GmbH und die memex GmbH zusammengeschlossen und ein gemeinsames Projekt zur filmischen Darstellung einer SOP initiiert. Medicyte ist ein Biotechnologie-Unternehmen, das sich auf Technologien zur kontrollierten Produktion von primären Zellen in höchster Qualität und nahezu unbegrenzter Menge für den Einsatz in Forschung, Industrie und Therapie spezialisiert hat. memex wiederum gilt als innovationsgetriebenes Unternehmen und als Erfinder und Wegbereiter des Utility-Films und ist nach eigenen Angaben weltweit führend in der Entwicklung dieser Art von Filmen. Ein Utility-Film vermittelt Handlungswissen Schritt für Schritt durch einzelne Filmclips ohne Text und Sprache.

Im Vordergrund der Zusammenarbeit stand die Erfassung des Prozesses „Auftauen von upcyte® Zellen“ in filmischer Form. Aufgrund der technischen Erfahrung von memex und des geringen Einflusses der Utility-Film-Produktion auf den Laboralltag ergab sich die Zusammenarbeit. Beide Unternehmen einigten sich auf folgende Vorgehensweise: Als Test wird ein erster Utility-Film produziert, der dann in einem Usability-Test überprüft wird. In der darauf folgenden Optimierungsphase werden die Ergebnisse des Tests besprochen und die Inhalte einer optimierten Version geplant. Daraufhin wird diese zweite Version des Utility-Films erstellt und erneut mit einem Usability-Test überprüft.

Auftauprozess upcyte® Leberzellen

Die kryokonservierten Zellen müssen, wie jeder andere Zelltyp auch, sofort nach der Entnahme aus dem Stickstoff-Lagertank im 37 °C vorgewärmten Wasserbad aufgetaut werden. Dabei sind einige Kniffe zu beachten: Wichtig ist beispielsweise, dass das Vial nur für eine bestimmte Zeit erwärmt wird, deren Ablauf nur optisch erkennbar ist. Auch sind Desinfektionsschritte zu beachten und ein schneller Übergang des Arbeitsprozesses unter der Sterilwerkbank muss gewährleistet werden. Das Arbeiten unter der Sterilwerkbank erfordert hohe Sorgfalt und es dürfen keine Unterbrechungen stattfinden. Nach der Bearbeitung und Zentrifugation der Zellen kann dann die gewünschte Zellzahl mit passendem Zellmedium eingestellt und die Zellsuspension tropfenweise auf beschichtete Zellkulturplatten gegeben werden.

Wesentlich ist beim kompletten Auftauprozess, dass zügig und dennoch behutsam gearbeitet wird – bei gleichzeitig genauester Befolgung der SOP.

Besser mit Utility-Film

Der grundlegende Charakter des Utility-Films ist der eines Stoppfilms. Beim Utility-Film werden nur kurze Handlungsschritte aufgezeichnet und diese dann nacheinander abgespielt. Dabei klickt der Anwender aktiv zum nächsten Filmclip weiter. Der Film ist also eine Art Schritt-für-Schritt-Videoanleitung.

Mit Hilfe solch einer Schritt-für-Schritt-Anleitung sollte im Projekt von Medicyte und memex der Auftauprozess von upcyte® Zellen bis zur Vorbereitung der Kultivierung im Brutschrank visualisiert werden. Die Mängel der textzentrierten Darstellung sollten durch die realistische Darstellung mittels Video und durch grafische und textuelle Zusatzhinweise kompensiert werden.

Eine besondere didaktische Herausforderung stellten die einzelnen Handlungen unter der Sterilwerkbank dar. Der Mitarbeiter kann hier nämlich die Hände nicht zum Weiterklicken benutzen und eine Fußsteuerung ist nicht möglich. Somit muss der Mitarbeiter sich die folgenden Schritte merken und dann unter der Sterilwerkbank in einem einzigen Handlungsablauf ausführen.

Die Lösung war der Gebrauch einer sogenannten Memorize-Funktion (Bild 1). In einem Memorize-Standbild werden zuerst die einzelnen Handlungsschritte in einer Liste erläutert. Danach werden die einzelnen Handlungsschritte gezeigt und zum Abschluss wieder ein Standbild mit der Liste. Durch Klicken auf den Play-Button mit der Beschriftung „Show Again“ kann der gesamte Memorize-Block wiederholt werden. Sobald der Mitarbeiter sich die Liste der Vorgänge gemerkt hat, dient das letzte Standbild als Erinnerungshilfe und er kann die Handlung nun unter der Sterilwerkbank ausführen.

Die Memorize-Funktion kann aber auch bei zeitkritischen Aktionen im Laborumfeld eingesetzt werden, bei denen der Mitarbeiter keine Zeit zum Betrachten der einzelnen Clips und das Weiterklicken hat.

Erstellung und Test des Films

Die Dreharbeiten fanden im Labor der Medicyte GmbH mit Kamera, Stativ und einer speziellen Leuchte statt. Nachdem der Drehverlauf mit einer geübten Protagonistin abgesprochen worden war, wurde der gesamte Auftauprozess Schritt für Schritt aufgenommen (Bild 2). In der darauf folgenden Postproduktion wurden die einzelnen Clips zu einem Film zusammengefügt. Zusätzlich wurden grafische und textuelle Hinweise sowie die erwähnte Memorize-Funktion bei kritischen Handlungsabschnitten eingefügt.

Mit dem fertigen Utility-Film wurde dann ein Usability-Test durchgeführt. Einer ungeschulten Testperson, die den Auftauprozess noch nicht kannte, wurde hierzu eine Kurzanleitung mit der Erläuterung des Utility-Film-Prinzips und der Memorize-Funktion gegeben. Ohne Hilfe der anwesenden Personen musste sie alleine den Auftauprozess durchführen und befand sich dabei in der gleichen Situation wie die Medicyte-Kunden.
Der Ablauf des Testes wurde mit der Kamera aufgenommen (Bild 3). Anschließend erfolgte eine Befragung der Testperson zu eventuellen Schwächen des gezeigten Utility-Films. Des Weiteren wurden die anwesenden Mitarbeiter nach ihrer Meinung gefragt. Die Qualität der so angeleiteten Labortätigkeit sollte dann anhand der Anzahl der überlebenden Zellen bestimmt werden.

Es ergab sich ein Verbesserungspotential in folgenden Bereichen:

  • Darstellung des Zeitraums vom Beginn des Auftauens bis zur Überführung der aufgetauten Zellen in das Medium.
    • Visualisierung, dass das Zell-Gefäß nicht bewegt werden darf und dass das Ausspülen des Gefäßes wiederholt stattfinden muss.
    • Visualisierung, dass zum Entfernen des überschüssigen Mediums keine Pipette verwendet werden darf.

Nach Anwendung des Films durch eine ungeschulte Person hatten beim ersten Test nur 10 % der Zellen überlebt.

Aufgrund des Usability-Tests wurden einige zusätzliche Clips mit neuen Handlungsdetails gedreht, die Handlung zusätzlich gestrafft und der zeitkritische Auftauprozess durch eine Memorize-Funktion gekapselt. Zudem wurden noch die Kurzanleitung und das Formular zur Zellzählung überarbeitet.
Der darauf folgende zweite Usability-Test fiel zur Zufriedenheit aller aus. Es mussten nur kleinere Korrekturen an den Handlungen durchgeführt werden. Die aufwendigste Änderung war, das Befüllen der 24-teiligen Platte mit der aufgetauten Zellsuspension in vier Durchgängen darzustellen. Mit der überarbeiteten Version des Utility-Films überlebten nun nahezu alle Zellen.

Fazit

Für beide Seiten stellte der Lernprozess bei der Aufnahme und der Erstellung des Utility-Films im Laborumfeld eine Herausforderung dar. Diese bestand darin, dass neue Handlungsmuster im Utility-Film dargestellt werden mussten, man sich vorab über die wichtigen Details im Handlungsprozess klar werden und die Visualisierungsmöglichkeiten überdenken musste. Die Erschließung neuer innovativer Bereiche des Utility-Films fand Schritt für Schritt statt und nach jedem Treffen, Gespräch oder Usability-Test gab es einen Erkenntnisgewinn. Durch die Visualisierung des Prozesses ergab sich sogar eine Optimierung von Prozessschritten.

Unter Verwendung des Utility-Films wird nun auch eine ungeschulte Testperson in die Lage versetzt, nahezu alle Zellen in Kultur zu nehmen. Dieses sehr positive Ergebnis macht gespannt auf weitere Verwendungsmöglichkeiten im Laborumfeld. Die Medicyte GmbH und die memex GmbH werden auf diesem Gebiet auch weiterhin zusammenarbeiten und die Prozessunterstützung durch den Utility-Film bei der Medicyte GmbH voranbringen.

Die Verbreitung der Utility-Filme erfolgt primär über den Kundenbereich der Website von Medicyte, erst in zweiter Linie werden CDs verwendet.

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