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Artikel und Hintergründe zum Thema

Zusammensetzung des Erdmantels

Unter hohem Druck elastisch

Ein Forscherteam am Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth hat erstmals unter sehr hohen Drücken die elastischen Eigenschaften von Bridgmanit ermittelt, einem Mineral, das mehr als die Hälfte des Volumens unseres Planeten ausmacht und für sein physikalisch-chemisches Verhalten von entscheidender Bedeutung ist.

Im Bayreuther Labor für Brillouin-Spektroskopie und Röntgenbeugung: Dr. Alexander Kurnosov bei der Untersuchung einer Materialprobe unter hohen Drücken. (Foto: Chr. Wißler)

Die neuen Messungen ermöglichen grundlegende Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Erdinnern. So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass rund drei Viertel des unteren Erdmantels bis zu einer Tiefe von 1200 km aus aluminium- und eisenhaltigem Bridgmanit bestehen. In „Nature“ stellen sie ihre Forschungsergebnisse vor.

Ungefähr 700 km unter der Erdoberfläche beginnt der untere Erdmantel, der bis in eine Tiefe von rund 2900 km hinabreicht und empirischen Untersuchungen vor Ort nicht zugänglich ist. Um dennoch konkrete Aussagen über seine chemische Zusammensetzung treffen zu können, muss die Forschung die elastischen Eigenschaften der Minerale kennen, die im unteren Erdmantel sehr hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt sind.

Von diesen Eigenschaften hängt es ab, wie schnell sich Erdbebenwellen dort ausbreiten. Über die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Erdmantel gibt das PREM Auskunft, das Preliminary Reference Earth Model, das auf umfangreichen internationalen Messungen der Geophysik beruht. Das Modell erlaubt Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung, wenn ausreichende Daten zur Elastizität der Minerale vorliegen. Doch über die Elastizität von Bridgmanit war bisher nur wenig bekannt.

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Elastizitätsmessungen in weltweit einzigartigem Labor
Ein Forscherteam am Bayerischen Geoinstitut (BGI) hat jetzt erstmals präzise Messdaten hinsichtlich der Elastizität von eisen- und aluminiumhaltigem Bridgmanit gewinnen können – und zwar unter Druckverhältnissen, wie sie für den unteren Erdmantel charakteristisch sind. Mit diesen und weiteren Daten haben die Bayreuther Wissenschaftler verschiedene Szenarien für dessen chemische Zusammensetzung entwickelt und mit dem PREM abgeglichen.

Das Ergebnis: Bis in eine Tiefe von rund 1200 km enthält der untere Erdmantel hauptsächlich eisen- und aluminiumhaltiges Bridgmanit (75 %), hinzu kommen Ferroperiklas (18 %) und Calciumsilicat-Perowskit (7 %). Die Messdaten zur Elastizität von Bridgmanit wurden mithilfe der lasergestützten Brillouin-Spektroskopie und der Röntgenbeugung gewonnen. Das BGI ist weltweit die einzige Forschungseinrichtung, die beide Methoden im Labor kombiniert und für Materialuntersuchungen unter sehr hohen Drücken einsetzt.

„Unsere Messungen und Modellrechnungen legen nahe, dass der untere Erdmantel die gleichen atomaren Bestandteile wie der obere Erdmantel enthält, der sich unterhalb der Erdkruste in einer Tiefe zwischen 70 und 700 km erstreckt“, erklärt Dr. Hauke Marquardt, Mitautor der in „Nature“ veröffentlichten Studie. Diese Ähnlichkeit zwischen dem oberen und dem unteren Erdmantel konnten die neuen Forschungsarbeiten zeigen, weil sie im Unterschied zu früheren Modellen auch den Eisen- und Aluminium-Gehalt des Bridgmanits sowie den Oxidationszustand des Eisens berücksichtigen.

„Unsere Modellrechnungen zeigen, dass Eisen in Bridgmanit oberhalb von 1200 km hauptsächlich als Fe³⁺, einer speziellen Oxidationsform, vorkommt. Mit zunehmender Tiefe scheint jedoch der Anteil von Fe²⁺ kontinuierlich zu steigen“, ergänzt der Bayreuther Geowissenschaftler. Der Anteil von Fe²⁺ hat wahrscheinlich einen signifikanten Einfluss auf zahlreiche physikalische und chemische Eigenschaften von Bridgmanit. Wenn der Fe²⁺-Gehalt mit der Tiefe zunimmt, hätte dies weitreichende Konsequenzen für das Verständnis von Prozessen im unteren Erdmantel.

Zur Forschungsgeschichte:
Bridgmanit ist ein Mineral aus der Klasse der Perowskit-Silicate. Es ist nach dem US-amerikanischen Physiker Percy Williams Bridgman (1882 – 1961) benannt, der 1946 für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Hochdruck-Physik mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Veröffentlichung:
A. Kurnosov, H. Marquardt, D. J. Frost, T. Boffa Ballaran & L. Ziberna: Evidence for a Fe³⁺-rich pyrolitic lower mantle from (Al,Fe)-bearing bridgmanite elasticity data, Nature (2017), DOI:10.1038/nature21390.

Kontakt:
Dr. Hauke Marquardt
Bayerisches Geoinstitut (BGI)
Universität Bayreuth
E-Mail: hauke.marquardt@uni-bayreuth.de

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