Fachbeitrag
Molekulartherapien
Richard E. Schneider*)
- Freier Wissenschaftsjournalist, Brunnenstraße 16, 72074 Tübingen, Tel: 07071/253015.
Mit dem Protein-Spezialisten Prof. Mischak fand Prof. Rudolph bei Untersuchungen an Säuger-Zellkulturen heraus, dass bei Vorliegen einer DNA-Schädigung vier Biomarker vermehrt als Proteine aus dem Zellverband ausgeschleust werden. Diese Marker, die auch im Blut von Menschen nachweisbar sind, korrelieren quantitativ mit Alter und Erkrankung des Patienten. Bei alten, kranken Menschen liegt die ausgeschiedene Menge deutlich höher als bei gesunden, die Biomarker werden aber auch bei jungen Menschen gebildet. Schwere Erkrankungen wie Leberzirrhose bei über 50-Jährigen, berichteten die Wissenschaftler, führten zu um das Doppelte erhöhten Werten für die vier Biomarker. Die gleiche Leber-Patientengruppe wies überdies deutlich kürzere Telomere in der DNA auf, was die Zellalterung beschleunigt. Prof. Mischak erhöhte die Sensitivität der Untersuchungsmethode an Zellkulturen weiter durch mathematische Algorithmen. In Verbindung mit CE (Kapillar-Elektrophorese) und MS (Massenspektrometer) identifizierte er die vier Biomarker.
Den Nutzen ihrer Entdeckung sehen die Wissenschaftler vorerst in einer individualisierten, personalisierten Therapie für die Patienten. Bereits jetzt können die vier Biomarker in der Klinik herangezogen werden, um zu erfahren, ob sich ein älterer Patient nach einer schweren Operation wieder erholt, betonte Prof. Rudolph. Zukünftig lasse sich damit auch die Zellalterung in adulten Stammzellen beeinflussen. Mit molekularen Therapien können alternde Stammzellen reaktiviert werden. Für ältere Menschen kann diese Entdeckung zu einer längeren Lebensspanne ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen führen. Ebenso können mithilfe der vier Biomarker Krankheits-Prävention, Anti-Aging sowie die Suche nach neuen Nahrungsmittel-Zusätzen verbessert werden. Die Doktorandin Hong Jiang von der Ulmer Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung unterstützte die beiden Zellalterungs-Experten bei ihren mehrjährigen Arbeiten.
Quantensprung bei Proteom-Analyse
Nach Mitteilung von Joachim Conrads, CEO der mit Proteomik befassten mosaiques diagnostics, weisen nicht nur spezifische Alterungsprozesse solche typischen Protein-Muster auf, sondern auch konkrete Krankheitsprozesse wie Krebs, Alzheimer, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen u.v.a.m. Conrads sprach im Zusammenhang mit der Entdeckung der vier Biomarker für die Lebensalterung von einem „Quantensprung“. Es sei auch der Nachweis erbracht worden, dass qualifizierte Versuchsergebnisse beim Tier mit den Protein-Mustern beim Menschen weitgehend übereinstimmen. Damit könnten die Wirkstofftests für die Entwicklung neuer Medikamente nicht nur extrem verkürzt, sondern bedeutend sicherer werden, sagte Conrads weiter, der mit dem Proteom-Experten Harald Mischak das biomedizinische Unternehmen DiaPat GmbH, Hannover, gründete. Katastrophale klinische Test am Menschen mit beklagenswerten Opfern unter Versuchspersonen könnten somit weitgehend ausgeschlossen werden.
Die Einführung der Protein-Muster in die Diagnose ist der Schlüssel zur frühen und exakten Erkennung von Krankheiten und deren individuellen Heilung. Eine individualisierte Therapie kann hier ansetzen, wie die Proteom-Profile von DiaPat bzw. mosaiques diagnostics, Hannover, zeigen. Substantielle, hohe Genauigkeit in der Erkennung einer Erkrankung ist die Vorbedingung einer effizienten Therapie.
Sogar auf die Gesundheit rückwirkende Maßnahmen wie Sport, Ernährung, die Wirkung von bestimmten Nährstoffen, Gemüsearten etc. können auf Proteom-Basis in ihrer möglichen Einflussnahme auf die Verbesserung des Krankheitszustands eines Patienten untersucht werden. Nicht ein „goldener Wirkstoffdiamant“ wird, so Conrads, die Zukunft der modernen Medizin bestimmen, sondern ein gut abgestimmter Katalog von therapeutischen und begleitenden Maßnahmen. Prof. Mischak ist gegenwärtig bemüht, ein europäisches Netzwerk für Proteom-Analyse-Experten zu errichten. EUROKUP wird von der EU gefördert mit dem Ziel, möglichst rasch eine klinische Umsetzung der Proteom-Analysen zu ermöglichen.