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Artikel und Hintergründe zum Thema

Schwefel statt Sauerstoff

Syntheseweg für vielversprechende Polymer-Sorte patentiert

S-PPV-Polymere eignen sich für unterschiedlichste Anwendungen, von Solarzellen bis zur Medizin – aber ihre Herstellung war schwierig. Nun wurde eine neue Synthesemethode patentiert.

Rote Polymere nach dem ersten Aufreinigungsschritt. © TU Wien

Organische Polymere findet man heute in Solarzellen, Sensoren, LEDs und vielen anderen technischen Anwendungen. Eine spezielle Klasse davon – die sogenannten S-PPVs – galten bisher als theoretisch höchst vielversprechend, aber technisch kaum herstellbar. In jahrelanger Arbeit gelang es nun aber einem Team der TU Wien, einen chemischen Syntheseweg für diese S-PPVs zu finden. Das Herstellungsverfahren wurde nun patentiert.

Schwefel statt Sauerstoff
„PPVs sind Polymere mit technologisch wunderbaren Eigenschaften“, sagt Florian Glöcklhofer vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien. „Sie leiten elektrischen Strom, und sie interagieren mit Licht auf eine Weise, die sie für Solarzellen oder LEDs hochinteressant macht.“ Sie bestehen aus einer langen, festen Kohlenwasserstoff-Struktur, an der bestimmte Seitengruppen angehängt sind. Durch die Wahl unterschiedlicher Seitengruppen kann man die elektronischen Eigenschaften des Materials einstellen.

Bisher wurden PPVs verwendet, deren Seitengruppen über ein Sauerstoffatom mit dem Rest des Polymers verbunden sind – sogenannte O-PPVs. „Wenn es gelingt, diese Sauerstoff-Seitengruppen durch Schwefel-Seitengruppen zu ersetzen, dann entsteht ein neues Polymer, ein S-PPV, mit deutlich verbesserten Eigenschaften“, sagt Florian Glöcklhofer. „Wir wussten, dass das zu einem besseren Transport elektrischer Ladung durch das Molekül führen kann und dass die Stabilität dadurch verbessert wird.“

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Als Glöcklhofer beschloss, solche S-PPVs herzustellen, wurde ihm von erfahrenen Kollegen zunächst davon abgeraten. „Es hieß, das sei zu schwierig“, erzählt Glöcklhofer. Trotzdem wagte er sich an das Projekt – und stellte rasch fest, dass es sich tatsächlich um eine ganz besonders schwierige Herausforderung handelte. „Wichtig war es uns, einen einfachen, billigen Syntheseweg zu finden – mit möglichst wenigen Syntheseschritten, ohne teure Spezial-Katalysatoren“, betont Florian Glöcklhofer. „Schließlich wollen wir Materialien herstellen, die industriell eingesetzt werden können. Und kommerziell erfolgreich kann S-PPV nur sein, wenn die Herstellung ein bestimmtes Niveau an Kosten nicht übersteigt.“

Nach vier Jahren harter Arbeit und einigen bitteren Rückschlägen hatte es das Team dann geschafft: Ein verlässliches, einfaches Verfahren zur Herstellung von S-PPVs war gefunden. Mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung werden passende Monomere hergestellt. Sie werden polymerisiert und können dann an den Seitengruppen modifiziert werden. „Das funktioniert erstaunlich gut“, sagt Glöcklhofer. „Die Reaktion läuft innerhalb von Sekunden ab. Die Farbe ändert sich – man kann also direkt dabei zusehen.“

Das Team: Alina Buchner, Klaus Ableidinger, Florian Glöcklhofer, Michael Taubländer, Jonathan Prinz und Erstautorin Martina Rimmele. © TU Wien

Patentierte Synthesemethode
Mit Hilfe des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien wurde der neue Syntheseweg nun patentiert. Florian Glöcklhofer ist sehr zuversichtlich, was den kommerziellen Erfolg der Erfindung betrifft: „Es ist ein einfacher Syntheseweg für eine neue, höchst vielversprechende Klasse von Polymeren. Die Synthese kommt mit kostengünstigen Ausgangsmaterialien aus, wir brauchen keine Palladium-Katalysatoren oder ähnliche teure Zwischenschritte. Die Methode ist auf industrielle Mengen skalierbar, das Verfahren ist gut reproduzierbar und liefert ein Produkt, das nicht nur verbesserte elektronische Eigenschaften, sondern auch eine höhere Stabilität aufweist“, sagt Glöcklhofer. Außerdem sind S-PPVs auch noch vergleichsweise ungiftig und bioverträglich – das macht sie zu ausgezeichneten Kandidaten für den Einsatz in der Medizin.

Zusammengearbeitet hat das TU-Team bei diesem Projekt mit einer Forschungsgruppe des Imperial College in London, wo Glöcklhofer vor kurzem ein Marie Sklodowska-Curie Fellowship der Europäischen Kommission angetreten hat.

Originalpublikation:
Rimmele et al.: Thioalkyl- and Sulfone-Substituted Poly(p-Phenylene Vinylene)s, Polymer Chemistry; pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2014/PY/C8PY01717D#!divAbstract

Zusatzinformationen:
Materials & Matter ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Information & Communication Technology sowie Energy & Environment – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien. Geforscht wird von der Nanowelt bis hin zur Entwicklung neuer Werkstoffe für großvolumige Anwendungen. Die Forschenden arbeiten sowohl theoretisch, beispielsweise an mathematischen Modellen im Computer, wie auch experimentell an der Entwicklung und Erprobung innovativer Materialien.

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