Über Laborgrenzen hinaus

Das LIMS als zentrale Datendrehscheibe

Ursprünglich für Vorgänge innerhalb eines Labors gedacht, so gehen doch die Funktionalitäten von LIM-Systemen inzwischen über die Grenzen des „eigenen“ Labors hinaus. Der Autor zeigt an Beispielen, welche Anforderungen an solche Systeme durch externe Stellen hinzukamen.

© mr.nico/stock.adobe.com

Wegen der COVID-Pandemie diskutierte plötzlich halb Deutschland darüber, warum heutzutage Testergebnisse noch per Fax übertragen werden. Vor allem die (Nicht-)Digitalisierung der Gesundheitsämter beherrschte die Nachrichten. Doch auch seitens der Labore mussten Vorkehrungen getroffen werden, damit die Daten schnell und zuverlässig fließen konnten. Im Mittelpunkt dabei: das jeweilige Laborinformations- und Managementsystem (LIMS) der Labore. Es fungiert mehr und mehr als zentrale Datendrehscheibe – und das nicht nur bei der Übermittlung von COVID-Testergebnissen.

Das „Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz“, kurz: DEMIS, hat zum Ziel, die gesundheitsrelevanten Informationen durchgängig digital zu verarbeiten und zu transportieren (s. auch Bild 1). Auch für die Meldenden, also vor allem für Ärztinnen, Ärzte und Labore soll dadurch der Aufwand sinken, während die Daten schneller bei den Verantwortlichen im Gesundheitswesen ankommen – also bei den Gesundheitsämtern, den jeweiligen Landesbehörden und dem Robert-Koch-Institut (RKI). DEMIS als Schnittstellenstandard ist zwar schon seit Jahren im Gespräch, doch wegen der Änderung des Infektionsschutzgesetzes musste die Implementierung im vergangenen Jahr plötzlich sehr schnell gehen.

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„Wie viel COVID“ kann ein LIMS?

Für die Labore, die COVID-19-Tests durchführen und die Testergebnisse melden, stellte sich damit die Frage, wie sich die in ihrem LIMS vorhandenen Daten aus den verschiedensten Applikationen in das DEMIS-Adapter-Format übersetzen lassen. Und viele Labore machten darüber hinaus die Erfahrung, wie (un)flexibel ihr LIMS mit externen Formaten und der Anbindung an Drittsysteme funktioniert – zumal es nicht nur um die reine Datenübertragung geht. So sollte ein LIMS in der Lage sein, Berechnungen und/oder Plausibilitätsprüfungen durchzuführen, bevor die Übertragung an den DEMIS-Adapter erfolgt. Umgekehrt sollte es die Rückmeldungen des Adapters auswerten und den verschiedenen LIMS-Funktionen zur Verfügung stellen können. Nicht zuletzt war eine weitere Anbindung gefragt: nämlich die an die Corona-Warn-App.

Das Beispiel zu COVID-19 und DEMIS zeigt, dass ein LIMS inzwischen mehr ist als ein System für die Anbindung von Messgeräten und Messdatendokumentation und -auswertung. Vielmehr wächst das LIMS mehr und mehr in die Rolle der zentralen Datendrehscheibe von Laboren hinein – das an zentraler Stelle unterschiedliche Dritt- systeme im Labor und darüber hinaus bei Externen so integriert, dass durchgängige und automatisierte Workflows entstehen.

Lebensmittelsicherheit auf neuer Basis

Ein weiteres Beispiel stellt die AVV-DatA-Schnittstelle dar: Die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Austausch von Daten im Bereich der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes“ regelt vor allem den Datenverkehr zwischen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf der einen und den Landesuntersuchungsämtern auf der anderen Seite. Die Meldungen der Landesämter an den Bund (sowie dessen Meldungen an die EU) folgen dabei der Struktur der AVV-DatA-Kataloge, die in ihrer überarbeiteten Form spätestens zum 1. Januar 2023 implementiert sein müssen.

Bild 1: Schema zum Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz. © RKI

Die den Landesämtern zugeordneten Labore haben es in der Folge mit zum Teil erheblich geänderten Listen, mono- und polyhierarchischen Klassifikationen oder Klassifikationen plus Facetten zu tun (siehe Bild 2). Insofern muss das jeweilige LIMS in der Lage sein, die neuen Datenstrukturen in den Oberflächen seiner Applikationen darzustellen. Hinzu kommen Daten-Pre-Checks sowie Rückmeldungen an das BVL. Nicht zuletzt steht das LIMS vor der Aufgabe, die Brücke von den noch aktuellen zu den zukünftigen AVV-DatA-Katalogen zu schlagen, um den Übergang von der alten in die neue Welt fließend zu gestalten.

Anbindung beliebiger Geräte und Software

Ein solcher Umstieg ist nur dann wirtschaftlich und im geforderten Zeitrahmen abbildbar, wenn das LIMS herstellerunabhängig strukturiert ist – nicht nur, damit sich prinzipiell jedes Laborgerät ankoppeln lässt, sondern auch die unterschiedliche Software von anderen Herstellern. Auf diese Weise entstehen dann miteinander integrierte Prozessleitsysteme, die unterscheiden können: Handelt es sich bei den jeweiligen Informationen um eine einzelne Datei, um einen Webservice oder einfache Daten, die lediglich über das Netzwerk weitergeleitet werden sollen? Und auf welchem Weg gelangen die Daten in das System? Wie sieht die Definition der jeweiligen Daten aus, was soll mit ihnen geschehen und wo im LIMS werden sie platziert? Schließlich die Ausgabe der durch das LIMS verarbeiteten Daten: Sollen diese noch einmal gesichtet werden, bevor der Prüfbericht erstellt wird? Und in welcher Form wird dieser ausgegeben und übertragen – eventuell sogar an ein externes System?

Bild 2: Die neue Struktur der AVVDatA-Kataloge. © Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

Da angesichts dieser Herausforderungen ein LIMS möglichst flexibel anpassbar sein sollte, läuft die Zeit standardisierter, im Sinne festgelegter, Schnittstellen allmählich aus. An ihre Stelle treten parametrisierbare Systeme, an denen die Labore zum Teil selbst bestimmte Funktionen oder Datenzuordnungen einstellen können. Und wenn es ab einem bestimmten Punkt ohne „echte“ Programmierung nicht mehr geht, können die Entwickler des jeweiligen Herstellers vergleichsweise schnell und kostengünstig die notwendigen Änderungen vornehmen. Einfach gesagt: Will ein Labor nur, dass bestimmte Werte in anderen Spalten auftauchen, kann es das über Parameter-Einstellungen realisieren. Muss jedoch ein Plugin etwa für die Anbindung externer Systeme oder benutzerspezifische Geräte angepasst werden, müssen die Programmierer ran.

Ganze Workflows statt einzelner Funktionen

Das A und O eines solchen LIMS ist eine offene Programmierung, die nicht nur fertig einsetzbare, aber dafür starre Funktionen und Anbindungen bietet. Vielmehr sollte die Lösung mehr einem modularen Ansatz folgen, der statt in einzelnen Funktionen in übergreifenden Workflows „denkt“: prozess- statt rein funktionsorientiert. Soll das LIMS wirklich als Datendrehscheibe fungieren, ist diese Anpassbarkeit nötig. Und sei es nur für Daten, die bloß im Speicher vorgehalten und im eigentlichen LIMS gar nicht verarbeitet werden.

Das eingangs beschriebene Beispiel zu COVID-19 zeigt, wie wichtig diese Orientierung an übergreifenden Workflows ist: Anfang 2021 wurde mit dem Aufkommen neuer und gefährlicherer Virusvarianten die Sequenzierung der Proben zunehmend wichtig. So mussten viele Labore nicht mehr nur Positiv- oder Negativergebnisse melden. Vielmehr verlangte das RKI eine systematische Suche nach Mutanten und entsprechende Zweitmeldungen für zahlreiche Proben. Dies hat den Workflow der Labore erweitert und erforderte entsprechend ausgebaute Schnittstellen zwischen Laboren, Gesundheitsämtern und RKI. Ohne modul- und prozessorientiertes LIMS sind solche schnellen Anpassungen heute wirtschaftlich kaum möglich. Nicht zuletzt muss mit einem LIMS als zentrale Datendrehscheibe auch bei häufig und kurzfristig geänderten Anforderungen eine schnelle und fehlerfreie Übertragung der Messdaten in andere Systeme gewährleistet sein.

AUTOR
Michael Kuhn
Blomesystem GmbH, Gera
Tel.: 0365/527878-00
sales@blomesystem.com
www.blomesystem.com

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