Abluftstrom und Energieeffizienz von Sicherheitsschränken
Gefahrstoffe im Labor lagern – ein Blick in die Technik
Gefahrstoffe müssen so aufbewahrt werden, dass sie die Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden. Dieses Grundprinzip gilt in jedem Labor. Denn dort wird mit den unterschiedlichsten Gefahrstoffen gearbeitet, die verschiedene Eigenschaften und Gefährdungspotenziale aufweisen. Bereits kleinste Gefahrstoffmengen können gefährlich werden, wenn zum Beispiel 20 ml einer entzündbaren Flüssigkeit bis zu 200 l zündfähiges Dampf-Luft-Gemisch erzeugen. Sicherheitsschränke zur Lagerung gefährlicher Substanzen sind daher für Mensch und Umwelt eine der wichtigsten sicherheitstechnischen Einrichtungen im Labor.
Feuerwiderstandsfähige Schränke bieten Schutz vor den Auswirkungen der gelagerten gefährlichen Substanzen, zum Beispiel bei entzündbaren Stoffen. Stichprobenartige Untersuchungen in unterschiedlichen Laboren haben gezeigt, dass der zum sicheren Betrieb von Gefahrstoffschränken erforderliche Mindest-Abluftstrom häufig unterschritten wird oder sogar vollständig fehlt. Gleich häufig kam es jedoch auch zu einer Übererfüllung des erforderlichen Abluftstroms, was zu einer geringen Energieeffizienz führt.
Technische Lüftung verhindert explosive Gemische
Grundsätzlich sollte der Sicherheitsschrank mit einer technischen Lüftung ausgestattet sein, siehe DIN EN 14470-1/2, um ein Entstehen explosiver Gemische im Schrankinnenraum zu verhindern. Nach TRGS 510 (Anlage 3, 2.2) ist unter bestimmten Umständen auch ein Betrieb ohne technische Lüftung möglich. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis in aller Regel jedoch nur außerhalb des Labors in industriellen Anwendungen Gebrauch gemacht.
Der Abluftanschluss vermeidet nicht nur, dass sich explosionsfähige Gemische ausbilden, sondern schützt durch eine technische Entlüftung auch die Gesundheit der Labormitarbeiter. Freiwerdende gesundheitsschädliche Dämpfe im Gefahrstoffschrank werden erfasst und mit dem Abluftstrom abtransportiert.
Entsteht in einem Labor ein Brand, kommt eine weitere Sicherheitsanforderung an Gefahrstoffschränke zum Tragen: Den Labormitarbeitern und -mitarbeiterinnen soll dann genügend Zeit – zum Beispiel 90 Minuten bei einem Typ-90-Sicherheitsschrank – bleiben, den Laborraum zu verlassen. Die Feuerwehrleute haben ebenfalls 1,5 Stunden Zeit, in das Labor hineinzugelangen, bevor durch die gelagerten brennbaren Stoffe aus einem löschbaren ein unkontrollierter Brand wird.
Verhältnis von Abluftvolumenstrom und Energiebedarf
Nach Maßgabe der Europäischen Norm DIN EN 14470-1 muss bei geschlossenen Türen des Sicherheitsschranks ein Luftwechsel stattfinden, der mindestens dem zehnfachen Leervolumen des Schrankinneren je Stunde entspricht. Aus diesem Mindestluftwechsel ergeben sich, je nach Größe und Innenvolumen des Schranks, unterschiedliche Mindest-Abluftvolumenströme. In aller Regel kommt jedoch ein einheitlicher Wert von V· = 30 m3/h zur Anwendung. Dieser ist von der Schrankgröße unabhängig. Insbesondere bei kleineren Schränken, zum Beispiel Sicherheitsunterbauten unter Laborabzügen, wird der erforderliche Mindest-Abluftvolumenstrom damit deutlich übererfüllt. Diese Praxis leitet sich ab zum einen aus einer vereinfachten Planung und Auslegung der Lüftungsanlage und zum anderen aus dem Mangel am Markt verfügbarer Volumenstromregler, die geringere Werte als 30 m³/h einstellen könnten.
Der Energiebedarf eines Gefahrstoffschranks steht im direkten Verhältnis zum abgeführten Abluftvolumenstrom. Er setzt sich aus der zur Erzeugung des Abluftvolumenstroms erforderlichen elektrischen Energie und der mit ihm aus dem Laborraum abgeführten Wärmeenergie zusammen. Zur Veranschaulichung: Für Wohnräume gibt die DIN 1946-6 Raumlufttechnik (Lüftung von Wohnungen) Mindestwerte der Gesamt-Außenluftvolumenströme für Nutzungseinheiten vor. Danach beträgt der Mindestwert für die Nennlüftung bei einem modernen Einfamilienhaus rund 150 m³/h. Der Vergleich zeigt, dass der Luftmengenbedarf von fünf Gefahrstoffschränken etwa dem eines modernen Einfamilienhauses entspricht.
Höchste Energieeffizienz durch Einhaltung des Mindestluftwechsels
Gefahrstoffschränke werden 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, permanent entlüftet – im Gegensatz zu Laborabzügen, bei denen der Abluftvolumenstrom meist bedarfsabhängig geregelt wird. Der erforderliche Gesamt-Energieeinsatz zum Betrieb eines Gefahrstoffschranks wird durch die Auslegung und Ausführung der Lüftungsanlage (Leitungsnetz, Wirkungsgrad der Ventilatoren, Wärmerückgewinnung usw.) beeinflusst. Da sich die Lüftungsanlage je nach Laborgebäude- und Anlagenkonzept unterscheidet, wird der Energiebedarf des Gefahrstoffschranks im Folgenden direkt auf den abgesaugten Abluftvolumenstrom bezogen, so dass sich die unterschiedliche Energieeffizienz der jeweiligen Lüftungsanlage nicht auswirkt.
Nach der Energieeffizienz-Richtlinie 2012/27/EU wird die Energieeffizienz allgemein als das Verhältnis von Output (hier Sicherheit) zur zugeführten Energie (hier Abluftvolumenstrom) definiert. Die Energieeffizienz des Gefahrstoffschranks kann damit ausgedrückt werden als das Verhältnis von Mindest-Abluftvolumenstrom zu tatsächlich abgesaugtem Abluftvolumenstrom: E = V·min/V·real ≤ 1
Wie die Formel anschaulich zeigt, führt ein möglichst niedriger zur Gewährleistung der Sicherheit abgesaugter Abluftvolumenstrom V. (Mindestluftwechsel) zur höchsten Energieeffizienz. Dabei darf die Energieeffizienz-Kennzahl allerdings den Wert 1 nicht überschreiten, da dies zu einer Unterschreitung des vorgegebenen Mindestluftwechsels führen würde und damit der sichere Betrieb nicht mehr gewährleistet wäre.
Höhe der Abluftvolumenströme oft unbekannt
Soll ein Gefahrstoffschrank mit der richtigen Abluftmenge – sicher und energieeffizient – betrieben werden, kommt der genauen Messung und korrekten Einstellung des Abluftstroms eine besondere Bedeutung zu. Strömungsmechanisch handelt es sich beim Gefahrstoffschrank und der angeschlossenen Lüftungsleitung um durchströmte Körper, so dass sich eine Messung der Geschwindigkeit der Innenströmung anbietet, um den Abluftvolumenstrom zu bestimmen. Dafür werden meist Hitzdraht- oder Flügelrad-Anemometer verwendet. In der Praxis erweist sich diese Methode jedoch als ungenau bis ungeeignet. Dies liegt im Wesentlichen an der Geometrie des durchströmten Schrankinnenraums, der mit seinen Kontursprüngen und Umlenkungen turbulente, ungerichtete Strömungsstrukturen verursacht. Alternativ kann die Luftgeschwindigkeit zur Bestimmung des Abluftvolumenstroms auch in der Abluftleitung gemessen werden. Allerdings sind die Lüftungsleitungen in einem fertig installierten Labor in der Regel schlecht oder gar nicht zugänglich, so dass nur eine ungenaue, im besten Fall qualitative Bestimmung der Abluftvolumenströme möglich ist. Daraus folgt, dass in der bisherigen Praxis sehr oft nicht bekannt ist, ob Mindest-Abluftvolumenströme von Gefahrstoffschränke eingehalten werden oder ob umgekehrt unnötig hohe Abluftvolumenströme abgesaugt werden.
Spezielles System ermittelt Abluftvolumenstrom
Zur Lösung dieses Problems wurde eine Mess- und Überwachungseinrichtung, das Sicherheits-Assistenz-System SAS von asecos für Gefahrstoffschänke entwickelt. Das genaue und permanente Ermitteln des Abluftvolumenstroms erfolgt dabei mit Hilfe einer in den Abluftanschluss integrierten Messeinrichtung nach dem Wirkdruck-Prinzip und einer Auswerteelektronik, die auf dem Oberteil oder an der Rückwand des Gefahrstoffschranks angeordnet ist. Die Anzeige des – sicheren oder unsicheren – Betriebszustands erfolgt durch eine optische Anzeige an der Front des Sicherheitsschranks.
Da nicht vollständig geschlossene Türen oder Auszüge neben einem zu geringen Abluftvolumenstrom im Betrieb des Gefahrstoffschranks ebenfalls einen unsicheren Zustand darstellen, wird zusätzlich die Schließposition der Türen oder Auszüge mit Hilfe berührungsloser Kontakte erfasst und durch eine Warnleuchte angezeigt. So kann zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden, dass von den im Gefahrstoffschrank gelagerten Stoffen keine Explosions- oder Gesundheitsgefahr durch schädliche Dämpfe ausgeht. Bei Abweichungen oder Störungen der Lüftungsanlage erfolgt unmittelbar eine Alarmierung direkt am betroffenen Gefahrstoffschrank. So können im Störfall gezielte Maßnahmen zur Abhilfe veranlasst werden.
Zusätzlich hat der Betreiber die Möglichkeit, über einen externen Messanschluss, der Bestandteil des Systems ist, sowie einer Schrankmodell-spezifischen Volumenstrom-Kennlinie mit Hilfe eines einfachen, handelsüblichen Druckmessgeräts den aktuell abgesaugten Abluftvolumenstrom des Gefahrstoffschranks genau zu ermitteln. Dies gilt sowohl für die Erstinbetriebnahme als auch für die vorgeschriebene regelmäßige Überprüfung von Gefahrstoffschränken.
Durch genaue Messung und permanente Überwachung des Abluftstroms ist es möglich, Gefahrstoffschränke sicherer und mit höherer Energieeffizienz zu betreiben.
AUTOR
Dr.-Ing. Jürgen Liebsch, Lindenberg