Liquid-Handling
Die Tücken von Glycerol & Co. – Tipps fürs Pipetteren mit Luftpolsterpipetten
Der korrekte Umgang mit Luftpolsterpipetten führt bei schwierigen Flüssigkeiten zu höherer Reproduzierbarkeit und besseren Ergebnissen.
Flüssigkeiten von A nach B zu transportieren und exakt bemessen zu dosieren ist für fast jede Analyse und jedes Experiment notwendig. Hierbei stößt man auch auf Flüssigkeiten, die sich nicht so leicht pipettieren lassen: Luftblasen werden aufgezogen, die Flüssigkeit kann nicht richtig abgegeben werden oder ein unsichtbarer Rest verbleibt in der Spitze. In diesem Artikel wird der richtige Umgang mit unterschiedlichen Flüssigkeitstypen erläutert. Dies erleichtert und beschleunigt die Arbeiten im Labor und führt zu besseren Pipettier-Ergebnissen sowie höherer Reproduzierbarkeit.
Sechs essenzielle Schritte
Beim Pipettieren mit Luftpolsterpipetten sind sechs Punkte zu beachten, unabhängig von der angewendeten Technik.
1. Vertikales Aspirieren: Die Pipette soll vertikal in das Gefäß mit Probenflüssigkeit eingeführt werden und während des Aufnehmens der Flüssigkeit auch vertikal gehalten werden. Bereits ein Winkel von nur 30 ° führt zu zusätzlich aufgenommenem Volumen.
2. Eintauchtiefe: Die Pipettenspitze sollte nie zu tief in die Flüssigkeit eintauchen, damit nicht durch den Kapillareffekt zusätzliche Flüssigkeit aufgenommen wird. Je nach verwendetem Spitzenvolumen empfehlen wir eine Eintauchtiefe zwischen 1 und 6 mm (siehe Tabelle 1).
3. Pre-wetting: Die Befeuchtung der Innenwand der Pipettenspitze mit Probenflüssigkeit sättigt das Luftpolster. Hierzu wird die Probenflüssigkeit mehrmals aufgenommen und abgegeben, bevor das eingestellte Probenvolumen aufgenommen wird. Wir empfehlen 3 – 5 Pre-wetting-Zyklen für effizientes Vorbefeuchten der Pipettenspitze.
4. 45 °-Winkel bei Abgabe: Bei der Abgabe der Flüssigkeit ist ein 45 °-Winkel erforderlich, damit die gesamte Flüssigkeit aus der Pipettenspitze herausfließen kann.
5. Wandabgabe: Die Pipettenspitze sollte in Kontakt zur Gefäßwand stehen, wenn die Flüssigkeit abgegeben wird, damit kein Tropfen an der Pipettenspitze zurückbleibt.
6. Blow-out: Ein Blow-out ist bei „forward pipetting“ unerlässlich, um auch den letzten Rest an Probenflüssigkeit aus der Pipettenspitze heraus zu blasen.
(Die Technik kann auch in einem Online-Tutorial auf Youtube angesehen werden: https://bit.ly/2HUfBPA.)
Werden diese Schritte beachtet, ist die Pipettier-Technik schon sehr gut. Klassischerweise wird das sogenannte „forward pipetting“ angewendet. Hierbei wird der Bedienknopf erst bis zum ersten Druckpunkt heruntergedrückt und dann in der Flüssigkeit langsam und gleichmäßig losgelassen, um diese aufzunehmen. Bei der Flüssigkeitsabgabe wird der Bedienknopf bis zum zweiten Druckpunkt gedrückt und somit der Blow-out durchgeführt. Diese Technik ist ideal für wässrige Lösungen. (S. hierzu auch Bild 1.) Werden Flüssigkeiten mit einer von Wasser abweichenden Dichte verwendet, muss die Pipette justiert werden. Bei einem Direktverdränger-System ist dies nicht nötig.
Viskose Lösungen erfordern spezielle Technik
Sollen viskose Lösungen, wie z.B. Glycerol, Tween® 20 und Triton® X-100 pipettiert werden, ist eine spezielle Technik gefragt. Sonst wird sich in der Regel ein Rest Flüssigkeit in der Spitze befinden, der sich nicht abgeben lässt. Es empfiehlt sich die „reverse pipette“-Technik. Hierbei wird der Bedienknopf gleich bis zum zweiten Druckpunkt heruntergedrückt und dann in der Flüssigkeit besonders langsam losgelassen. Es wird die Menge, die sonst als Blow-out in Form von Luft vorhanden ist, zusätzlich aufgenommen. Dieser Schritt erfordert Geduld, da viskose Lösungen aufgrund hoher molekularer Reibung sehr langsam fließen. Anschließend wird der Bedienknopf zur Abgabe nur bis zum ersten Druckpunkt heruntergedrückt, und die zusätzlich aufgenommene Flüssigkeit verbleibt in der Pipettenspitze. Das voreingestellte Volumen wird so genauer und reproduzierbarer als bei „forward pipetting“ pipettiert. Ein Blow-out wird nicht durchgeführt.
Der weit verbreitete Irrglaube, das Abschneiden der Pipettenspitze führe zu besseren Ergebnissen, bewirkt das genaue Gegenteil und macht das Pipettieren noch ungenauer als die Verwendung einer falschen Technik. Das Abschneiden der Spitze zerstört die Geometrie der Spitze und verändert die Größe des Luftpolsters, so dass ein voreingestelltes Volumen nicht mehr akkurat aufgenommen werden kann. Zwei weitere Möglichkeiten, viskose Lösungen exakt und sauber zu dosieren, sind die Verwendung von elektronischen Pipetten mit einer Auswahlmöglichkeit für viskose Lösungen (z.B. 86 %iges Glycerol) oder die Nutzung eines Direktverdränger-Systems. Im Falle der Nutzung eines Direktverdränger-Systems muss keine spezielle Pipettiertechnik angewendet werden.
Pipettieren von Flüssigkeiten mit hohem Dampfdruck
Ethanol, Aceton und Chloroform sind Flüssigkeiten mit einem hohen Dampfdruck. Die Flüssigkeiten verdampfen in das Luftpolster der Pipette, dieses dehnt sich aus und drückt die Flüssigkeit wieder heraus, was zum Tropfen aus der Pipettenspitze führt. Viele begegnen diesem Umstand, indem möglichst schnell pipettiert wird, und die Gefäße eng beieinanderstehen. Dies ist keine ideale Methode, da das Tropfen sehr schnell beginnt und Probe zwischen die Gefäße gelangen kann. Das Pipettier-Ergebnis ist nicht akkurat, und in einigen Fällen führen die Tropfen zu Kontamination von Labortisch, Racks oder der Gefäß-Außenwand.
Mit Luftpolsterpipetten kann man das Tropfen verlangsamen oder bei geringen Konzentrationen der Lösungsmittel (z. B. 70 %iges Ethanol, 1 %iges Aceton) verhindern, indem fünf oder mehr Pre-wetting-Zyklen durchgeführt werden. Diese Technik sättigt den Luftraum in der Pipette, und das Luftpolster dehnt sich weniger stark und schnell aus. Einige elektronische Pipetten können auf bestimmte Flüssigkeiten eingestellt werden und pipettieren diese dann genauer als es mit mechanischen Pipetten möglich ist. Man sollte darauf achten, dass die Einstellung auf z.B. 70 %iges Ethanol einfach vorgenommen werden kann. Bei höheren Konzentrationen von flüchtigen Stoffen muss ein Direktverdränger-System genutzt werden, um sicher und akkurat die Flüssigkeiten zu transferieren.
Spezielle Pipettenspitzen für detergenzhaltige Lösungen
Detergenzien verringern die Oberflächenspannung von Wasser und werden in vielen Puffern, oder auch für PCR-Mastermixe verwendet. Detergenzien haben eine viskose Konsistenz und haften auch stark an Kunststoffoberflächen. Da Detergenzien meist farblos sind, ist der massive Verlust von mehreren µl an Probe in der Pipettenspitze nicht sofort ersichtlich. Dies ist besonders auffällig, wenn PCR-Mastermix für die genaue Anzahl an Proben angesetzt wird, sich aber beim Verteilen des Mixes zeigt, dass die Menge nicht ausreichen wird. Hier hilft nur die Verwendung eines Direktverdränger-Systems oder spezieller Pipettenspitzen, die ultra-hydrophob sind und somit ein Abperlen der detergenzhaltigen Flüssigkeit begünstigen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Spitzen nicht mit Silikon oder anderen Materialien überschichtet sind, um den abperlenden Effekt zu erreichen, da diese Stoffe sonst in die Probe gelangen könnten. Wird ein Direktverdränger-System für detergenzhaltige Lösungen genutzt, können diese sauber und verlustarm dosiert werden, da der in der Spitze enthaltene Kolben mit Dichtlippe die Flüssigkeit an der Innenwand der Spitze abstreift. (S. auch Bild 2.)
Problematik der Aerosole
Ein viel diskutiertes Problem sind Aerosole. Diese kleinen Tröpfchen enthalten alle Bestandteile, die auch in der Probe enthalten sind: Von DNA und RNA über Bakterien, Viren, Chemikalien bis hin zu radioaktiven Stoffen. Die natürliche Evaporation der Flüssigkeit innerhalb der Pipettenspitze trägt diese Stoffe nach oben bis in den Pipettenkonus hinein. Es besteht die Gefahr, dass nach dem Wechsel der Spitze spätere Proben per Kreuzkontamination verunreinigt werden. Abhilfe schafft ein Filter, der sowohl größere Spritzer, als auch feinste Tröpfchen zurückhält und für Bakterien und Viren undurchlässig ist. Auch die Verwendung eines Direktverdränger-Systems ist empfehlenswert. Bei letzterem ist die Probe sicher in der aufgesetzten Spitze eingeschlossen, und Evaporation wird verhindert.
Abschließend kann gesagt werden, dass es für jede im Labor verwendete Flüssigkeit eine Empfehlung zum korrekten Umgang gibt. Die richtige Pipettier-Technik ist ausschlaggebend für akkurate und präzise Ergebnisse. Des Weiteren kann auch die Verwendung von speziellen Pipettenspitzen oder geeigneteren Systemen eine deutliche Verbesserung der Pipettier-Ergebnisse bewirken (s. Tabelle 2).
Weitere Informationen und Tutorial Videos:
www.handling-solutions.eppendorf.com.
AUTORIN
Dr. Hanaë A. Henke
Eppendorf AG, Hamburg