Interview

Pipettieren will gelernt sein

Dosieren von Flüssigkeiten zählt zu den gängigen Vorgängen im Labor. Damit ist Pipettieren eine Routine-Tätigkeit. Trotzdem kann man hier einiges falsch machen. Korrektes Pipettieren will gelernt sein. Eppendorf führt regelmäßig Trainings und Web-Seminare zum Liquid Handling in Hamburg oder bei Kunden vor Ort durch. Dr. Ulrike Gast von Eppendorf berichtet im Interview mit LABO von ihren Erfahrungen aus den Schulungen und gibt praktische Tipps.

LABO: Sie bieten Anwendern die Möglichkeit, in Seminaren über Dosiersysteme und speziell zum Pipettieren im Labor mehr zu lernen. Was wurde bei den Teilnehmern deutlich? Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Dr. Ulrike Gast ist Applikationsspezialistin für manuelle Dosiersysteme und deren Kalibrierung. © Eppendorf

Dr. Gast: Ja, das Angebot von Schulungen, nicht nur von Eppendorf, ist wirklich wichtig. Wenn ich sehe, welche Empfehlungen, Tipps und Tricks manchmal im Internet kursieren, graust es mich. Da ist es gut, wenn das in den Schulungen wieder geradegerückt werden kann. Eine wichtige Erkenntnis aus unseren Trainings ist, dass Fehler nicht nur während der Dosierung entstehen, sondern bereits davor. Nämlich bei der – meist nicht erfolgten – Wahl des geeigneten Dosiersystems. So gibt es beispielsweise eine ganze Reihe von Flüssigkeiten, die mit üblichen Luftpolsterpipetten nur unzureichend beherrscht werden können. Ein anderes Beispiel: Ich würde keine Serien von 40 Tubes mit einer Luftpolsterpipette befüllen wollen, wenn jeweils dieselbe Flüssigkeit dosiert wird. Das ist viel zu anstrengend. In beiden Fällen macht ein Direktverdränger mit Dispensierfunktion wie die Multipette Sinn. Man sollte also erst über das System nachdenken und dann zu dem greifen, das am besten für die jeweilige Aufgabe geeignet ist. Die genannten Beispiele zeigen, dass es dabei nicht reicht, nur einen möglichst kleinen Pipettierfehler im Blick zu haben. Auch Ergonomie und Effizienz der Durchführung sind wichtig. Wenn ich einen müden Arm habe, kann ich auch keine guten Pipettier-Ergebnisse erzielen.

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Welche Schwierigkeiten wurden auf Anwenderseite in Trainings deutlich? Was sind typische Pipettierfehler?

In unseren Schulungen erleben wir häufig, dass Direktverdränger zwar in den Labors vorhanden, ihre Vorteile aber nicht bekannt sind. Weiterhin nehmen wir uns Zeit, zu erklären, warum die regelmäßige Kalibrierung so wichtig ist. Und wenn es speziell um Luftpolsterpipetten geht: Die Kenntnis der Einflüsse von Umweltfaktoren und Pipettenspitzen auf das Dosierergebnis sind weitere Schwerpunkte. Auch mit so manchem „Laborgesetz“ räumen wir in den Schulungen auf, wie zum Beispiel der Anweisung, man dürfe Pipetten nicht liegend lagern (was nicht stimmt).

Werfen wir einen Blick auf die typischen Handhabungsfehler mit Luftpolsterpipetten, den Arbeitspferden im Labor. Bei Luftpolsterpipetten wird häufig mit zu großem Luftpolster gearbeitet, die Pipette während der Flüssigkeitsaufnahme schräg gehalten und der Flüssigkeit ungenügend Zeit eingeräumt, in die Spitze zu gelangen. Auch der Einfluss von Pipettenspitzen auf das Dosierergebnis ist oft nicht bekannt. Ich empfehle in unseren Schulungen, grundsätzlich möglichst dicht am Nennvolumen zu arbeiten, dann ist der Pipettierfehler generell am geringsten, weil das Luftpolster am kleinsten ist.

Wie sieht ein korrekter Pipettiervorgang aus? Haben Sie Tipps für unsere Leser?

Klar habe ich Tipps – über dieses Thema könnte ich lange berichten, fokussiere mich hier aber auf die „Big Five“ der Flüssigkeitsaufnahme mit Luftpolsterpipetten und den wichtigsten Punkt bei der Abgabe:

Schritt 1: Nehmen Sie sich Zeit – Pipettieren und Hektik vertragen sich nicht!

Schritt 2: Prüfen Sie, welches Dosiersystem für Ihre Anwendung geeignet ist.

Schritt 3: Achten Sie darauf, stets nahe des Nennvolumens zu arbeiten.

Schritt 4: Halten Sie die Pipette bei der Aufnahme von Flüssigkeit senkrecht. Das gilt übrigens und ganz besonders auch für die Mehrkanalpipetten, die während der Flüssigkeitsaufnahme aus dem Reservoir gern schräg gehalten werden!

Schritt 5: Warten Sie kurz, bis Sie die Spitze aus der Flüssigkeit ziehen. Ich empfehle, bei kleinen Volumina von 20 bis 23 zu zählen, bei großen bis 25, bevor die Spitze aus der Flüssigkeit gezogen wird. Es braucht Zeit, bis das ganze Volumen das kleine Loch der Spitze passiert hat.

Bei der Flüssigkeitsabgabe sind weniger Einzelfaktoren zu beachten. Jedoch ist hier ganz wichtig, dass der Bedienknopf wirklich so lange gedrückt gehalten wird, bis die Spitze die Flüssigkeit verlassen hat. Viel Routine führt oft zu einem Verschmelzen der Einzelschritte „Herausziehen“ und „Bedienknopf zurückgleiten lassen“ zu einer Bewegung. Dabei wird dann leicht versehentlich wieder etwas Flüssigkeit aus dem Zielgefäß in die Spitze gesogen – Flüssigkeit, die dem finalen Volumen dann fehlt. In unseren Schulungen bieten wir übrigens einen Schnelltest an, mit dem jeder Teilnehmer das eigene Pipettier-Geschick überprüfen kann. Der Test hilft dabei, das Pipettieren richtig zu erlernen, weil man sofort ein mit bloßem Auge sichtbares Feedback bekommt.

© Eppendorf

Welche Einflüsse können zu Fehlern und Ungenauigkeiten führen, obwohl meine Pipettiertechnik korrekt ist?

Ja, diesen Fall gibt es auch: Alles richtig gemacht, aber trotzdem stimmen die Dosierergebnisse nicht. Was nun? Hier habe ich einige Lösungsvorschläge:

Die Umwelt beeinflusst bei Luftpolsterpipetten das Pipettier-Ergebnis. So kann z. B. ein Unterschied in den Temperaturen zwischen Gerät, Spitze, Flüssigkeit und Raum das Pipettier-Ergebnis beeinflussen. Zum Nachlesen: Unsere SOP (Standard Operating Procedure) zur Kalibrierung gibt diesbezüglich Empfehlungen, die auf die Laborroutine übertragbar sind.

Grundsätzlich ist zu beachten, welche Flüssigkeiten dosiert werden sollen. Die physikalischen Eigenschaften (v. a. Viskosität, Dampfdruck, Dichte) beeinflussen das Dosierergebnis. Je weiter von Wasser abgewichen wird, desto größer wird der Fehler. Im Zweifel sollte ein Direktverdränger oder Systeme mit angepassten Programmierungen wie unsere Liquid-Handling-Workstations der „epMotion“-Familie oder unseren „VisioNize pipette manager“ verwendet werden. Hier sind verschiedene Flüssigkeits-Typen voreingestellt bzw. einstellbar.

Ein Dosiersystem muss regelmäßig kalibriert werden. Pipetten enthalten Verschleißteile, z. B. die Dichtringe auf den Konen (wenn vorhanden). Durch Gebrauch kommt es zum Abrieb. Der Einfluss ist lange nicht bemerkbar – außer man wartet und kalibriert die Pipetten. Und man sollte immer im System arbeiten, d. h. nur Original-Spitzen oder alternative Spitzen, die auf der jeweiligen Pipette kalibriert wurden, verwenden.

Es lohnt sich, an einem Pipettier-Seminar teilzunehmen. Das sind viele Fachthemen, die ich hier angesprochen habe, aber der Spaß kommt nicht zu kurz – versprochen!

Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und die vielen hilfreichen Tipps für die Laborarbeit.

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