Liquid-Handling-Plattform Freedom EVO
Effizienz bei der Impfstoffentwicklung
Dr. Massimo Mariani*), Dr. Isabel Patocchi-Tenzer**)
- Novartis Vaccines & Diagnostics Research Centre, Siena, Italien.
- Application Manager Cell and Protein Sciences, Tecan Schweiz AG. Korrespondenzadresse: aline.weiss@tecan.com.
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Mit Hilfe der so genannten „Reversen Vakzinologie“ suchen die Wissenschaftler der Protein Purification Group am multidisziplinären Novartis Vaccines and Diagnostics Research Center nach neuen Impfstoffkandidaten (Bild 1). Die Methode beginnt mit einer in silico-Analyse des kompletten Bakteriengenoms. Dabei werden Hunderte potenzieller Kandidaten identifiziert. Es folgt die Klonierung und Expression der Proteine in Escherichia coli sowie die Aufreinigung der rekombinanten Proteine. Diese werden im Anschluss in umfangreichen Screenings an Tiermodellen auf ihre Wirksamkeit getestet.
Zehn Screening-Projekte laufen derzeit am Forschungsinstitut in Siena, in denen nach Impfstoff-Kandidaten gegen ganz unterschiedliche pathogene Bakterien gesucht wird. Dazu gehören unter anderem Meningokokken, humane und tierische Streptokokken, Staphylokokken, Clostridium-Spezies, Pneumokokken und pathogene Escherichia-coli-Stämme. In allen Fällen werden die rekombinanten Proteine zunächst aus dem bakteriellen Lysat isoliert, bevor sie als Impfstoffkandidaten später eingehender untersucht werden.
Automatisierung der Affinitätschromatographie
Vor einigen Jahren führten die Forscher am Novartis Vaccines and Diagnostics Reserach Center die Proteinreinigung durch Affinitätschromatographie noch manuell durch. Die Zelllyse, das Beladen und Waschen der Säule, die Elution und Charakterisierung der Proteine, die Konzentrationsbestimmung und die Analyse des Reinheitsgrades – für jeden einzelnen Schritt war Laborpersonal notwendig, das die Geräte bediente und umfangreiche Tests durchführte.
Das war äußerst zeitintensiv – es kostete fast den gesamten Arbeitstag –, so dass sich die Arbeitsgruppe aus Siena schließlich für die Automatisierung ihres Verfahrens entschied. Die Freedom EVO Plattform von Tecan, die seit 2005 im Proteinreinigungslabor im Einsatz ist (Bild 2), übernahm von da an einen Großteil der Aufreinigungsschritte. Das System läuft mit einer maßgeschneiderten Software, mit deren Hilfe die einzelnen Arbeitsschritte gesteuert werden. Selbst die Selektion der Fraktionen, die zur weiteren Analyse herangezogen werden, geschieht automatisiert. Lediglich das Bakterienlysat stellt die Arbeitsgruppe noch manuell her. Alle darauf folgenden Schritte, vom Laden der Proben bis hin zur Probenvorbereitung für die Analyse über SDS-PAGE, managt die Freedom EVO Plattform.
In enger Zusammenarbeit mit Tecan haben die Biochemiker einen Arbeitsablauf entwickelt, der drei kurze Pausen während des Ladens, des Waschens und der Elution vorsieht. Durch die Integration der drei Zwischenstopps kann ein Überladen der Säule und ein dadurch bedingtes Verstopfen verhindert werden. An den drei entsprechenden Stellen erhält der Operator ein Warnsignal, woraufhin er die Säule überprüfen kann. So kann er sicherstellen, dass die Chromatographie ordnungsgemäß abläuft.
Nach der Elution startet die Proteinbestimmung nach Bradford. Dieser Schritt ist vollständig automatisiert – eine Überwachung durch das Personal ist hierzu nicht notwendig. Die Proben werden anschließend auf einer gekühlten Platte auf dem Deck der Freedom EVO Plattform gelagert und am nächsten Tag über SDS-PAGE weiter analysiert. Hierbei werden Informationen bezüglich des Molekulargewichts und des Proteinprofils gesammelt, die für die weiterführenden Untersuchungen von Bedeutung sind.
Zeiteffiziente Proteinreinigung
Acht bis 24 Proben können die Wissenschaftler auf der Freedom EVO Liquid Handling Plattform am Novartis Vaccines and Diagnostics Research Center simultan abarbeiten. Verschiedene Probenformate kommen zum Einsatz: 12-ml-Röhrchen, 1-ml-Säulen und 24- oder 96-Well-Mikrotiterplatten (die 96-Well-Platten werden bei der Proteinbestimmung nach Bradford verwendet). Das automatisierte Verfahren dauert länger als das manuelle: 24 Proben werden in 11 Stunden prozessiert. Im Vergleich dazu können die Proben in acht Stunden manuell abgearbeitet werden. Jedoch ist die automatische Aufreinigung mit einem wesentlich geringeren Zeitaufwand für das operierende Personal verbunden. Denn nach der Elution der Proteine ist keine weitere Betreuung des Prozesses mehr notwendig (Tabelle 1).
Wie aus der SDS-PAGE-Analyse ersichtlich wird, sind der Ertrag und die Reinheit der Proteine in beiden Fällen – bei der manuellen wie auch bei der automatischen Probenreinigung – vergleichbar (Bild 3). Das gilt sowohl für gering als auch für stark exprimierte Proteine. Das Liquid Handling System arbeitet zuverlässig und mit konsistenten Ergebnissen, wie Dr. Massimo Mariani und Dr. Vittoria Pinto, Biochemiker am Novartis Vaccines and Diagnostics Research Center, bestätigen. Dr. Pinto war bereits vor fünf Jahren am Setup des Gerätes beteiligt. In enger Zusammenarbeit mit dem Service-Team von Tecan war es ihr möglich, ein automatisiertes System in ihrem Labor zu etablieren, das die manuellen Arbeitsschritte auf ein Minimum reduziert und damit mehr Zeit für andere Experimente schafft.
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler zusammen mit den Service-Mitarbeitern von Tecan an einer Modifikation des Proteinbestimmungsschrittes: Künftig soll ein automatisierter BCA-Proteinbestimmungstest den Bradford-Assay ersetzen. Diese – ebenfalls kolorimetrische – Methode ist eine Alternative zum Bradford-Test, die schneller zu Ergebnissen führt. Außerdem ist der BCA-Test weniger störanfällig als der Bradford-Assay und besitzt einen größeren Linearbereich. Er würde die Automatisierung des Aufreinigungsverfahren weiter verbessern und den Ablauf der Proteinreinigung weiter beschleunigen.