Hochauflösende Massenspektrometer
Gegenüberstellung von TOF- und Orbitrap-Systemen
Die Hochauflösung hat in der Tandem-Massenspektrometrie völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Ein Vergleich der TOF (Time of Flight)- und Orbitrap-Systeme zeigt unterschiedliche Vorzüge und Schwächen. Eine seriöse Beurteilung, welche Technologie am besten für die eigenen Anforderungen und Zielsetzungen geeignet ist, ist nur möglich, wenn eine Reihe von Aspekten beachtet wird. Die folgende Gegenüberstellung (Quelle [1]) stellt keine Empfehlungen dar und ist in erster Linie dazu gedacht, die eigenen Anforderungen zu definieren und gegebenenfalls mit den Systemeigenschaften zur Deckung zu bringen.
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Das TOF-System
Im Laufe der raschen Weiterentwicklung der Time-of-Flight-Technik wurden signifikante Verbesserungen des dynamischen Bereiches und der Datenaufnahme-Geschwindigkeit erreicht, indem z. B. bei der Daten-Erfassung von Time-to-Digital-Convertern (TDC) auf die ADC-Technologie (Analog-to-Digital-Converter) umgestellt wurde. Trotz der damit erzielten, wesentlichen Fortschritte bleibt die Detektorsättigung eine leichte Einschränkung bei TOF-Geräten. Das wirkt sich nicht nur auf die Quantifizierung aus, sondern kann auch zu qualitativen Aspekten, wie Abweichungen der gemessenen akkuraten Masse führen. In diesen Fällen kann ein zu enges Massenfenster bei der Datenauswertung Probleme bereiten.
Durch die ständige Verbesserung der TOF-Technologie, insbesondere durch schnellere Elektronik und Verlängerung der Flugbahn(en), können inzwischen problemlos Massenauflösungen von 70 000 (FWHM, Halbwertsbreite) erreicht werden. Die Verlängerung der Flugstrecken (mit und ohne Reflectron-Technik) erfordert eine gut temperierte Umgebung, um die thermisch bedingten Ausdehnungsschwankungen der Flugröhren zu minimieren. Zur Unterstützung wurden auch spezielle Metalllegierungen mit sehr geringen Ausdehnungskoeffizienten entwickelt.
Die meisten TOF-Geräte werden in Kombination mit einem Quadrupol in der Konfiguration Q-TOF eingesetzt und bringen damit die Hochauflösung in die 2. Dimension der Tandem-Massenspektrometer ein (Bild 1). Der Quadrupol vor dem TOF ist sehr gut für die Selektion eines Vorläufer-Ions (Precursor) geeignet, nach dessen Fragmentierung dann ein HR-Produktionenspektrum gemessen werden kann. Er erfüllt aber auch eine Funktion zur Verbesserung der TOF-Leistungsfähigkeit. Der Quadrupol verhindert nämlich als Cut-off-Filter, dass Ionen mit zu hoher Masse die TOF-Messung beeinträchtigen. Diese würden sehr lange Flugzeiten beanspruchen und die Arbeitszyklen (Duty Cycle) unnötig verlängern.
Moderne TOF-Systeme erreichen Massengenauigkeiten bis unter 1 ppm. Schon geringe thermische Veränderungen und Schwankungen in der Spannungsversorgung solcher Geräte können zu Ungenauigkeiten bei der Massenzuordnung führen. Daher benötigen TOF-Systeme eine exakte Thermostatisierung der Umgebung und periodische Rekalibrierungen der Massenachse bzw. eine permanente oder alternierende Anpassung durch eine sog. Lock-Masse. Zur Korrektur der Fluktuationen kann durch kontinuierliches Infundieren einer geeigneten Referenzsubstanz ein bekannter Massenpeak („Lock-Masse“; Bild 1 links) herangezogen werden. Abgesehen von dieser permanenten Nachjustierung der Massenachse ist es auch möglich, die Lock-Masse nur unmittelbar vor und nach einem chromatographischen Lauf zu applizieren.
Vorzüge und Grenzen
Mit TOF-Geräten sind grundsätzlich höhere Scan-Geschwindigkeiten möglich als mit einer Orbitrap. TOF-Systeme werden von vielen Herstellern angeboten und zeigen eine gute Spektrenqualität. Die massenspektrometrische Auflösung ist insbesondere bei hohen m/z-Werten (d. h. großen Molekülen) sehr gut. Dank hochentwickelter Interfacetechniken wie z.B. Ion-Funnel (Ionentrichter, s. Bild 2) zeigen aktuelle Q-TOF-Systeme sehr gute Sensitivitäten. Um höchste MS-Auflösungen im TOF-Analysator zu gewährleisten, werden zur Bündelung der Produkt-Ionen nach der Kollisionszelle spezielle Linsensysteme verwendet (Bild 3).
Regelmäßige bzw. permanente Anpassungen der Massenachsen-Kalibrierung sind erforderlich, und das Auflösungsvermögen liegt deutlich unter jener der Orbitrap. Eine Verbesserung der Auflösungen würde noch längere Flugbahnen erfordern, die allerdings im Falle von Multireflektor-Geräten wiederum die Sensitivität beeinträchtigen und die Duty Cycles verlängern. Das Auflösungsvermögen nimmt in Richtung kleiner Moleküle noch zusätzlich etwas ab, so dass kleine Moleküle in sehr komplexen Matrizes etwas schwieriger zu detektieren sind.
Das Orbitrap-System
Aktuelle Systeme mit einer Orbitrap als hochauflösendem Massenanalysator werden hauptsächlich in Kombination mit einem Quadrupol als erste MS-Stufe angeboten (s. Beispiel in Bild 4). Die Kollisionszelle nennt sich dabei „Higher-Energy Collisional Dissociation“ (HCD) und ist über die sog. C-Trap mit dem Quadrupol verbunden. Die C-Trap ist direkt an die Orbitrap gekoppelt und dient zum Sammeln und Zwischenlagern der Ionen. Ein besonderes Feature des gezeigten Modells „Q Exactive“ ist die Möglichkeit, multiple Füllungen der Orbitrap durchzuführen. D. h. eine Reihe von unterschiedlichen Precursor-Ionen können sequenziell isoliert und fragmentiert werden. Alle Fragmente der selektierten Precursor werden in der C-Trap gesammelt und abschließend als eine gemeinsame Ionenwolke in die Orbitrap injiziert.
Die MS-Auflösungsleistung der Orbitrap steigt proportional mit der Anzahl der Oszillationen, die die Ionen ausführen. Da bei steigenden Massen die Oszillationen geringer werden, sinkt auch die Massenauflösung bei höheren m/z. Folglich ist das Auflösungsvermögen der Orbitrap bei kleinen Massen größer. Das steht im Gegensatz zur Eigenschaft der TOF-Analysatoren, in denen gerade die höheren Massen längere Flugzeiten benötigen und dadurch höhere Auflösungen zeigen.
Bei der Orbitrap ist die Auflösung eine Funktion der Scan-Zeit, d. h. für ein höheres Auflösungsvermögen muss eine Einschränkung der Datenaufnahmerate (Punkte pro Zeit) in Kauf genommen werden. Die Nachweisempfindlichkeit leidet hingegen bei der Orbitrap nicht unter einer (zu) hoch „gewählten“ – also (indirekt) über eine geringere Datenaufnahmerate erreichte Massenauflösung. Das ist ein großer Unterschied zur TOF-Technik, wo höhere Datenaufnahmeraten die Sensitivität oder die Massenauflösung beeinflussen. Andererseits ist im Gegensatz zu TOF das obere Massenlimit bei der Orbitrap eingeschränkt und wird üblicherweise, je nach Applikationsausrichtung und System, mit z. B. 6 000 Dalton begrenzt.
Die größte Einschränkung bei der Orbitrap ist jedoch die Ionenkapazität, die mit rund fünf Millionen Ladungen begrenzt ist. Das kann eine praxisrelevante Limitierung bedeuten, wenn Full-Scan-Aufnahmen von Proben notwendig sind, die einen sehr hohen Matrix-Background aufweisen. Der limitierende Bauteil ist die C-Trap, die nicht überfüllt werden darf. Um solche Effekte zu minimieren, wurde eine sog. Automatic-Gain-Control (AGC) installiert. Abhängig vom Totalionenstrom, der über einen Vor-Scan ermittelt wird, regelt die AGC die Injektionszeit der Ionen, um die Füllkapazität nicht zu überschreiten und Raumladungseffekte in der C-Trap und Orbitrap zu verhindern. Bei Realproben mit entsprechender Matrixbelastung kann diese Beschränkung die Sensitivität – letztlich auch in Form des LOD (limit of detection), im Vergleich zu reinen Kalibrierstandards, signifikant verschlechtern. Ursache dafür ist, dass die AGC die Injektionszeit der Ionen reduzieren muss, um den Ladungsüberschuss der Matrix-Ionen einzudämmen. Auch in dieser Hinsicht ist die Kombination mit einem Quadrupol als Vorfilter in Systemen von Vorteil. Bei einem Q-Orbitrap-Tandem wirkt der Quadrupol auch als Cut-off-Filter, um Ionen oberhalb des interessierenden Massenbereiches auszublenden.
Vor- und Nachteile auf beiden Seiten
Unabhängig davon, welches HR-MS in der zweiten MS-Stufe zum Einsatz kommt, sowohl Q-TOF als auch Q-Orbitrap können einen Precursor vorselektieren, fragmentieren und die resultierenden hochaufgelösten Produkt-Ionen-Spektren messen. Die akkuraten Massen der Produkt-Ionen bewirken eine äußerst hohe Selektivität, die jene von konventionellen Triple-Quadrupolen übersteigt.
Innerhalb dieser Kategorie sind die Sensitivitäten aktueller TOF-Geräte und Orbitrap-Instrumente größtenteils als gleichwertig zu bezeichnen. Messbare Unterschiede zwischen den Geräten sind oftmals auf unterschiedliche Interface-Konstruktionen und Einflüsse zurückzuführen, die nicht unmittelbar mit dem Massenspektrometer-Typus in Verbindung gebracht werden können. Außerdem sind einige Eigenheiten bzw. Spezialitäten der unterschiedlichen Technologien nicht immer direkt vergleichbar.
Bei TOF-Geräten z. B. ist es möglich, die Sensitivität zu verbessern, wenn der Anwender eine geringere Datenaufnahmerate in Kauf nehmen kann. Eine Orbitrap kann von einer reduzierten Datenrate hinsichtlich der Empfindlichkeit nicht profitieren, aber im Gegensatz zum TOF dadurch eine höhere massenspektrometrische Auflösung erzielen.
Die Orbitrap zeichnet sich in erster Linie durch eine sehr hohe massenspektrometrische Auflösung aus, die niedermolekulare Analyten sehr gut auflöst. Durch die sehr kompakte Bauweise wird eine sehr gute Langzeit-Massenachsenstabilität erreicht, und die Massengenauigkeit ist unabhängig von der Ionenhäufigkeit. Die Möglichkeit zur Zwischenspeicherung von Ionen kann genutzt werden, um intensivere Produkt-Ionen-Scans zu erhalten. Mit der Orbitrap ist schnelleres Positiv/Negativ-Switching und das sog. Multiplexing möglich.
Die besonders hohe Massenauflösung des Quadrupol-Orbitrap-Hybridgerätes „Q Exactive“ von 140 000 (200 000 bei m/z 400) entspricht in etwa dem dreifachen Auflösungsvermögen eines typischen Q-TOF-Systems. Diese hohe Auflösung wird aber meist nur bei einer relativ geringen Aufnahmefrequenz von 2 Hz erreicht. Das ist wesentlich weniger, als typische Q-TOF-Geräte derzeit mit ca. 10 – 100 Hz erreichen. Das Orbitrap-System kann als maximale Frequenz nur 12 Hz erreichen, muss dabei aber die Massenauflösung auf 12 500 (bei m/z 400) reduzieren (s. hierzu aktuelle Angaben des Herstellers).
Bei schneller Chromatographie und hoher Massenauflösung macht sich die Limitierung der Datenaufnahmegeschwindigkeit als gravierende Schwäche der Orbitrap bemerkbar. Ein weiteres Problem der Orbitrap-Systeme ist die limitierte Ionenkapazität. Üblicherweise werden daher in Anwesenheit von starkem Matrix-Background vergleichsweise schwächere Signale gemessen als mit reinen Standards. Im Gegensatz zur Orbitrap kann die TOF-Technik für größere Moleküle (höhere m/z) bessere Auflösungen zur Verfügung stellen, wodurch sie für diese Applikationen prädestiniert ist. Auch bei eng aufgelöster Chromatographie (UHPLC) und großen Molekülen kann Time-of-Flight überzeugen. Im Falle einer eingeschränkten Datenaufnahmerate (Orbitrap) ist entscheidend, wie schnell bzw. hochauflösend die Chromatographie vor dem Massenspektrometer ist bzw. tatsächlich sein muss.
Die Vor- und Nachteile der beiden Systeme zeigen, dass es für den Anwender von entscheidender Bedeutung ist, die Anforderungen entsprechend der individuellen Problemstellung exakt zu definieren. Erst dann kann die geeignetste Technik dafür ausgewählt werden.
Literatur/Quelle
[1] Wiley Series on Mass Spectrometry „Chemical Analysis of Non-antimicrobial Veterinary Drug Residues in Food”; 1st Edition; ISBN-10:1118695070; Kapitel: “Capabilities and Limitations of High-Resolution Mass Spectrometry (HRMS): Time of Flight and Orbitrap”; 2017) von Anton Kaufmann (Kantonales Labor Zürich CH) u. Phil Teale (LGC UK)]
AUTOR
Wolfgang Brodacz
AGES Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
Lebensmittelsicherheit Linz