Korrekt dosieren

Auswirkungen von Flüssigkeitseigenschaften beim Pipettieren

Verschiedene Faktoren haben Einflüsse auf das Pipettierergebnis. Hierzu gehören auch die Eigenschaften der jeweils pipettierten Flüssigkeit. An einigen sei gezeigt, wie sich diese auswirken können.

© Thermo Fisher Scientific

Die heute in Laboren verwendeten Pipetten sind in der Regel so eingestellt, dass sie das gewünschte Volumen bei der Verwendung von Wasser abgeben. Als Referenzflüssigkeit ist Wasser von offizieller Seite gemeinhin anerkannt, da seine physikalischen Eigenschaften in unterschiedlichen Umgebungsbedingungen hinreichend bekannt sind. Im realen Laboralltag wird der Flüssigkeitstransfer jedoch immer von einer Kombination verschiedener Faktoren beeinflusst. Dazu gehören auch die Flüssigkeitseigenschaften, die sich erheblich auf das abgegebene Volumen auswirken können. Der Einfluss mehrerer unterschiedlicher Eigenschaften wird hier beleuchtet.

Einfluss der Flüssigkeitseigenschaften auf das Pipettierergebnis

Die meisten Pipetten im Laboralltag nutzen das Luftkolbenprinzip. Das bedeutet, dass sich zwischen Flüssigkeit und Kolben ein Luftraum befindet. Die meisten Flüssigkeiten lassen sich i. d. R. mit einer Luftkolbenpipette exakter übertragen als mit einer Direktverdrängungspipette (bei der Flüssigkeit und Kolben direkt in Kontakt kommen). Einige Flüssigkeitsmerkmale und Umgebungsfaktoren können jedoch zu Abweichungen beim Flüssigkeitstransfer führen. Grund dafür ist der vorhandene Luftraum, was beim Pipettengebrauch unbedingt berücksichtigt werden sollte. Theoretische und empirische Ansätze zur Erklärung der beobachteten Einflüsse werden im Informationsmaterial vieler Pipettenhersteller für den Endnutzer eingehend erläutert. Die Umsetzung wissenschaftlicher Theorien im praktischen Laboralltag fällt jedoch nicht immer leicht.

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Die real übertragene Flüssigkeitsmenge wird immer von mehreren Faktoren beeinflusst, darunter Flüssigkeitseigenschaften. Daher kann die Bewertung im konkreten Fall schwierig sein. Um diese Aufgabe zu erleichtern, werden hier verschiedene Einzelfaktoren vorgestellt. Auf diese Weise lässt sich die kombinierte Wirkung besser nachvollziehen.

Flüssigkeitsdichte

Bei Luftkolbenpipetten verhält sich der Luftraum zwischen Flüssigkeit und Kolben ähnlich einer Feder. Wird eine Pipette also auf die Abgabe einer exakten Wassermenge kalibriert, ist das abgegebene Volumen derselben Pipette bei Flüssigkeiten mit geringerer Dichte höher. Grund dafür ist, dass ein bestimmtes Volumen bei Flüssigkeiten mit geringerer Dichte leichter ist als das gleiche Volumen Wasser. Der Luftraum ist bei diesem Volumen nicht ausgeglichen und zieht daher etwas mehr Flüssigkeit an, als dies bei Wasser der Fall wäre. Das Gegenteil lässt sich bei Flüssigkeiten mit höherer Dichte als Wasser beobachten. Die höhere Dichte bedeutet eine größere Krafteinwirkung auf den Luftraum, der sich ausdehnt, wodurch eine geringere Flüssigkeitsmenge von der Spitze aufgenommen wird.

Dieser Dichte-Effekt kann reduziert werden, indem eine andere Flüssigkeitsmenge übertragen wird. Es ist nicht empfehlenswert, das Abgabevolumen bzw. die Anzeigeeinstellung auf andere Flüssigkeiten als Wasser anzupassen, da Pipetten für verschiedene Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Eigenschaften verwendet werden. Die Verwendung einer Referenzflüssigkeit wie Wasser ermöglicht eine verlässlichere Kontrolle der Pipettierleistung. Die Effekte anderer Flüssigkeiten können durch Kalibrieren bestimmt werden und das abgegebene Volumen entsprechend geändert werden (das bedeutet, wenn die Kalibrierung für die 500-µl-Einstellung ein um 5 µl geringeres Volumen ergibt, kann das Abgabevolumen auf 505 µl korrigiert werden, um die Abweichung auszugleichen).

Bild 1: Auswirkung der Flüssigkeitsdichte auf das Abgabevolumen. Unterschied zwischen Wasser, gesättigter Kochsalzlösung und 20%iger Natriumcarbonatlösung. Individuelle Messabweichung gegenüber Durchschnittswert der Testergebnisse. © Thermo Fisher Scientific

Da sich die Dichte immer in Kombination mit anderen Faktoren auswirkt, gibt es kein einfaches Beispiel. Betrachtet man z. B. anorganische Salzlösungen: Für die Einstellung 1.000 µl gibt die Pipette bei gesättigter Kochsalzlösung etwa 1 µl weniger Volumen ab, als wenn es sich um reines Wasser handeln würde. Bei anderen Salzlösungen kann das Ergebnis jedoch anders ausfallen. Bild 1 zeigt die Ergebnisse für zwei Salzlösungen (gesättigte Kochsalzlösung und 20%ige Natriumcarbonatlösung) im Vergleich zu reinem Wasser. (Hier wurde eine „FT 1000“-Standardspitze verwendet.)

Dampfdruck und Verdampfung

Bild 2: Durch Verdampfung entweicht Flüssigkeit durch die Öffnung der Spitze, wenn diese nicht zuvor mit dieser benetzt wurde. Rechts eine trockene Spitze, links eine zuvor benetzte Spitze mit kolorierter Ethanollösung 15 Sekunden nach der Flüssigkeitsaufnahme. © Thermo Fisher Scientific

Jede Flüssigkeit bildet ein Gleichgewicht zwischen flüssigem und gasförmigem Zustand. Um dies zu erreichen, verdampft ein Teil der Flüssigkeit, bis im Umfeld eine gewisse Konzentration erreicht ist. Der Dampfdruck als charakteristische Eigenschaft gibt an, wie schnell eine Flüssigkeit diesen Gleichgewichtspunkt erreicht. Flüssigkeiten mit einem hohen Dampfdruck beginnen nach der Aufnahme im Luftraum der Spitze zu verdampfen. Durch die verdampfte Flüssig- keit dehnt sich der Luftraum aus, und da es keine andere Möglichkeit gibt, den Druck auszugleichen, entweicht Flüssigkeit durch die Pipettieröffnung. Oft wird dies auf Undichtigkeit zurückgeführt, obwohl es sich tatsächlich um ein natürliches Phänomen handelt. So liefern die ersten Dosen einer Pipettierreihe geringere Volumen, da die Ausdehnung der Gasphase verhindert, dass die gesamte Flüssigkeit in die Spitze aufgenommen wird.

Verdampfung ist ein kontinuierlicher Vorgang. Darum sollte immer berücksichtigt werden, dass flüchtige Flüssigkeiten auch bei der Abgabe verdampfen können. Das Volumen im Zielgefäß ist daher geringer als die Menge, die sich zuvor in der Pipettenspitze befand. Diese Differenz kann besonders bei kleineren Mengen erheblich zum Tragen kommen.

Um Verdampfungseffekte zu vermeiden, ist es empfehlenswert, die Pipettenspitze zuvor mit der zu pipettierenden Flüssigkeit zu benetzen. Wiederholtes Aufnehmen und Abgeben der Flüssigkeit sorgt dafür, dass der Luftraum den Gleichgewichtspunkt eher erreicht. Während der tatsächlichen Dosierreihe nach dem Benetzen ist die Volumenabweichung dann geringer, und das „Undichte“-Phänomen vernachlässigbar.

Wichtig ist in diesem Kontext auch, dass einige Flüssigkeiten wie Alkohole für einen sogenannten Scheibenwischereffekt sorgen. Nach einigen Pipettiervorgängen kann das Schmierfett an den beweglichen Teilen der Pipette abgerieben sein und der Kolben stockt. Dies lässt sich dadurch beheben, dass der Kolben einige Male ohne Flüssigkeit bewegt wird, um das Fett wieder zu verteilen.

Viskosität

Viskosität ist eine Eigenschaft, die das Bewegungsverhalten beeinflusst. Flüssigkeiten mit hoher Viskosität (z. B. Glycerol) fließen nur langsam innerhalb und aus der Pipettenspitze. Wird die Spitze zu schnell aus dem Behälter entnommen, gelangt Luft hinein, wodurch sich das Volumen verringert.

Bei der Abgabe hinterlassen viskose Flüssigkeiten einen Film an den Wänden der Pipettenspitze, der langsamer als die restliche Flüssigkeit abfließt. Wird der Kolben zu schnell heruntergedrückt, kann daher ein Rest der Flüssigkeit in der Pipettenspitze verbleiben.

Bild 3: Pipettierergebnisse mit Glycerol im Direkt- und im Reverse-Verfahren. Die Pipette wurde auf Glycerol nach dem Direktverfahren eingestellt. Die x-Achse zeigt die Wiederholungen der Versuchsreihen, die y-Achse das Volumen in μl (wobei der Sollwert bei 200 μl liegt). © Thermo Fisher Scientific

Durch eine Verringerung der Pipettiergeschwindigkeit kann das Ergebnis verbessert werden. Ein langsames Aufnehmen gibt der Flüssigkeit Zeit, einen Gleichgewichtszustand zu erreichen, und eine langsame Abgabe verringert den Effekt des zurückbleibenden Flüssigkeitsfilms. Reverses Pipettieren ist ebenfalls eine sinnvolle Methode, um verbleibende Flüssigkeitsreste zu reduzieren. Pipettenspitzen mit weiter Öffnung erleichtern die Aufnahme und Abgabe von Flüssigkeiten, da sie leichter durch die Pipettieröffnung strömen.

Bild 3 zeigt die Auswirkung der angewandten Pipettiermethode auf das Ergebnis mit Glycerol. Die Kurven zeigen Durchschnittswerte aus drei verschiedenen Messreihen pro Methode. Alle genannten Maßnahmen wurden dabei beachtet. Die einzelnen CV%-Werte variierten bei der direkten Methode von 0,69 bis 1,15 % und beim Reverseverfahren von 0,27 bis 0,50 %. (CV% = Variationskoeffizient, ein relativer Wert, der anhand der statistischen Standardabweichung und dem mittleren Messvolumen bestimmt wird.)

Die Verwendung des Reverseverfahrens bewirkt eine geringere Abweichung der Ergebnisse, erhöht jedoch das Volumen aufgrund einer höheren Flüssigkeitssäule. Die Pipette wurde auf Glycerol nach dem Direktverfahren eingestellt.

Oberflächenspannung

Die Oberflächenspannung gibt die Stärke der Molekularkräfte an, die eine Flüssigkeitsmenge zusammenhalten. Ein gutes Beispiel für Flüssigkeiten mit hoher Oberflächenspannung ist Wasser.

Oberflächenaktive Substanzen wie „Tween“ kommen in vielen Laboranwendungen wie Mikrotiterplatten-Immunassays zum Einsatz. Die verwendeten Zusatzstoffe verringern die Oberflächenspannung eines Mediums, um beispielsweise die Spezifität der Analyse zu verbessern. Weil oberflächenaktive Substanzen die Oberflächenspannung senken, ändert sich die Benetzungsfähigkeit der Flüssigkeit. Ein sehr dünner Flüssigkeitsfilm verbleibt an den Wänden der Pipettenspitze, der langsamer als der Rest der Flüssigkeit abfließt. Dieser Effekt ähnelt dem Verhalten viskoser Flüssigkeiten.

Der verbleibende Film ist jedoch viel dünner und bei farblosen Substanzen manchmal kaum zu erkennen. Nach Abgabe der Flüssigkeit kann so ein Rest in der Pipettenspitze verbleiben.

Zusatzstoffe können auch zum Aufschäumen der Flüssigkeiten führen. Dadurch können geringe Flüssigkeitsmengen nach der Abgabe im Schaum in der Pipettenspitze verbleiben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das gemeinsame Volumen von Schaum und Flüssigkeit für gewöhnlich größer als das reine Volumen der Abgabebewegung ist. Schaumbildung kann auch den weiteren Versuchsablauf ungewollt beeinflussen (zum Beispiel bei photometrischen Messungen).

Die Auswirkungen einer verringerten Oberflächenspannung können durch Senken der Pipettiergeschwindigkeit reduziert werden. Auch durch Reverses Pipettieren lassen sich verbleibende Flüssigkeitsreste vermeiden.

Fazit

Die physikalischen Eigenschaften von Flüssigkeiten können bei Nichtbeachtung zu erheblichen Abweichungen bei Liquid-Handling-Prozessen führen, da sie unter bestimmten Umständen die Abgabemenge beeinflussen können. Solche ungewollten Effekte lassen sich jedoch vermeiden, indem unter anderem Pipettiergeschwindigkeit und -technik angepasst werden. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Flüssigkeitseigenschaften nicht die einzigen Faktoren sind, die das Ergebnis beeinflussen. Daher sollte stets eine Kalibrierung durchgeführt werden, um die tatsächliche Auswirkung zu bestätigen.

Thermo Fisher Scientific Inc.
Kontakt:
Dr. Daniel Sturm
Thermo Fisher Scientific, Langenselbold
info.labequipment.de@thermofisher.com
www.thermofisher.com/pipettes

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