Kryo-Röntgenmikroskopie

Barbara Schick,

Analyse von Zellstrukturen mit Künstlicher Intelligenz

Die Röntgenmikroskopie (Kryo-SXT) ermöglicht hochaufgelöste Einblicke in das Innere von Zellen und Zellorganellen – und das in drei Dimensionen. Bisher wurden die 3D-Datensätze zeitaufwändig manuell analysiert. Nun hat Team der Freien Universität Berlin einen Algorithmus entwickelt, der auf einem "gefalteten" neuronalen Netz basiert. Mit Expertinnen und Experten aus der Zellbiologie (FU Berlin) und der Röntgenmikroskopie am Helmholtz Zentrum Berlin wurde dieser Algorithmus nun zur Analyse von Zellbestandteilen in Kryo-SXT-Datensätzen eingesetzt. Damit konnten innerhalb weniger Minuten Zellorganellen identifiziert und detaillierte 3D-Abbildungen erhalten werden.

Mit dem Röntgenlicht der Quelle BESSY II lassen sich Mikroskopie-Aufnahmen mit räumlicher Auflösung bis hin zu einigen zehn Nanometern erstellen. Dabei können ganze Zellvolumina untersucht werden, ohne dass eine aufwendige Probenvorbereitung wie bei der Elektronenmikroskopie nötig wäre. Mit Hilfe der Röntgenmikroskopie können Zellorganellen mit ihren feinen Strukturen und Grenzmembranen in drei Dimensionen deutlich und detailliert dargestellt werden. Daher eignet sich die Kryo-Röntgentomografie sehr gut, um Veränderungen in den Zellstrukturen zu untersuchen. Die Auswertung der 3D-Tomogramme erforderte jedoch bisher eine weitestgehend manuelle und arbeitsintensive Datenanalyse. Um dieses Problem zu überwinden, haben Teams um den Informatiker Prof. Dr. Frank Noé und den Zellbiologen Prof. Dr. Helge Ewers (beide Freie Universität Berlin) mit der Abteilung Röntgenmikroskopie am Helmholtz Zentrum Berlin (HZB) zusammengearbeitet. Dabei entwickelte das Informatik-Team einen neuartigen, selbstlernenden Algorithmus. Diese KI-basierte Analysemethode basiert auf der automatisierten Erkennung subzellularer Strukturen und beschleunigt die quantitative Analyse der 3D-Röntgendatensätze. Die Aufnahmen der 3D-Bilder zur Untersuchung des Inneren von biologischen Proben wurden an der U41-Beamline an BESSY II durchgeführt.

Anzeige

Filopodien genau untersucht
"Wir haben in dieser Studie nun gezeigt, wie gut die KI-gestützte Analyse von Zellvolumina funktioniert, und zwar an Säugetierzellen aus Zellkulturen, die so genannte Filopodien besitzen", sagt Dr. Stephan Werner, Experte für Röntgenmikroskopie am HZB. Säugetierzellen haben einen komplexen Aufbau mit zahlreichen unterschiedlichen Zellorganellen, die jeweils andere zelluläre Funktionen erfüllen müssen. Filopodien sind Ausstülpungen der Zellmembran und dienen insbesondere der Zellmigration. "Für die Kryo-Röntgenmikroskopie werden die Zellproben zunächst schockgefrostet, und zwar so rasch, dass sich im Inneren der Zelle keine Eiskristalle bilden. Dadurch sind die Zellen in einem nahezu natürlichen Zustand und wir können den strukturellen Einfluss externer Faktoren im Zellinneren studieren", erklärt Werner.

Die Abbildungen zeigen einen Teil einer tiefgefrorenen Säugetier-Zelle. Links ist ein Schnitt aus dem 3D-Röntgentomogramm dargestellt (Skala: 2 μm). Die rechte Abbildung zeigt das rekonstruierte Zellvolumen nach Anwendung des neuen Algorithmus. © HZB

"Unsere Arbeit hat bereits erhebliches Interesse in der Fachwelt geweckt", sagt Erstautor Michael Dyhr von der Freien Universität Berlin. Das neuronale Netz erkennt nach HZB-Angaben innerhalb kürzester Zeit etwa 70 Prozent der vorhandenen Zellmerkmale korrekt und ermöglicht damit eine sehr rasche Bewertung des Datensatzes. "Perspektivisch könnten wir mit dieser neuen Analysemethode viel schneller und zuverlässiger als bisher untersuchen, wie Zellen auf Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Nanopartikel, Viren oder Karzinogene reagieren", meint Michael Dyhr weiter.

Publikation
Michael C. A. Dyhr, Mohsen Sadeghi, Ralitsa Moynov, Carolin Knapp, Burcu Kepsutlu Çakmak, Stephan Werner, Gerd Schneider, James McNally, Frank Noé, and Helge Ewers: 3D surface reconstruction of cellular cryo-soft X-ray microscopy tomograms using semisupervised deep learning, PNAS (2023); https://doi.org/10.1073/pnas.2209938120

Quelle: Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie

Anzeige
Jetzt Newsletter abonnieren

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige