Eine Betrachtung
Mikroplastik-Analysetechniken im Vergleich mit FT-IR-Imaging
Es tut sich viel in der Mikroplastikanalyse, und dementsprechend werden inzwischen auch verschiedenste Techniken eingesetzt, um Mikroplastik und seinen Einfluss besser zu verstehen. In diesem Artikel nimmt der Autor verschiedene Partikel-getriebene Ansätze unter die Lupe.
Es gibt zwei Ansätze für die Mikroplastik-Analytik. Beide haben zwar ihre eigenen Analyseziele und Anforderungen, letztlich sind sie aber komplementäre Techniken. Zum einen gibt es Masse-fokussierte Ansätze, die die Massenspektrometrie dazu nutzen, exakte Masseverteilungen für die häufigsten Polymertypen zu erhalten. Zum anderen gibt es Partikelgrößen-fokussierte Techniken, die ihren Fokus auf Anzahl, Identität und Größenverteilung legen und auf der Kombination von Mikroskopie und Spektroskopie (FT-IR, Raman, QCL-IR) beruhen.
Im Folgenden werden Partikel-fokussierte Techniken behandelt, was hier bereits einige Grundkenntnisse im Bereich Mikroplastikanalytik voraussetzt. Dies betrifft vor allem die Probenpräparation, auf die im Folgenden nicht eingegangen wird. Diese ist für die Mikroplastikanalyse von entscheidender Bedeutung. Am Ende der Probenvorbereitung steht die Filtration der Partikel auf ein Filtersubstrat, welches dann analysiert wird, um die Mikroplastik-Kontamination der Ausgangsprobe zu beurteilen.
Mikroplastik-Partikel aufspüren
Wurde die zu untersuchende Probe auf einem Filter präpariert, müssen die Partikel erst einmal aufgespürt werden [1, 2]. Basiert die Partikelerkennung auf visuellen Daten, stellt sich schon das erste Problem ein. Vor allem bei niedrigem Kontrast, hoher Partikelzahl, transparenten Partikeln oder gegenseitiger Überlagerung mit anderen (Nicht-Kunststoff-)Partikeln zeigt sich die Schwäche dieses Ansatzes. Kleine Partikel werden schnell als Agglomerat „vergesellschaftet“ oder im schlimmsten Fall ganz übersehen. Im Ergebnis heißt das, dass die visuelle Suche nach Partikeln nur unter idealen Bedingungen gelingt und immer mit einem hohen systematischen Fehler zu rechnen ist. Zahlreiche spektroskopische Mikroplastik-Analysetechniken, wie Raman- oder Einzelpunkt-FT-IR-Mikroskopie, legen der Partikelerkennung jedoch ein visuelles Bild zu Grunde. Auch Einzelpunkt-QCL-IR-Ansätze (QCL = Quantenkaskadenlaser) sind diesem systematischen Fehler unterworfen, da hier ein unspezifisches Kontrastbild verwendet wird.
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In diesen Fällen gilt: Was meine visuelle Analyse nicht erkennt, kann meine spektroskopische Analyse auch nicht aufklären. Dies ist der erste Grund, warum FT-IR-FPA-Imaging (FPA = Focal Plane Array) anderen Techniken bei der Zuverlässigkeit der Partikelerkennung überlegen ist. Man kann sich das FT-IR-Imaging wie eine digitale Kamera vorstellen, die über den Filter wandert und dabei chemische (IR-)Daten sammelt. Mit jeder Aufnahme fügt sich schließlich ein Bild zusammen und der ganze Filter wird chemisch, mit hoher Ortsauflösung (5 µm) kartographiert. Diese Karte ist unabhängig vom visuellen Kontrast und basiert nur auf der spektralen Information der Partikel. Ein Übersehen kleiner oder transparenter Partikel ist ausgeschlossen. Solch eine ortsbezogene chemische Analyse birgt viel Potential zum Erkennen (und Analysieren) von Mikroplastik.
Mikroplastik-Partikel identifizieren
Wurde der Partikel registriert, muss dieser auch identifiziert werden. Hier bietet die visuelle Erkennung allein kaum Ansätze. Zwar können mittels Einfärben (z. B. durch Nilrot) Kunststoffe von Nicht-Kunststoffen unterschieden werden, doch reicht das nicht für aussagekräftige Studien. Möchte man das ganze Ausmaß der Mikroplastikverschmutzung erfassen, werden meist spektroskopische Methoden eingesetzt. Z. B. hat jedes Polymer sein eigenes Absorptionsmuster der IR-Strahlung und lässt sich durch den Vergleich mit einer Referenz leicht identifizieren. Zudem ist die FT-IR-Methode universell einsetzbar und deckt den mittleren Infrarotbereich von 600 – 4 000 cm-1 ab, was die Identifizierung aller bekannten Polymere ermöglicht. In Bild 2 ist ein Beispielspektrum eines Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymers (ABS) gezeigt. Merkmale wie die Nitrilbande (um 2 250 cm-1, blau markiert) oder C-H- und N-H-Streckbanden (2 700 – 3 600 cm-1, grün markiert) helfen bei der Unterscheidung von Copolymeren mit dem gleichen „Rückgrat“, z. B. PS (Polystyrol)/ABS/SAN (Styrol-Acrylnitril-Copolymere). Genau hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des FT-IR-Imaging-Ansatzes. Für FT-IR-Imaging wird ein „Focal-Plane Array“, kurz FPA, als Detektor verwendet. Dieser nimmt in jedem Pixel des entstehenden Bildes ein vollständiges FT-IR-Spektrum auf. Das bedeutet, dass wir in definierten Abständen (z. B. alle 5 µm) spektrale und damit chemische Informationen erhalten, mit denen wir Partikel identifizieren können.
Methoden im Vergleich
Ein Quantenkaskadenlaser (QCL) hat nur einen begrenzten Spektralbereich der IR-Strahlung (1 800 – 950 cm-1, in Bild 2 rötlich markiert). QCL-IR-Systeme sind daher nicht in der Lage, spektrale Signaturen im höheren Wellenzahlbereich zu erkennen und liefern dementsprechend auch nur einen reduzierten Informationsumfang. Für Copolymere und Polymerblends ist eine Unterscheidung damit deutlich erschwert und bei einigen Kunststoffen ist eine eindeutige Identifikation gar unmöglich.
Raman-Mikroskopie (kurz: µ-Raman) ist im Gegensatz zu µ-FT-IR in der Lage, auch Partikel im Submikrometerbereich zu analysieren. Allerdings haben wir es bei der Identifikation mit intrinsischen Problemen der Methodik zu tun, beispielsweise der oft ungenügenden Qualität der Ramanspektren, die bei solch kleinen Partikeln erhalten werden. Außerdem verlangt die Analyse mit Raman einen geschulten Anwender, der die Parameter wie Laserleistung, Laserwellenlänge oder die Integrationszeit auf die Probe, das heißt für jeden einzelnen Partikel, anpassen kann. Füllmaterialien können darüber hinaus die spektrale Signatur des zugrundeliegenden Basispolymers überdecken. Häufig macht zudem Fluoreszenz, ausgelöst durch organische Verunreinigungen in der Probe, eine Raman-Analyse unmöglich. Das bedeutet letztlich, dass die μ-Raman-Analyse von Mikroplastik auf einige wenige Fälle beschränkt ist.
Eine umfassende Analyse aller Mikroplastikpartikel einer Probe ist – ohne Aliquote oder großen Aufwand bei der Messung – mit FT-IR-Imaging mittels FPA-Detektoren durchführbar. Mit dieser Methode ist die Messung ganzer Filter (Bild 1) in sehr kurzer Zeit und ohne visuelle Fehlerquellen möglich. Die Bewertung der Partikel beruht einzig auf den spektralen bzw. chemischen Daten, was die Zuverlässigkeit erhöht und breite Anwendbarkeit ermöglicht. Alle auf dem Filter vorhandenen Partikel werden gemessen und das gesamte Volumen jedes Partikels auf dem Filter analysiert. Überlappende oder sich berührende Partikel können zweifelsfrei anhand ihrer Spektren unterschieden werden. So kann die FPA-Bildgebung ein komplexes Agglomerat automatisch in seine einzelnen Partikel zerlegen (siehe Bild 3). Mit den anderen hier erwähnten Methoden wäre diese Trennung so nicht möglich.
Fazit
Um das gesamte Ausmaß der Mikroplastikverschmutzung zu erfassen, ist eine Analysetechnik erforderlich, die Partikel bis in den einstelligen Mikrometerbereich nachweisen und identifizieren kann. Das ist beim FT-IR-FPA-Imaging der Fall [3]. Die Methode eignet sich besonders für die Mikroplastik-Analytik, weil erstens die Partikelerkennung unabhängig von der visuellen Beschaffenheit der Probe ist. Zweitens die Identifikation der Partikel nicht durch Polymertyp, Additive oder die Probenbeschaffenheit beeinflusst wird. Drittens komplette Filter mit hoher Geschwindigkeit und räumlicher Auflösung (5 μm) analysiert werden können. Darüber hinaus ist FT-IR-FPA-Imaging weitestgehend automatisierbar, wodurch menschliche Fehler vermieden werden. [3, 4]
Literatur
[1] Spectroscopy 2020 74 (9), 1012-1047 & 1127-1138.
[2] Sci. Technol. Lett. 2019 6 (10), 606–611.
[3] Methods 2019 11, 2277-2285.
[4] Science & Technology Letters 2022 9 (1), 90-95.
AUTOR
Dr. Simon Hugo Schlindwein
Bruker Optics GmbH & Co. KG, Ettlingen
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