Sechsachs-Roboter als Laborhelfer

Automatisierung in der Pestizidanalytik

Enge Taktzeiten sind in Analyselaboren an der Tagesordnung. Um bei gleichbleibend hoher Qualität eine höhere Anzahl an Proben zu analysieren und die Labormitarbeitenden zu entlasten, hat die Eurofins Dr. Specht Express GmbH ihre Pestizidanalytik mit einer Roboteranlage automatisiert. Hier übernehmen jetzt drei Sechsachs-Roboter das Handling der Proben.

Das nach DIN 17025 zertifizierte Labor untersucht Lebens- und Futtermittel qualitativ und quantitativ auf insgesamt 800 verschiedene Pestizide. Wenn vormittags eine Probe eingeht, muss das zugehörige Analyseergebnis spätestens um 16 Uhr vorliegen. Denn von der Analyse hängen kritische Prozesse ab, etwa wenn ein Container mit Lebensmitteln im Hafen wartet oder eine Produktion stillsteht, bis die Probe untersucht wurde. Auch unter größtem Zeitdruck muss die Analysequalität verlässlich hoch bleiben.

Das Probenhandling im Analyselabor übernehmen in der neuen Anlage drei ABB-Roboter vom Typ IRB 1200. © ABB

Feinarbeit im Akkord

Bislang hat das Laborpersonal alle Prozessschritte bei der Pestizidanalytik manuell durchgeführt. Derart monotone, manuelle Aufgaben verlieren mit jeder neuen Generation an Fachkräften an Beliebtheit. Angesichts des Fachkräftemangels kann es für Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn dem Laborpersonal repetitive „Handarbeit“ abgenommen wird. „Chemielaborantinnen und -laboranten haben Pipettieren und Titrieren gelernt, aber in der modernen Arbeitswelt ist es nicht mehr sinnvoll, diese Prozesse manuell durchzuführen“, erklärt Dr. Alexander Zahm, Geschäftsführer von Eurofins Dr. Specht Express GmbH. „Vielmehr entwickelt sich das Berufsfeld dahin, dass sie das Wissen aus ihrer Ausbildung anwenden, um Roboter entsprechend zu bedienen.“

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Nur die Probeneingabe erfolgt noch manuell, anschließend arbeitet die Anlage zwölf Stunden ohne weitere Eingriffe der Labormitarbeitenden autonom. © ABB

Um die Kapazitäten der Labormitarbeitenden für anspruchsvollere Aufgaben freizusetzen und den steigenden Anforderungen an Qualität und Durchsatz gerecht zu werden, entschied sich Eurofins dafür, die Pestizidanalyse zu automatisieren. Eine Erfolgsgeschichte fand sich im Schwesterlabor: Eurofins WEJ Contaminants hatte bereits gute Erfahrungen mit der automatisierten Analyse von Lebensmittelproben auf Mykotoxine gemacht. Darüber entstand der Kontakt zum Systemintegrator Elbatron, der auch mit der Sonderanfertigung für Eurofins beauftragt wurde. Elbatron unterstützt Eurofins seit 2016 bei der Industrialisierung individueller Laboranalytik.

Automatisieren heißt, Prozesse zu übersetzen

Eine zentrale Herausforderung bei der Konzeption der automatisierten Anlage war es, die komplexen Prozesse im Labor auf einzelne automatisierbare Bewegungsabläufe zu reduzieren. „Diese Anlage war unser erstes Automatisierungsprojekt, entsprechend häufig mussten wir umdenken“, erinnert sich Dr. Alexander Zahm. „Zu Beginn konnten wir uns kaum vorstellen, was uns der Roboter alles abnehmen kann. Wir haben uns gemeinsam mit unserem Partner Elbatron Stück für Stück an die Lösung herangetastet.“ Hinzu kommt der besonders hohe Anspruch an Genauigkeit in den Prozessen, insbesondere beim Dosieren – da sind Roboter wesentlich weniger „fehleranfällig“ als ihre menschlichen Kolleginnen und Kollegen.

Herzstück der neuen Anlage sind drei ABB-Sechsachsroboter vom Typ IRB 1200, die sich mit ihrer großen Reichweite und Arbeitshöhe, gepaart mit dem großen Bewegungsumfang gut für Applikationen dieser Art eignen und mit ihren Dimensionen gut zur Baugröße der Roboter-Anlage passten. Darin werden die Proben nun vollautomatisch mit einer hohen Präzision und Wiederholgenauigkeit bis zum messfertigen Probenextrakt aufbereitet.

Einer der Roboter übernimmt das Durchmischen der Proben. Die kreisenden Bewegungen durch den Roboter simulieren dabei den im manuellen Prozess eingesetzten Vortex-Mischer. © ABB

Nach der Eingabe der Proben befüllen Roboter die Trays, die jeweils zehn Proben fassen. In einer Rüstzeit sind bis zu 200 Proben prozessierbar, insgesamt lassen sich in 24 Stunden bis zu 400 Proben bearbeiten. Nach der Bestückung mit Probenbehältern fahren die Trays mit den Proben an einem Fließband zur Dosierstation. Dort entnimmt ein Roboter mit einer Pipette die benötigte Menge Flüssigkeit – die Dosierung erfolgt auf den Mikrometer genau. An den Probenbehältern sind QR-Codes mit Informationen zur Art der Probe angebracht, die vom Roboter gescannt werden. Nach Extraktion und einer Salzzugabe schüttelt ein Roboter die Probe. Anschließend wird sie in eine Zentrifuge mit insgesamt 16 Plätzen gegeben. Nach dem Zentrifugieren füllt ein Pipettierarm die behandelte Probe in die Vials. Die Mitarbeitenden im Labor müssen zum Schluss nur noch die messfertigen Vials entnehmen.

Vollautomatische Probenaufbereitung

Ausgelegt wurde die Roboter-Anlage mithilfe der Planungssoftware „RobotStudio“. RobotStudio sei ein wesentliches Argument für die Zusammenarbeit mit ABB, so Rainer Herrmann, Geschäftsführer der Elbatron GmbH, und berichtet: „Besonders gerne greifen wir auch auf die VR-Funktion von RobotStudio zurück.“ Spezialisten von Elbatron konnten ihre Erfahrung in der Laborautomation einbringen, so dass auch komplizierte Arbeitsschritte jetzt automatisiert erfolgen, möglich auch durch die Flexibilität der eingesetzten ABB-Roboter. Manuell erfolgt nur noch die Probeneingabe  – die Anlage kann dann zwölf Stunden ohne weitere Eingriffe der Labormitarbeitenden autonom arbeiten kann. Das System ist darauf ausgelegt, auch einen 24-Stunden-Betrieb abzubilden, wenn ein wachsendes Auftragsvolumen dies in Zukunft erforderlich machen sollte.

Einer der Roboter übernimmt das Durchmischen der Proben. Die kreisenden Bewegungen durch den Roboter simulieren dabei den im manuellen Prozess eingesetzten Vortex-Mischer. © ABB

Dank ihrer hohen Wiederholgenauigkeit und der geringen Fehlerquote im Vergleich zum Menschen helfen die Roboter dem Labor, strikte Qualitätsstandards zuverlässig einzuhalten. Im manuellen Prozess lag die Schwankungsbreite der Ergebnisse bei 20 Prozent. Mit der robotergestützten Automatisierungslösung ist sie auf unter fünf Prozent gesunken – bei einem höheren Durchsatz. Die frei gewordenen Kapazitäten nutzen die Labormitarbeitenden, um die Analyseprozesse weiter zu optimieren und neue Methoden der Pestizidanalyse voranzutreiben. In Zukunft ist es denkbar, die Anlage zu erweitern und auch weitere Schritte im Analyseprozess zu automatisieren. „Die Automatisierungslösung hat unsere Anforderungen voll erfüllt und bietet Potenzial für zukünftige Projekte“, resümiert Dr. Alexander Zahm.

ABB AG, Division Robotics, Friedberg
Tel.: 06031/85-0
robotervertrieb@de.abb.com
www.abb.com

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