Kennzeichnung im Labor
Probenkennzeichnung und -management in der Forschung
Häufig werden in Forschungslaboren Proben noch per Hand beschriftet, und das recht komplexe und auch individuelle Probenmanagement kann z. B. das Wiederauffinden von Proben und die Rückverfolgbarkeit erschweren. Eine Forschungsgruppe der TU München nutzt nun für Probenbeschriftung und -logistik in der Krebsforschung eine mobile App.
Prof. Dr. Dieter Saur und sein Team entschlüsseln die Mechanismen der Tumorentwicklung auf molekularer Ebene. Ihre Forschung ist Teil des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Sie wird vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) finanziert. Die Labore werden am Partnerstandort München (TranslaTUM) betrieben.
Für die Forschung werden seltene und meist aufwendig gewonnene Gewebeproben aus Biopsien oder Tiermodellen auf ihre molekulare Zusammensetzung in Experimenten untersucht. Bevor die Proben für die Experimente freigegeben werden, müssen sie vorab mit einer Reihe von Standardtests auf ihre Tauglichkeit untersucht werden (z. B. durch Sequenzierung und Proteinanalyse). Während dieser Zeit werden die Proben für ein paar Tage oder Wochen in Gefrierschränken bei –20 °C zwischengelagert.
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Haben die Proben diese Tauglichkeitsprüfung bestanden, werden sie aufwendig präpariert: Die Gewebeproben werden in hauchdünne Scheiben geschnitten, mit fluoreszierenden Markermolekülen eingefärbt und schließlich unter dem Mikroskop untersucht, um die Mechanismen der Entstehung von Tumoren zu entschlüsseln.
Diese Gewebeproben sind für die Forscher sehr kostbar und werden daher auch für mögliche weitere Untersuchungen und für zukünftige Forschungsprojekte aufbewahrt. Für die Langzeitaufbewahrung werden die kleinen Plastikröhrchen, in denen die Proben abgefüllt sind, in spezielle Gefrierschränke bei –80 °C oder in Tanks, die mit flüssigem Stickstoff (–196 °C) gefüllt sind, überführt. Nur bei einer Lagerung in extremer Kälte kann man sicher sein, dass die biologische Struktur und Zusammensetzung der Proben nicht zerfallen und auch nach vielen Jahren für die Forschung zur Verfügung stehen.
Komplexe Anforderung an das Probenmanagement
In der Arbeitsgruppe von Prof. Saur mit 36 Mitarbeitern werden so jede Woche bis zu mehrere Hundert Proben analysiert. Bis vor kurzem wurden alle Plastikröhrchen mit den Gewebeproben mit einem Marker von Hand beschriftet und in verschiedenen Excel-Listen registriert, um sie den Experimenten eindeutig zuordnen und auch später wiederfinden zu können. Bei größeren Studien kam ein Etikettendrucker zum Einsatz, mit dem man sehr schnell viele Etiketten drucken konnte. Da der Drucker aber nicht an eine Datenbank angeschlossen war, mussten die einzelnen Probeninformationen weiterhin von Hand in viele Excel-Tabellen eingepflegt werden.
In der Vergangenheit hat das immer wieder dazu geführt, dass Proben verloren gegangen sind oder nicht wieder auffindbar waren. Sei es, weil die Schrift nicht mehr lesbar war, sich Etiketten, die nicht für den Einsatz in flüssigem Stickstoff vorgesehen waren, abgelöst haben und dann in dem Stickstofftank herumgeschwommen sind, oder weil Excel-Tabellen nicht regelmäßig auf ihre Aktualität überprüft wurden und bei der manuellen Texteingabe kleine Fehler unterlaufen sind.
Für die Forschung können mangelhaft beschriftete Proben und ungepflegte Inventartabellen gravierende Folgen haben. So wird nicht nur viel Zeit für die Suche von Proben verschwendet. Im schlimmsten Falle können Experimente nicht reproduziert werden und wertvolle Proben in den Tiefen der Gefrierschränke, Stickstofftanks und anderen Aufbewahrungsorten verloren gehen. Ein weiterer Aspekt, der heutzutage immer wichtiger wird, sind die hohen Kosten und der hohe Energieverbrauch, die mit dem Betreiben von ultrakalten Gefrierschränken bei –80 °C und Kühlen mit flüssigem Stickstoff entstehen. Um biologische Proben für den Geldbeutel, aber auch die Umwelt, ressourcenschonend zu lagern, gilt es, die vorhandenen Lagerkapazitäten so effizient wie möglich zu nutzen und unnötig häufiges Öffnen von Gefrierschränken zu vermeiden.
Handbeschriftete Proben – kein Einzelfall in der Forschung
Dass Proben im Labor von Hand beschriftet werden, wie in der Arbeitsgruppe von Prof. Saur, ist kein Einzelfall. Es liegt in der Natur der Forschung, dass die Prozesse (Experimentabläufe) im Labor sich häufig ändern und nicht weit in die Zukunft planbar sind. Automatische Probenbeschriftung und -handhabung mit sogenannten LIMS (engl. Laboratory Information Management System) sind schon seit mehreren Jahrzehnten auf dem Markt und sind in allen Analyse- oder Diagnostiklaboren zu finden. Die LIMS-Systeme haben es aber nicht geschafft, sich im Forschungsalltag zu etablieren: Die hohen Anschaffungs- und Betriebskosten sowie die aufwendige Einarbeitung der Benutzer in die stark festgelegten Ordnungsstrukturen können sich über die Jahre nicht amortisieren, wenn sich die Experimentierabläufe längst verändert haben. Hinzu kommt, dass solange Proben im Labor von Hand pipettiert und bearbeitet werden, eine für Menschen leserliche Beschriftung unabdingbar ist. Probengefäße mit vorab aufgedruckten Barcodes und ohne individuell anpassbaren Text sind daher nicht praktikabel. Daher sind der schnelle Griff zum Stift und die „bewährte Excel-Tabelle“ in den allermeisten Forschungslaboren auch noch heute gelebte Realität.
Checkliste für Probenbeschriftung und -verfolgung
Die Hauptanforderungen an ein Inventarmanagement in Forschungslaboren sind durchaus komplex und lassen sich wie folgt in Etiketten und Datenbank unterscheiden:
Etiketten/Beschriftung
- Extreme Temperaturresistenz von –96 °C im flüssigen Stickstoff bis +100 °C im Wasserbad.
- Wischfest gegenüber Lösungsmitteln wie Ethanol und Isopropanol zum Sterilisieren.
- Lesbarer Text für die schnelle Zuordnung von Proben bei manuellen Arbeitsabläufen (Pipettieren).
- Scannbarer Code für die digitale und fehlerfreie Verwaltung der Proben.
Datenbank/Logistik
- Hohe Flexibilität, um sich häufigen Änderungen von Experimentabläufen schnell anzupassen.
- Gemeinsamer Zugriff aller Mitarbeiter auf dieselbe Datenbank.
- Eindeutige Proben-IDs, die eingescannt werden können, um Probeninformationen (Lagerort, Inhalt etc. …) fehlerfrei zu verwalten.
- Schnelle und intuitive Installation und Bedienung, die von den Benutzern nicht als zusätzliche Arbeitslast wahrgenommen wird.
Probenmanagement mit mobiler App
Das junge Start-up „FLUICS CONNECT“, gegründet von Forschern der Technischen Universität München, hat eine neue und ganzheitliche Lösung für das Beschriften und Verwalten von Proben entwickelt, die speziell für die Anforderungen von Forschungslaboren angepasst ist. Eine mobile App, die jedes Smartphone in einen Scanner verwandelt, ermöglicht den mobilen Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank und das schnelle Ausdrucken von Etiketten mit QR-Code und lesbarem Text. Als Prof. Saur erstmals von dieser Lösung hörte, war er sofort begeistert. Nach kurzer Rücksprache mit seinem Team hat Prof. Saur schnell die Unterstützung seiner Mitarbeiter erhalten, die Inventarisierungslösung von Fluics Connect einzuführen. In einer ersten Testphase von zwei Wochen hat die Doktorandin Stefanie Bärthel mit einem neuen Smartphone, das für das Labor angeschafft wurde, angefangen, ihre Proben mit den neuen Etiketten zu beschriften. Anschließend haben auch ihre Kollegen innerhalb weniger Tage die App in ihre täglichen Arbeitsabläufe integriert. Heute werden in der Arbeitsgruppe fast keine Proben mehr von Hand beschriftet. Auch der große Bestand an bereits eingelagerten Proben wird schrittweise mit den neuen Etiketten inklusive QR-Code umetikettiert.
Nach den ersten 10 000 Proben, die seine Arbeitsgruppe innerhalb eines Jahres mit den neuen Etiketten beschriftet hat, zieht Prof. Saur eine positive Bilanz: „Noch vor kurzem war ich frustriert, wie aufwendig und unzuverlässig unsere Proben eingelagert wurden. Immer wieder ist es passiert, dass wir eine Probe von einem älteren Experiment gesucht haben, um sie in einem neuen Experiment zu testen, aber am Ende die Probe nicht auffinden konnten, obwohl wir unterschiedliche Regeln und auch Etikettendrucker ausprobiert hatten. Mit unseren neuen Etiketten passiert das nicht mehr, und mit den Barcodes können wir auch die Informationen zu Lagerort und anderen Parametern in kürzester Zeit von ganzen Schubladen von Proben zuverlässig und schnell aktualisieren. Das wäre mit unseren alten Excel-Tabellen nie denkbar gewesen.“
Resümee
Probenmanagement in Forschungslaboren ist sehr komplex, individuell und muss flexibel anpassbar sein. So sind handbeschriftete Proben und Excel-Tabellen als Inventardatenbank heute immer noch der Status quo in 90 % der Forschungslabore. Wie sich in dem Münchner Forschungslabor zeigte, können mobile Apps, die jedes Smartphone oder Tablet in einen Barcodescanner verwandeln und Etiketten drucken können, eine effiziente Alternative zu Stift und Excel-Tabelle sein.
AUTOREN
Stefanie Bärthel
Doktorandin in der Arbeitsgruppe „Translationale Tumorforschung“ von Prof. Saur, TranslaTUM München
Zentralinstitut für Translationale Krebsforschung der TU München
Dr. Claudio Rolli
Gründer und Geschäftsführer
FLUICS GmbH, München
Tel.: 089/71690877
connect@fluics.com
www.fluics.com