Thermische Stimulation von Zellen
Mikroroboter für das Erforschen von Zellen
Eine Forschungsgruppe der Technischen Universität München (TUM) hat einen sog. Mikroroboter entwickelt, der im Zellverbund navigieren und einzelne Zellen gezielt thermisch stimulieren kann, um das damit verbundene Zellverhalten mit bildgebenden Verfahren zu untersuchen.
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Sie sind rund, halb so dick wie ein Haar, enthalten Goldteilchen und einen fluoreszierenden Farbstoff, sind umgeben von einem Biomaterial, das aus Algen gewonnen wird, und können sich – angetrieben von Laserlicht – zwischen Zellen bewegen: die „TACSI-Microrobots“. TACSI steht für „Thermally Activated Cell-Signal Imaging“, heißt das System ist in der Lage, Zellen zu erwärmen und dadurch zu aktivieren, was mit einem Mikroskop dargestellt werden kann. „Wir haben zum ersten Mal weltweit ein System entwickelt, mit dem sich nicht nur Mikroroboter durch Zellverbände navigieren lassen, sondern Zellen auch gezielt, über Veränderungen der Temperatur, stimulieren lassen“, sagt Professorin Özkale Edelmann. Die Bioingenieurin und Leiterin des „Microrobotic Bioengineering Labs“ hat mit ihrem Team eine technologische Plattform entwickelt, mit der beliebig viele dieser Vehikel hergestellt werden können. Eingesetzt werden sie aktuell in vitro für Forschungsarbeiten.
Die Basis für die Herstellung von Mikrorobotern ist ein so Mikrofluidik-Chip, auf dem der Herstellungsprozess abgebildet ist. Auf dem Chip wird von einer Seite (links) durch einen Kanal Biomaterial zugeführt, dann von oben und unten über weitere 15 bis maximal 60 Mikrometer dicke Kanäle ein Öl mit spezifischen Komponenten zugegeben. Die entstandenen TACSI-Mikroroboter kommen dann auf der rechten Seite des Chips heraus. Im Falle des TACSI-Mikroroboter werden folgende Bestandteile hinzugegeben:
- Ein fluoreszierender Farbstoff: Hier wurde das orange Rhodamin-B verwendet, das mehr und mehr seine Farbintensität verliert, je höher die Temperatur ist. So wird der Mikroroboter zum Thermometer für den Betrachter.
- Gold-Nanoteilchen: Die 25 mal 90 Nanometer kleinen Edelmetallzylinder haben die Eigenschaft, sich durch die Bestrahlung mit Laserlicht sehr schnell aufwärmen (und auch wieder abkühlen) zu können. Es dauert wenige Millisekunden, um den Roboter um fünf Grad zu erhitzen. Die Nanoteilchen können auf bis zu 60 Grad Celsius erwärmt werden. Durch den automatischen Temperaturausgleich der Nanoteilchen (Konvektion) setzt sich der Mikroroboter in Bewegung, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Mikrometer pro Sekunde.
„Bis zu 10.000 Mikroroboter können so in einem Produktionslauf hergestellt werden“, erläutert Wissenschaftler Philipp Harder aus dem Forschungsteam.
Zellen reagieren auf Temperaturveränderung
Um Vorgänge in der Zelle zu beeinflussen, reichen manchmal leichte Veränderungen der Temperatur aus. „Bei einer Verletzung an der Haut, etwa durch einen Schnitt, steigt die Körpertemperatur leicht an, wodurch das Immunsystem aktiviert wird“, erläutert Özkale Edelmann. Sie interessiert, ob diese „thermische Stimulation“ für die Wundheilung eingesetzt werden kann. Auch in Hinsicht auf Krebszellen ist noch nicht ausreichend erforscht, ob sie durch Anregung aggressiver werden oder nicht. Aktuelle Studien zeigen z.B., dass bei hohen Temperaturen (60 Grad) Krebszellen absterben.
Calcium-Import: Ionenkanäle in Zellen öffneten sich
Studien an Zellen der Niere, die im Team von Prof. Özkale Edelmann durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass sich die Mechanismen der Ionenkanäle in Zellen beeinflussen lassen. Dafür navigierten die Forschenden mit den „TACSI-Microrobots“ an die Zelle heran. „Über den Infrarotlaser haben wir die Temperatur erhöht und über die Intensität von Rhodamin-B die Temperatur bestimmt“, erläutert Wissenschaftler Harder. Und es zeigte sich, dass sich die Ionenkanäle der Zellen bei bestimmten Temperaturen öffneten und beispielsweise Calcium in die Zelle hineinließen. „Wir haben an diesem konkreten Beispiel gezeigt, dass Wärme konkrete Änderungen in der Zelle bewirkt, und zwar schon bei leichten Temperaturerhöhungen“, sagt Professorin Özkale Edelmann, die sich neue therapeutische Ansätze durch weitere Forschungen erhofft – etwa indem Wirkstoffe in die Zelle geschleust werden können.
Originalpublikation:
Philipp Harder, Nergishan İyisan, Chen Wang, Fabian Kohler, Irina Neb, Harald Lahm, Martina Dreßen, Markus Krane, Hendrik Dietz, Berna Özkale: A Laser-Driven Microrobot for Thermal Stimulation of Single Cells, Adv Healthc Mater. 2023 May 25:e2300904. doi: 10.1002/adhm.202300904. Epub ahead of print.
Quelle: Technische Universität München (TUM)