„Rührende“ Extraktion

Wasserverunreinigungen effizient analysieren – mit SBSE-GC-MS/MS

Die „Stir Bar Sorptive Extraction“ (SBSE) mit dem Sorbens-ummantelten Magnetrührstab „Twister“ ist zentraler Bestandteil der sensitiven Bestimmung von in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gelisteten GC-gängigen Stoffen.

Bild 1: Der Twister zur Extraktion von Kontaminanten in Wasserproben mittels Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE) Technik. (Bild: Gerstel)

Im Jahr 2000 haben Parlament und Rat der Europäischen Staatengemeinschaft (EG) eine Richtlinie (2000/60/EG) erlassen [1], die den Schutz und Verbesserung von Zustand und Qualität aller Oberflächengewässer und des Grundwassers fokussiert. Erweitert und modifiziert wurde die Richtlinie in den Jahren 2008 (2008/105/EG) [2] und 2013 (2013/39/EU) [3]. Im Resultat verpflichtet die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (EU) alle Mitgliedsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, den Zustand und die Güte der in ihren Bereich fallenden Gewässer kontinuierlich zu überwachen und zu verbessern.

Überwacht werden sollen nicht allein ökologische Parameter, sondern auch chemische und toxische Belastungen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WFD) listet prioritäre Stoffe und Stoffgruppen auf, die zu überwachen sind. Umweltqualitätsnormen (UQN) legen Schadstoffkonzentrationen fest, die perspektivisch in Oberflächengewässern nicht überschritten werden dürfen. Differenziert werden sowohl Jahresdurchschnittskonzentrationen (JD-UQN) und zulässige Höchstkonzentrationen (ZHK-UQN) wie auch UQN für Binnengewässer, sprich für Flüsse und Seen, sowie sonstige Oberflächengewässer, zum Beispiel Küstengewässer.

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Im Folgenden wird ein sensitives Verfahren zur quantitativen Bestimmung von ca. 100 relevanten Kontaminanten in Oberflächengewässern beschrieben. Zentraler Bestandteil der grundlegenden GC-MS/MS-Methode ist die Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE) mit dem Sorbens-ummantelten Magnetrührstab „Twister“.

Bild 2: Analysensystem MPS/TDU/GC-MS/MS für die SBSE-Analyse von rund 100 Kontaminanten, u.a. in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gelisteten prioritären Stoffen, aus Oberflächen- und Grundwasser. (Bild: Gerstel)

Fest im Blick: das Anforderungsprofil
Analysenmethoden, die im Rahmen der EU-WFD eingesetzt werden, haben Mindestleis-tungskriterien zu erfüllen: Von ihnen verlangt wird etwa eine Bestimmungsgrenze von höchstens 30 % der jeweiligen Umweltqualitätsnorm (JD-UQN) sowie eine relative Messunsicherheit von maximal 50 % (k = 2) an der Konzentration der jeweiligen UQN. Lassen sich diese Kriterien in Ermangelung geeigneter Analysenmethoden nicht erfüllen, gewährt die EU-WFD Spielraum: Die Überwachung sollte in diesem Fall mit der besten verfügbaren Technik erfolgen, sofern keine übermäßigen Kosten damit verbunden sind.

Ungeachtet dieses Spagats zwischen Nutzwert und Investition sind weitere, vor allem analytische Herausforderungen zu meistern. Es gilt beispielsweise, die geforderten sehr niedrig angesetzten LOQs (Bestimmungsgrenzen) zu erreichen, die zum Teil im unteren Nanogramm- beziehungsweise Subnanogramm pro Liter-Bereich liegen. So leitet sich aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie etwa eine Bestimmungsgrenze von 0,051 ng/l für Benzo[a]pyren ab. Um diesen Wert zu realisieren, bedarf es einer höchst sensitiven Mess- beziehungsweise effizienten Anreicherungstechnik wie der Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE).

SBSE bewährt in der Wasseranalytik
Bereits vor einigen Jahren überzeugte die Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE) beim Nachweis von Pestiziden und schwerflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen in Wasser. Das Referat „Spezielle Analytik für Umweltüberwachung“ des Bayerischen Landesamts für Umwelt berichtete seinerzeit, die SBSE beziehungsweise der patentierte Twister, mit dem die SBSE in der Praxis erfolgt, habe die Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) im Rahmen eines Ringversuchs mustergültig erfüllt. Obendrein hätte sich die Methode bei der Untersuchung von Oberflächengewässern und auch bei der Bestimmung prioritärer Stoffe gemäß Wasserrahmenricht-linie 2000/60/EG bestens bewährt.

Bild 3: Chromatogramm von p,p´-DDT bei einer Konzentration von 0,068 ng/l gespikt in Flusswasser. (Bild: Gerstel)

Aufgrund intensiver Forschung und kontinuierlicher Weiterentwicklung entsprechender Applikationen lassen sich heute mit der SBSE die in der Wasserrahmenrichtlinie der EU (2013/39/EU) gelisteten GC-gängigen prioritären Stoffe mit nur einer Methode hochsensitiv bestimmen. Unter geeigneten Extraktionsbedingungen gelingt die Bestimmung einer großen Bandbreite unterschiedlich polarer Verbindungen, auch von Komponenten anderer Gesetzeswerke wie der 2015/495/EU oder der Deutschen Oberflächengewässerverordnung (Ausfertigungsdatum 20.07.2011).

Die SBSE in der Detailbetrachtung
Das Extraktionsmedium der SBSE ist der Twister - ein spezielles Rührstäbchen für Magnetrührer, das mit einem Sorbensmaterial ummantelt ist. Dabei handelt es sich entweder um Polydimethylsiloxan (PDMS-Twister) oder um ein Ethylenglycol-Silikon-Polymer (EG-Silikon-Twister). Das Extraktionsprinzip der SBSE beruht, vergleichbar der Flüssig-flüssig-Extraktion (LLE), auf der Verteilung der Analyten zwischen der Wasserphase und der Extraktionsphase des Twisters. Im hier beschriebenen Fall kommt der PDMS-Twister zum Einsatz.

Die Extraktion respektive die Anreicherung der Analyten erfolgt, während der Twister die Probe durchmischt. Anschließend wird er der Probe entnommen, getrocknet und in einem Glasliner in einen Thermodesorber (ThermalDesorptionUnit [TDU], ThermalDesorptionSystem [TDS], beide von Gerstel) überführt. Die thermische Desorption der angereicherten Analyten aus der Twister-Sorptionsphase erfolgt vollautomatisiert mittels eines Autosamplers. Die Analyten werden im GC-Einlass (KaltAufgabeSystem [KAS], Gerstel) fokussiert, durch Erhöhung der Temperatur auf die GC-Säule überführt, dort aufgetrennt und anschließend mit Hilfe eines Massenspektrometers detektiert. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die angereicherten Analyten in ihrer Gesamtheit aufzugeben und zu detektieren. Der PDMS-Twister eignet sich für die Extraktion und Anreicherung mittel- bis unpolarer Analyten; der EG-Silikon-Twister vor allem für die Bestimmung polarer Komponenten mit Wasserstoffdonator-Funktion, zu denen Phenole, Alkohole und Säuren zählen.

Bild 4: Chromatogramm von Dichlorvos bei einer Konzentration von 0,12 ng/l gespikt in Flusswasser. (Bild: Gerstel)

An Schwebstoffen adsorbierte Verbindungen erfassen
Angewendet haben wir die SBSE mit dem Twister auf die in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gelisteten GC-gängigen Verbindungen. Ziel war es, nicht nur die vorgegebenen LOQs zu erreichen, sondern auch, wie in der EU-WFD vorgegeben, jene Verbindungen, etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), quantitativ zu bestimmen, die Schwebstoffen und Partikeln in der Wasserprobe anhaften.

Dieses Vorhaben, sprich die Erfassung an Schwebstoffen adsorbierter chemischer Verbindungen, verlangt eine besondere Vorgehensweise: Zunächst wendeten wir die klassische SBSE wie oben beschrieben auf die jeweilige Wasserprobe an. Mehr als 100 ml Probenvolumen bedarf es nicht, um mittels SBSE eine aussagekräftige Analyse durchzuführen. Wir ließen einen Twister die Probe nach Zugabe des internen Standards fünf Stunden lang durchmischen, um die frei im Wasser vorliegenden organischen Verbindungen zu extrahieren. Der Twister wurde entnommen; danach versetzen wir dieselbe Probe mit einem organischen Modifier und extrahierten sie über Nacht erneut mit einem zweiten Twister bei erhöhter Temperatur. Auf diese Weise ließen sich die an Partikeln im Wasser anhaftenden Verbindungen freisetzen und in eine extrahierfähige Form überführen.

Der zweite Twister wurde zusammen mit dem ersten in einen Glasliner überführt und gemeinsam in der ThermalDesorptionUnit (TDU) temperaturprogrammiert desorbiert (90-300 °C), wobei die Analyten bei -40 °C im KaltAufgabeSystem (KAS) zwischenfokussiert wurden. Durch schnelles Aufheizen des KAS erfolgte der Transfer auf die GC-Trennsäule – in unserem Fall eine HP-5ms Ultra Inert (30 m x 0,25 mm x 0,25 µm, Agilent Technologies). Nach ihrer Auftrennung wurden die Analyten im Triple-Quadrupol-Massenspektro-meter (Agilent Technologies 7010) im Multi- Reaction-Monitoring-Modus (MRM) detektiert.

Tabelle 1: Bestimmungsgrenzen ermittelt gemäß DIN 32645 unter Berücksichtigung der Ergebnisse zu Prä-zision und Richtigkeit. Sofern die Wasserprobe frei von bzw. nur gering belastet mit dem jeweiligen Analyten war, wurden die Bestimmungsgrenzen in der Matrix Oberflächenwasser ermittelt.

Effiziente Analyse von Wasserkontaminanten
Mit der SBSE-GC-MS/MS-Analyse haben wir mit hoher Effizienz und Sensitivität chemische Rückstände in Wasser analysieren können. Mit nur drei Ausnahmen, die auch konventionell im geforderten Konzentrationsbereich von zum Teil sub-pg/l nur sehr schwer zu analysieren sind – es handelt sich um die Verbindungen Cypermethrin, Heptachlor und Hepachlorepoxid – konnten wir alle GC-gängigen, in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gelisteten Chemikalien im Rahmen der vorgegebenen LOQs bzw. sogar empfindlicher bestimmen.

Die geforderte Bestimmungsgrenze für Oberflächenwasser gemäß EU-Richtlinie liegt etwa für Dichlorvos bei 0,18 ng/l, mit der SBSE erreichten wir 0,073 ng/l. Für Benzo(a)pyren verlangt die EU-Richtlinie 0,051 ng/l, mit der SBSE erreichten wir 0,033 ng/l. Bei Pentachlorbenzol sieht die Richtlinie ein LOQ von 2,1 ng/l vor, wir konnten mit der SBSE die Bestimmungsgrenze auf 0,075 ng/l senken (s. Tab. 1). Vergleichbare Resultate wurden bei rund 100 anderen Kontaminanten erzielt. Relative Standardabweichungen der Analysenwerte unter Wiederholbedingungen nahe der jeweiligen Bestimmungsgrenze lagen für die große Mehrheit der Substanzen im Bereich zwischen 2 und 10 % bei einem Mittelwert von 6,9 %, wobei die Richtigkeit sich meist zwischen 90 und 110 % bewegte. Die Extrahier- und Quantifizierbarkeit Partikel-adsorbierter Analyten wurde mit Hilfe eines zertifizierten Referenzsediments (WEPAL SETOC 745) überprüft und bestätigt. Zertifizierte Analysenwerte lagen für PAKs und einige chlorierte Verbindungen vor.

Die SBSE in der Bewertung
Die SBSE mit dem Twister ist einfach zu handhaben und arbeitet höchst sensitiv, nicht nur im hier beschriebenen Fall des Nachweises der in der EU-Wasserrahmenrichtlinie gelisteten prioritären Stoffe. Ihre hohe Sensitivität beruht insbesondere auf der bauartbedingten großvolumigen Twister-Phase – im hier beschriebenen Beispiel 63 μl – die einen hohen Anreicherungsfaktor gewährleistet. Infolge der Thermodesorption des gesamten Twisters werden nicht nur aliquote Teile, sondern die angereicherten Analyten in ihrer Gesamtheit auf den GC überführt, was in Kombination mit einem nachweisstarken Triple-Quadrupol-Massenspektrometer niedrigste Bestimmungsgrenzen im Sub-ng/l-Bereich für Wasserproben von nur 100 ml gewährleistet. Ein weiteres Plus der Twister-Technologie: Die Gesamtmethode bedarf nur eines deutlich reduzierten Einsatzes konventionell üblicher, zum Teil umwelttoxischer Lösemittel – was sich insbesondere im Bereich der Analyse von Oberflächen- und Grundwasser als sinnvoll und nachhaltig erweist.

Fazit
Die SBSE-Technologie mit Twister als Anreicherungstechnik der Wahl gewährleistet eine einfache, leistungsfähige und hochempfindliche Wasseranalytik gemäß geltender Richtlinien.

Literatur
[1] RICHTLINIE 2000/60/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.
[2] RICHTLINIE 2008/105/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Dezember 2008 über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien des Rates 82/176/EWG, 83/513/EWG, 84/156/EWG, 84/491/EWG und 86/280/EWG sowie zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG.
[3] RICHTLINIE 2013/39/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 12. August 2013 zur Änderung der Richtlinien 2000/60/EG und 2008/105/EG in Bezug auf prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik.

AUTOREN
Dr. Oliver Lerch
Jasmin Zboron
Gerstel GmbH & Co. KG, Mülheim an der Ruhr

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