Hochdurchsatzanalytik mit MALDI-TOF-MS
Explosivstoffen auf den Grund gehen
Mithilfe einer neuen Methode zur Bodenanalyse können Kontaminationen mit Sprengstoffen an ehemaligen Rüstungsstandorten schneller und in großen Probenzahlen quantifiziert werden. Wie das im Einzelnen aussieht, erläutert ein Autorenkollektiv aus Forschung und Wirtschaft.
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Lange Dürreperioden kennzeichneten in den letzten Jahren häufig den Frühsommer in Deutschland und nicht immer konnten erhöhte Waldbrandstufen das Ausbrechen von Waldbränden verhindern. Zum Teil waren davon ehemalige Rüstungsstandorte betroffen, die noch immer großflächig mit Sprengstoffen wie 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) und seinen Neben- und Abbauprodukten kontaminiert sind. Neben der Problematik, die Flächenbrände unter Kontrolle zu bekommen, stellen sprengstoffbelastete Gebiete nach wie vor eine Gefährdung für Mensch, Tier und Umwelt dar. TNT und andere nitroaromatische sprengstofftypische Verbindungen (STV) sind nicht nur toxisch und als potenzielle Karzinogene klassifiziert [1], sondern werden über das Regenwasser bis ins Grundwasser eingetragen [2, 3]. Der Nachweis der STV gelingt mit verschiedenen Methoden, die von der Spektroskopie über Chromatographie und Massenspektrometrie (MS) bis hin zu Sensortechnologien reichen [4, 5]. Die routinemäßige Quantifizierung erfolgt bisher über die Flüssig- oder Gaschromatographie, die zur Erhöhung der Sensitivität an ein Massenspektrometer gekoppelt werden kann [6]. Verglichen mit diesen Technologien ist die Matrix-unterstützte Laser-Desorption/Ionisation-Flugzeit-Massenspektrometrie (MALDI-TOF-MS) deutlich günstiger, schneller und toleranter gegenüber Probenverunreinigungen [7]. Wurde die MALDI-TOF-MS ursprünglich für die Proteinanalytik angewandt, ist inzwischen die Analyse von ganzen Zellen bis hin zu Metaboliten, Pharmazeutika oder anderen kleinen Molekülen wie Sprengstoffen möglich [8 – 11].
MALDI-TOF-MS zur STV-Analyse
Nitroaromatische STV liegen nicht homogen im Boden vor; ihre Verteilung hängt von der ursprünglich freigesetzten Menge, von biotischen und von abiotischen Faktoren ab. Aus diesem Grund ist eine engmaschige Probennahme und Quantifizierung der enthaltenen STV unumgänglich, wenn auf betroffenen Flächen Kontaminationen von Schutzgütern zu charakterisieren und Sicherungs-, Rückbau- sowie Sanierungsmaßnahmen abzuleiten sind.
Die Verfahren der Standardanalytik (HPLC-, GC-MS) können dies aufgrund der langen Analysezeiten und der damit verbundenen aufwändigen Probenvorbereitung nicht gewährleisten. So benötigen die Standardverfahren gemäß DIN oder EPA zur Extraktion einer Bodenprobe 16 bis 18 h und anschließend mindestens 20 min zur Analyse über HPLC- oder GC-MS [12, 13]. Wir konnten feststellen, dass eine Verringerung der Extraktionszeit auf 30 min kaum einen Einfluss auf die Sensitivität der Messung hat [14], so dass hier bereits großes Potenzial für die Etablierung eines schnellen Screeningverfahrens liegt.
Höherer Probendurchsatz möglich
Eine deutliche Verkürzung der Analysezeit kann durch die Nutzung der MALDI-TOF-MS erreicht werden. Für eine Probe werden hier nur ca. 20 s benötigt, um ein repräsentatives Spektrum zu erstellen (Bild 1 C). Zudem weist die Methode den Vorteil einer günstigen und einfachen Probenvorbereitung auf.
Nach der Probennahme im Feld (Bild 1 A) und einfacher (und ggf. verkürzter) Schüttelextraktion werden die Extrakte ohne zusätzliche Filtrationsschritte direkt mit der Matrix und dem internen Standard gemischt und auf das Target aufgetragen (Bild 1 B). Nach Messung der Probenspots können die Spektren automatisiert ausgewertet werden. Eine parallele Kalibrationsreihe mit einem Standardexplosivstoffgemisch ermöglicht schließlich die Quantifizierung der im Boden enthaltenen STV (Bild 1 D). Mit dieser Methode wird ein deutlich höherer Probendurchsatz möglich, so dass die STV-Verteilung im Boden detailliert dargestellt werden kann (Bild 1 E).
Kalibration und Quantifizierung
Die Kalibration ist ein entscheidender Faktor, um die STV in den Bodenproben exakt zu bestimmen. Zu diesem Zweck wird ein Gemisch aus verschiedenen häufig vorkommenden STV erstellt. Hierzu zählen TNT, Trinitrobenzol (TNB), 1,3-Dinitrobenzol (DNB) und Mischungen aus 2-Amino-4,6-dinitrotoluol und 4-Amino-2,6-dinitrotoluol (ADNT) sowie 2,4-Dinitrotoluol und 2,6-Dinitrotoluol (DNT). Dieses Gemisch wird in verschiedenen Konzentrationen mit der Matrix 1,5-Diaminonaphthalin (DAN) und dem internen Standard gemischt und auf das MALDI-TOF-MS-Target aufgetragen. Als interner Standard wird das chemische und strukturelle Analogon 5-Chloro-2,4-dinitrotoluol (CDNT) verwendet, das ähnliche Eigenschaften wie die untersuchten STV aufweist und daher gut zur Normalisierung der in den Spektren beobachteten Signale genutzt werden kann.
In den MALDI-TOF-MS-Spektren können spezifische und konzentrationsabhängige Signale der radikalen Anionen und Fragment-Ionen der eingesetzten STV beobachtet werden (Bild 2 A). Durch die Normalisierung auf den internen Standard und die Auftragung der Signalintensitäten der STV-Signale gegenüber den eingesetzten Konzentrationen können Kalibrationskurven erstellt werden, die die Grundlage für die Berechnung der in den Bodenprobenextrakten enthaltenen STV bilden (Bild 2 B).
Am häufigsten wird in kontaminierten Gebieten TNT festgestellt. Zusätzlich werden oft Dinitrotoluole (DNT) und Aminodinitrotoluole (ADNT) nachgewiesen, die als Nebenprodukte bei der TNT-Synthese bzw. in Folge biotischer und abiotischer Abbauprozesse entstehen [15, 16]. Bei der Analyse belasteter Bodenproben, die auf unterschiedliche Korngrößen gesiebt worden sind, konnte ein Zusammenhang zwischen Korngröße der Bodenpartikel und dem Gehalt an TNT und ADNT festgestellt werden. So wiesen die geringeren Korngrößen eine höhere STV-Belastung auf als die ersten groben Siebfraktionen (Bild 3). Zur Kontrolle der Quantifizierung mit MALDI-TOF-MS wurde eine Standardanalytik mittels LC-MS/MS durchgeführt. Die ermittelten STV-Kontaminationen wiesen zum Großteil sehr ähnliche Werte auf. Lediglich hohe ADNT-Belastungen lieferten mit unserer Methode niedrigere Werte als bei der Standard-LC-MS/MS-Analyse. Diese Unterschiede können durch eine multiple lineare Regression korrigiert werden, wenn möglichst exakte Ergebnisse benötigt werden [17].
Fazit
Der Einsatz der MALDI-TOF-MS für die Analytik STV-kontaminierter Bodenproben ist ein neuer Ansatz, mit dem eine schnelle, kostengünstige und einfache Quantifizierung der Schadstoffe möglich wird. Zudem können Probenextraktion, Auftragung auf das Target, Analyse und Auswertung leicht automatisiert werden, so dass ein umfassendes Screening großflächiger Areale deutlich vereinfacht wird.
Bisher können mit der Methode keine Isomere unterschieden werden. Auch kann mit dieser Methode noch nicht die gleiche Sensitivität wie mit der LC-MS/MS oder der GC-MS erreicht werden. Allerdings können mit Nachweisgrenzen von 1 mg/kg die Orientierungswerte für Boden ab 20 mg/kg für Kinderspielflächen und bis zu 200 mg/kg für Industriegrundstücke deutlich erfüllt werden [18].
Da es sich bei der MALDI-TOF-MS um eine rein massesensitive Analytik handelt, wird empfohlen, die richtige Identifikation der Schadstoffe für ausgewählte Einzelproben zum Vergleich mit einem zweiten Verfahren zu sichern – vor allem, wenn die Quelle der Kontamination unbekannt ist.
Die Methode bietet viele Vorteile, die sie auch für den Nachweis weiterer Umweltschadstoffe (z. B. Kohlenwasserstoffe, polychlorierte Biphenyle, Toxine, Mikroplastik) in unterschiedlichen Matrizes (Boden, Wasser, Sedimente) attraktiv macht.
AUTOREN
S. Liane Kober1
Christiane Horvath2
Hagen Wallburg3
Prof. Dr. Rainer Macholz4
Prof. Dr. Henner Hollert5
Prof. Dr. Marcus Frohme1
1 Technische Hochschule Wildau, Abteilung Molekulare Biotechnologie und Funktionelle Genomik
2 terracon Laboratorium für Umwelt- und Pestizidanalytik GmbH, Jüterbog
3 BLM Geotest GmbH, Eichwalde
4 Prof. Dr. Macholz Umweltprojekte GmbH, Stahnsdorf
5 RWTH Aachen, Institut für Umweltanalytik (Biologie V), Fachbereich Ökosystemanalyse
Literatur
[1] Kovacic P, Somanathan R (2014): Nitroaromatic compounds: Environmental toxicity, carcinogenicity, mutagenicity, therapy and mechanism. J Appl Toxicol 34:810–824. https://doi.org/10.1002/jat.2980
[2] Mercimek HA, Dincer S, Guzeldag G et al (2013): Aerobic Biodegradation of 2 , 4 , 6-Trinitrotoluene ( TNT ) by Bacillus cereus İsolated from Contaminated Soil. Microb Ecol 66:512–521. https://doi.org/10.1007/s00248-013-0248-6
[3] Kalderis D, Juhasz AL, Boopathy R, Comfort S (2011): Soils contaminated with explosives: Environmental fate and evaluation of state-of- the-art remediation processes (IUPAC Technical Report)*. Pure Appl Chem 83:1407–1484. https://doi.org/10.1351/PAC-REP-10-01-05
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[8] Kober SL, Meyer-Alert H, Grienitz D et al (2015): Intact cell mass spectrometry as a rapid and specific tool for the differentiation of toxic effects in cell-based ecotoxicological test systems. Anal Bioanal Chem 407:9195–9196. https://doi.org/10.1007/s00216-015-9161-9
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[11] Delgado T, Alcántara JF, Vadillo JM, Laserna JJ (2013): Condensed-phase laser ionization time-of-flight mass spectrometry of highly energetic nitro-aromatic compounds. Rapid Commun Mass Spectrom 27:1807–1813. https://doi.org/10.1002/rcm.6624
[12] DIN (2014) DIN ISO 11916-1/2:2014-11: Bodenbeschaffenheit - Bestimmung von ausgewählten Explosivstoffen und verwandten Verbindungen
[13] Epa (2006) Method 8330B: Nitroaromatics, nitramines, and nitrate esters by high performance liquid chromatography (HPLC). 60
[14] Kober SL, Hanschke C, Macholz R, Frohme M (2018): Die einfache Extraktion und Quantifizierung von sprengstofftypischen Verbindungen in Bodenproben über LC-MS/MS. Wissenschaftliche Beiträge TH Wildau 22:7–16. https://doi.org/10.15771/0949-8214_2018_1
[15] Pichtel J (2012): Distribution and fate of military explosives and propellants in soil: A review. Appl Environ Soil Sci 2012:. https://doi.org/10.1155/2012/617236
[16] Gumuscu B, Tekinay T (2013): Effective biodegradation of 2,4,6-trinitrotoluene using a novel bacterial strain isolated from TNT-contaminated soil. Int Biodeterior Biodegrad 85:35–41. https://doi.org/10.1016/j.ibiod.2013.06.007
[17] Kober SL, Hollert H, Frohme M (2019): Quantification of nitroaromatic explosives in contaminated soil using MALDI-TOF mass spectrometry. Anal Bioanal Chem 1–11
[18] Ständiger Ausschuss Altlasten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) (2008) Bewertungsgrundlagen für Schadstoffe in Altlasten. 2008:1–15