Chromatographie

„HPLC 2011“ – Trends in der HPLC

Vom 19. bis 23. Juni 2011 fand in Budapest die „HPLC 2011“, das „36. International Symposium on High Performance Liquid Phase Separations and Related Techniques“ statt. Dieses Symposium ist das mit Abstand wichtigste auf dem Gebiet der HPLC und verwandter Techniken. Dr. Stavros Kromidas gibt im nachfolgenden Beitrag einige Eindrücke wieder und zeigt Schwerpunkte und Trends auf.

Kurzes Gesamtfazit

Bezüglich Niveau und Praxisbezug der Vorträge, Seminare etc. war es eine sehr gute bis hervorragende Tagung – dennoch: Ich habe manch´ einen fachlich-übergeordneten Vortrag schon vermisst (siehe weiter unten). Bezüglich Örtlichkeiten und Organisation habe ich besseres erlebt, gut genug und zweckdienlich war es aber allemal. Es gab keine Einführung von neuen Geräten, dafür wurden umso mehr neue Materialien vorgestellt. Daneben fand eine sehr intensive – und gute! – Diskussion über grundsätzliche Dinge des Trennvorgangs und der Säuleneffizienz statt.

Zahlen, Eindrücke und dergleichen…

HPLC 2011 war mit ca. 1300 Teilnehmern eine gut besuchte Tagung. Abzüglich Hersteller und Vortragenden kamen ca. 850 Chromatographeure aus 50 Ländern nach Budapest. Wenn man bedenkt, dass dank Globalisierung fast jeden Monat von Malaysia über Brasilien, Rumänien, Polen bis hin zu Kreta Tagungen zu Trenntechniken abgehalten werden, war HPLC 2011 für die Organisatoren ein sehr guter Erfolg. Die Anzahl der Hersteller mit knapp 60 erreichte ein ansehnliches Niveau. Die Ausstellung fand in den verwinkelten und engen Gängen des am Novotel angegliederten „Congress and World Trade Center“ statt. Die familiäre und Flohmarkt-ähnliche Atmosphäre hatte durchaus ihren Charme. Nachfolgend in Kürze ein paar subjektive besonders positive und etwas weniger positive Eindrücke:
Positiv:
• Ich empfinde es als eine sehr gute Tradition, dass in der HPLC sich verdient gemachten Persönlichkeiten Sessions gewidmet werden. So fand eine solche in Memoriam Uwe Neue, einem unkonventionellen Menschen und einem hervorragendem Wissenschaftler statt. Besonders gut fand ich, dass eine Session auch George Guiochon gewidmet war – einem der letzten noch lebenden HPLC-Pioniere (Guiochon betreibt seit über 55 Jahren Chromatographie und fertigt gerade seine 1000. Publikation): Viel besser so als nach seinem Tod.

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  • Die Helfer mit ihren „Can I help you?“ T-Shirts waren zahlreich und ausgesprochen freundlich und kompetent.
  • Essen und Kaffee: Reichlich, gut, keine Warteschlangen.
    Weniger positiv:

Da fallen mir spontan zwei Punkte die Organisation betreffend ein:

  • Das übrige Personal war bedingt freundlich, „geistig“ etwas abwesend und erinnerte irgendwie an frühere Zeiten…
  • Eine der zwei Poster-Sessions fand in einer Mehrzweck-Sporthalle statt, wo auch später das Mittagessen serviert wurde. Ertönte während des Essens eine angenehme Hintergrundmusik, lief davor – also in der Zeit, die auch für den Poster-Besuch vorgesehen war – in einer Disko-Lautstärke ein ungarischer Radiosender mit vermutlich sehr interessanten Werbeangeboten.

Ein altes Problem…

Die Anzahl der Poster betrug 873. Obwohl ich in solchen Situationen ein fleißiger Mensch bin und jede freie Minute nutzte, habe ich gerade um die 100 Poster „geschafft“. Das Dilemma der Organisatoren ist mir schon bewusst, doch sollte eine Lösung gefunden werden, schließlich ist die Situation auch und gerade für die Autoren frustrierend. Kommen wir nun zum wissenschaftlichen Teil.

Instrumente

In den letzten Jahren wurden neue Geräte in einem derartigen Tempo vorgestellt, dass Hersteller und Anwender gleichermaßen überforderte. Wir erleben z.Z. eine wohltuende Atempause. Die Geräte-Hersteller beschäftigen sich in dieser Konsolidierungsphase etwas tiefergehend mit ihren Geräten und befassen sich mit grundsätzlichen Fragen, die sicherlich der HPLC gut tun, zwei Beispiele dazu:

  • In einem Vortrag von Agilent wurden die Vorteile eines Druck-konstanten statt des üblichen Fluss-konstanten Betriebs in der HPLC diskutiert.
  • In einem Vortrag von Thermo/Dionex wurde ein Säulen-Prototyp mit einer speziellen Führung vorgestellt, die es erlaubt, nur einen Teil des Analyten zu detektieren: Es wird das hoch konzentrierte Substanzsegment aus der Mitte der Säule genutzt, das Nicht-Detektieren des gesamten laminaren Profils der Substanz führt zu einer merklichen Verbesserung der Nachweisgrenze.

Ob aus diesen Entwicklungen kommerziell erhältliche Produkte resultieren werden, gilt abzuwarten.
UHPLC: An allen kommerziellen UHPLC-Geräten haben wir bei Verwendung von kurzen, dünnen Säulen (z.B. ≤ 50 mm, 2,1 mm, sub 2 µm) je nach Analyt und chromatographischen Bedingungen wegen der „Extra Column Effects“ einen Verlust an Effizienz von ca. 20...40 %. Da dies nicht mehr weg zu diskutieren ist, befassen sich die (namhaften) Hersteller – zwar unnötig spät, aber immerhin – mit der Optimierung der eigenen Hardware und dies wird in der Zwischenzeit auch offen kommuniziert: 0,05-mm-Kapillaren, noch kleinere Zellvolumina im nl-Bereich sowie Tricks beim Injizieren, um die Substanzzone am Säulenkopf zu fokussieren.

2D-Chromatographie: Die Software aller großen Hersteller unterstützt heute 2D-Trennungen. Die Schaltung von Säulen, das Führen eines im Loop des Schaltventils „geparkten“ Cuts, das sequentielle Rückspielen der Säule usw. ist in der Zwischenzeit leicht zu realisieren. Vielleicht wird langsam die Zeit reif, dass für komplexe Mischungen (mehr als 600...700 zu trennenden Substanzen) die 2D-Chromatographie den Eingang in Industrielabors findet. Ich möchte folgende Kopplungen erwähnen, die mir persönlich besonders interessant erscheinen: UPLC x UPLC, UPLC x UPLC-SEC, Chiral x UHPLC, Chiral x Chiral, Achiral x Chiral, HPLC x GC-MS/MS, HILIC x RP, SPE x NMR.

Kurioses, Interessantes

Wie bei jeder Tagung fehlten auch dieses Mal nicht die etwas ungewöhnlichen Forschungsergebnisse bzw. Vorschläge. Ich greife willkürlich folgende drei heraus:

  • „Ice-Chromatography“: Kieselgel wird mit Wasser (Eis) belegt und die funktionellen Gruppen werden ohne Verwendung von Lösungsmitteln kovalent gebunden. Trennungen werden mit 0,1 % THF in Hexan bei –8 °C geführt. Übrigens, dieses Poster wurde als eines der besten für einen Preis nominiert.
  • Diamant, Gold und Aluminium als Material für den nicht-porösen Kern in der Fused-Core-Technologie.
  • Kieselgel nicht lediglich als Matrix zu Trennzwecken, sondern als Ort benutzen, wo bestimmte Reaktionen stattfinden, und dann die Reaktionsprodukte durch Elutionsprofile grob abtrennen.

Säulen, Trennmechanismen

Das klassische RP-Material scheint als Forschungsobjekt seine Attraktivität endgültig verloren zu haben. Wer sollte sich denn auch für die 1000. neue endcappte C18-Säule auf Basis reinen Kiesegels interessieren?
HILIC-Säulen

Die HILIC-Säulen durchleben ein Stadium, das für die klassischen RP-Säulen die 1980er Jahre waren: Man kennt sich mittlerweile einigermaßen aus, ist dabei, diese Materialien reproduzierbar herzustellen, man diskutiert die möglichen Mechanismen, die Zahl der Applikationen steigt und – da liegt im Moment der Schwerpunkt der Bemühungen an der Front – man ist dabei, Tests zu deren Charakterisierung zu entwickeln. Man wird allerdings schon einige Jahre damit beschäftigt sein und es wird noch schwieriger werden, Tests zu etablieren, die allgemein akzeptiert werden, denn: Erstens ist „HILIC“ nicht gleich HILIC und zweitens herrschen komplexe Mischmechanismen. Hier standartisierte Tests zu entwickeln, die zu objektiven Vergleichskriterien für HILIC-Säulen führen sollen, wird nicht einfach werden. Die Sache ist komplizierter, als sich nur mit ein paar Silanolgruppen zu beschäftigen… Ich bin auch etwas skeptisch, was die unmittelbare Etablierung in die breite Routine betrifft – nicht in Entwicklungsabteilungen, wo sie mehr als ihre Berechtigung haben.

„1 : 0“ für die Fused Core-Technologie

Bei den letzten Symposien „verteidigten“ die 1,5-...1,8-µm–Teilchen das Gebiet der schnellen und/oder der effizienten Trennungen gegen die „Fused Core-Eindringlinge“ aus einer gewissen souveränen Position heraus. Erstere scheinen im Moment etwas in die Defensive zu geraten. Sei es, weil ohne Optimierung der UHPLC-Hardware deren Effizienz nicht voll genutzt werden kann, sei es, dass das Handling mit „real life“-Proben mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand verbunden ist, sei es, dass der Methodentransfer nicht stets glatt läuft, sei es schließlich, dass die Lebensdauer – jedenfalls nicht selten – nicht zufriedenstellend ist. Es passt auch ins Bild, dass Waters nun die 2,5 µm Extended Performance-Serie einführt: Das „klassische“ Hybrid-Material BEH sowie die Kieselgelvariante HSS (High Strength Silica) ab Oktober 2011 und die Trimode-Phase CSH (siehe weiter unten) ab Januar 2012. Das Motto lautet in etwa: „Lieber Anwender, nimm für (sehr) schnelle Trennungen und eine gute Nachweisgrenze unser 1,7-µm-Material, brauchst du dagegen Diversität (sprich: Selektivität) nimm unsere neue 2,5-µm-Säulen: Der Verlust an Effizienz an den üblichen Geräten ist zu verkraften, die etwas größere Teilchen sind robuster und ermöglichen einfaches Handling im Alltag.“ Auch im Jahre 2011 ist für eine gute Auflösung die Selektivität das Wichtigste. Es seien zwei neue Sub-2-µm-Materialien, die in der HPLC 2011 vorgestellt wurden, genannt: Fortis 1,7 µm mit 380 m2/g spezifische Oberfläche und Pathfinder XQ 1,5 µm mit angegebenen 300000 Böden/m. Die „Stars“ in Budapest waren zweifelsohne jedoch die „Fused Core“-Materialien. In der Zwischenzeit werden Materialien mit vielen unterschiedlichen funktionellen Gruppen angeboten. Von den neueren Einführungen seien zwei genannt: Accucore 2,6 µm von Thermo mit unterschiedlichen funktionellen Gruppen und SunShell. Die Argumentation der Anbieter von Fused Core-Materialien ist vereinfacht wie folgt wider zu geben: „Lieber Anwender, wir haben immer gewusst, dass du mit Fused Core besser bedient bist als mit 1,7-...1,8-µm-Teilchen, weil unsere besser zu packen sind, länger halten usw. Aber wir denken an dich und gehen einen Schritt weiter: Wenn du bereits eine UHPLC-Anlage gekauft hast, ist es nicht so schlimm: Nimm doch auch dafür unsere Fused Core-Säulen, du hast keine Nachteile wie z.B. „Frictional Heating“ und merklichen Effizienzverlust bei hohen Flussraten sowie wegen des „Extra Column Effects“ im Gegenteil weniger Ärger bei deren Anwendung in einer UHPLC-Anlage.“ In Budapest fand eine sehr intensive Diskussion über Trennleistung, Packungshomogenität, Korngrößenverteilung und Permeabilität von Säulen gepackt mit Sub-2-µm- bzw. Fused Core-Teilchen. Folgender Tenor herrscht aktuell (!): Fused Core-Materialien können besser und homogener gepackt werden, radiale Inhomogenität des Packungsbeets ist geringer als bei den porösen Teilchen mit ihrer glatten Oberfläche.

„Multi-Mode“ und Monolithen

Die Multi-Mode-Materialien (unterschiedliche funktionelle Gruppen an der Oberfläche der stationären Phase, die unterschiedliche Wechselwirkungen ermöglichen, z.B. RP und Ionenaustausch) kommen langsam, aber sie kommen. Es kann sein, dass in absehbarer Zeit nach dem Hype der HILIC-Säulen sie bei der Trennung von nicht allzu polaren Analyten ihre Rolle teilweise übernehmen könnten. Waters führt BEH CSH (Charged Surface Hybrid) ein, eine „Mixed-Mode“-Phase auf Hybrid-Basis. Als „Trimode-Phases“ werden Phasen mit drei Funktionalitäten bezeichnet: Anionen-, Kationenaustausch, RP. Merck führt neben einer Chromolith Performance-Amino-Phase die Chromolith High Resolution ein (ab Oktober). Die gezeigten Ergebnisse zeugen von einer merklich erhöhten Trennleistung gegenüber dem Klassiker „Chromolith Performance“.

Generelles

Die Chemometrie wird immer häufiger als Tool verwendet, um über die erhaltenen Cluster zu interessanten Ähnlichkeiten zu gelangen, z.B. Vergleich von Säulenmaterialien. Ebenfalls mit Hilfe von mathematischen Tools – hier tun sich Osteuropäer und Spanier bzw. Lateinamerikaner besonders hervor – wird versucht Modelle zu entwickeln, um (Gradienten-)Trennungen vorherzusagen. Mir ist desweiteren aufgefallen, dass Van-Deemter-Plots etwas seltener gezeigt wurden: Die Bodenzahl gerät als Kriterium für eine „gute“ Säule etwas in den Hintergrund, vielmehr steht bei Gradiententrennungen die Peakkapazität im Vordergrund. Microfluidics, nano-LC, CE erfreuen sich in reinen Forschungsgruppen weiterhin einer großen Beliebtheit, dort geht es um Grundlagenforschung, Empfindlichkeit, Spezifität – Reproduzierbarkeit und Robustheit spielen hier kaum eine Rolle.

Kritik

Es ist völlig normal, dass in solchen Tagungen den Ton und damit den zu diskutierenden Blickwinkel im Wesentlichen Hersteller und Universitäten/Forschungseinrichtungen an-/vorgeben. Dennoch fehlten – jedenfalls mir – häufig der Bezug zur Praxis, das Hinterfragen von Ergebnissen und der übergeordnete Blick auf die Analytik über Zahlenwerte hinaus. So scheut man keinen technischen Aufwand, um das Totvolumen der Apparatur (Varianz) von 8,6 µl auf 2,3 µl zu senken (obwohl bei höheren Flüssen der C-Term und damit die Bandenverbreiterung sowieso stark zunehmen…), man präsentiert stolz Vk´s von 0,05 % und strahlt über das ganze Gesicht, wenn es nun mit dieser „tollen“ Säule im 2D-Chomatographie-Modus gelungen ist, in der ersten Dimension statt 550 nun 650 Peaks zu trennen. Dass bei diesen Chromatogrammen der Fehler bei der Integration in der Größenordnung von 50...60 % liegt und dass der Beitrag des Gerätes (eben diese 0,05 %) zur Gesamtpräzision einer real-life-Applikation völlig unbedeutend ist, scheint nicht zu interessieren. Ich habe während der ganzen Tagung vielleicht zwei Mal das Wort „reliability“ gehört. Best-Leistung und das technisch-machbare wird leichtfertig mit „Best-Analytik“ verwechselt. Schließlich hätte ich mir etwas mehr Vorträge von Industrievertretern gewünscht, so auch von Organisationen und Behörden, die Trends kundtun könnten, schließlich betrifft deren „Philosophie“ und die erwarteten Entwicklungen uns alle. Die nächsten Tagungen finden in 2012 in Anaheim und in 2013 in Amsterdam statt.

Dr. Stavros Kromidas, Saarbrücken, http://www.kromidas.de

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