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Fraktionen nahtlos verpacken und mehr

Meine HPLC tropft

Koppelt man die hochdruckstabile Chip-HPLC an die Tröpfchenmikrofluidik, entsteht eine neue Technologie. Sie vereint die mikrofluidische Welt der Trenntechniken mit der Welt der Tropfenmikrofluidik.

Die moderne Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) ist heute in nahezu jedem analytischen Labor anzutreffen und gilt als Arbeitspferd zur Bearbeitung vielfältiger Fragestellungen. Die Verwirklichung der miniaturisierten HPLC im planaren Format wird als Chip-HPLC bezeichnet. Der Erfolg dieses Konzepts wird auch durch die zunehmende Kommerzialisierung entsprechender Systeme verdeutlicht. Verschiedene chemische Prozesse und fluidische Funktionalitäten können auf dem Chip – gleich einem integrierten chemischen Schaltkreis – vereint werden.

Herausforderungen der Miniaturisierung
In der HPLC ist die Miniaturisierung ein nicht mehr wegzudenkendes Konzept. Die Verkleinerung von Partikelgrößen und Säulendurchmessern führte zur Entwicklung von UHPLC und nanoLC und damit zu einer enormen Effizienzsteigerung bei gleichzeitig drastischer Verringerung des Proben- und Laufmittelbedarfs. Dies ist, insbesondere für die modernen Omics-Forschungsfelder, von zentraler Bedeutung, da die untersuchten komplexen Proben hohe Ansprüche an die Trennleistung stellen und oft nur in sehr geringen Mengen vorliegen.

Solche Methoden werden zwar immer leistungsfähiger, jedoch bringt die Verkleinerung der Komponenten und Analysenschritte auch Herausforderungen mit sich. Dies gilt insbesondere für die Anschlusstechnik und die Detektion. Sind verwendete Analysenmethoden ausreichend sensitiv? Wie kann eine gleichbleibende Robustheit bei immer kleiner werdenden Komponenten gewährleistet werden? Je kleiner das Säulenvolumen wird, desto stärker wirkt sich das Volumen der Verbindungskomponenten aus. Bereits kleine Mängel in der Anschlusstechnik generieren zusätzliches Volumen im Fließweg. Im schlimmsten Fall werden Hohlräume außerhalb der Eluatströmung erzeugt, die nur noch durch Diffusion zugänglich sind. Diese Tot- und Durchflussvolumina wirken sich aufgrund des geringen Gesamtvolumens in miniaturisierten Systemen drastisch auf die Trennleistung aus und sind daher unbedingt zu vermeiden.

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Bild 1: Die Tropfenerzeugung ist nahtlos an die chromatographische Trennung angeschlossen. Wird das fraktionierte Chromatogramm vergrößert, so sind deutlich die Signale der einzelnen Tropfen erkennbar. (Bilder: R. Gerhardt)

Analytik auf kleinstem Raum
Die Lab-on-a-chip-Technologie verspricht – durch Miniaturisierung der funktionellen Einheiten eines Labors und chemischer Analysenmethoden – die Integration verschiedenster Funktionalitäten auf kleinstem Raum. Die nur wenige Zentimeter großen Westentaschenlabore ermöglichen sehr schnelle Trennungen und präzise Prozesskontrolle bei gleichzeitiger Einsparung von Zeit und Ressourcen. Insbesondere für die HPLC ist die Möglichkeit, weitere Prozesse totvolumenfrei auf dem Chip an die Trennung anzukoppeln, interessant. Eine Herausforderung liegt dabei in der Frage, wie zum Beispiel eine mikropräparative Auftrennung mit Fraktionssammlung auf einem Chip realisiert werden könnte. Um die wertvollen analytischen Information zu erhalten, gilt es, Peakdispersion und Bandenverbreiterung zu vermeiden und die Auflösung getrennter Analytbanden zu bewahren. Hier kommt nun das Tröpfcheninterface zum Einsatz.

Fraktionierung mittels Tröpfchenmikrofludik
Im Lab-on-a-chip-Kontext sind Tröpfchen abgeschlossene, meist wässrige Flüssigkeitskompartimente, die von einer kontinuierlichen Trägerphase (zumeist Öl) durch die Kanäle transportiert werden. Sie werden durch die Zusammenführung zweier nicht miteinander mischbarer Phasen mit Hilfe spezieller Kanal-geometrien erzeugt. In dem entwickelten Chipdesign wurde dies durch eine sogenannte T-Kreuzung verwirklicht. Die aus der Trennsäule austretende mobile Phase wird an dieser Kreuzung durch die eingeleitete Ölphase fraktioniert. Dabei werden von der Ölphase umschlossene Flüssigkeitssegmente („Tröpfchen“) erzeugt. Abhängig von den gewählten Fließgeschwindigkeiten kann die mobile Phase so in bis zu 45 Tröpfchen pro Sekunde kompartimentiert werden.

Die Tropfenerzeugung ist nahtlos an die chromatographische Trennung angeschlossen. Wird das fraktionierte Chromatogramm vergrößert, so sind deutlich die Signale der einzelnen Tropfen erkennbar. Der Vergleich mit dem vor der Fraktionierung erhaltenen Chromatogramm zeigt, dass die Auflösung und Peakform in den Tropfen konserviert bleibt. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Fraktionierung der Peakdispersion erfolgreich entgegenwirkt, da die Diffusion von Analyten zwischen den Tröpfchen durch die Ölphase unterdrückt wird. Größe und Tropfenfrequenz lassen sich – je nach Anwendung – gezielt durch Flussgeschwindigkeit und Kanaldimensionen regulieren. Typische Tropfenvolumina bewegen sich im Bereich von wenigen Nano- bis Pikolitern. Die Ölphase wird passend zur mobilen Phase ausgewählt.

Bild 2: Do-it-yourself - In dem von den Autoren entwickelten Chipdesign liegen die verschiedenen Funktionalitäten HPLC-Trennung, Fraktionierung mittels Tropfenerzeugung und Post-column-Zudosierung vereint vor.

Die Tropfenerzeugung ist ein Zusammenspiel aus Oberflächenspannung, Scherkräften und Viskosität der beteiligten Phasen. Das entwickelte Interface erlaubt die stabile und regelmäßige Fraktionierung über den kompletten Lösungsmittelbereich, d.h. von 100  % Wasser bis 100  % Acetonitril. Der Chip lässt sich daher auch erfolgreich für Trennungen im Gradientenmodus nutzen, was den Anwendungsbereich noch einmal deutlich erweitert.

Chipbasierte HPLC: Plug-and-play oder Do-it-yourself
Im kommerziellen Umfeld sind sogenannte Plug-and-play-Lösungen das Mittel der Wahl beim Einsatz der chipbasierten HPLC. Der Chip kann ohne großen Aufwand über eine Kartusche ins System integriert und bei Bedarf ausgetauscht oder erneuert werden. In der universitären Forschung steht hingegen die Flexibilität bei der Entwicklung im Vordergrund. Glas ist hierbei aus chemischer Sicht das beste Material, denn die optische Transparenz ermöglicht die Verfolgung der Prozesse auf dem Chip; außerdem zeichnet sich der Glaschip durch seine hohe Druckresistenz aus.

Das Einbringen der chromatographischen Packung in die mikrofluidischen Glaschips gelingt durch herkömmliches „slurry packing“. Hierbei kann prinzipiell jedes kommerziell erhältliche Säulenmaterial verwendet werden. Die Partikelsuspension wird über einen Packungskanal in den Trennkanal des Chips geleitet. An dessen Enden befinden sich photopolymerisierte, poröse Fritten, die die Säulenpartikel zurückhalten. Nach Ende des Packungsprozesses wird der Packungskanal durch Bestrahlen einer eingebrachten Photo-polymerlösung vom Trennkanal abgetrennt und fest verschlossen. Die fluidische Kontaktierung des Chips wird über hochdruckstabile Anschlussklemmen aus Edelstahl realisiert. Zur effizienten Tröpfchenbildung wird der entsprechende mikrofluidische Kanal mit einem Reagenz behandelt, um die Glasoberfläche zu hydrophobieren.

Ein Tröpfcheninterface – viele Anwendungen
Die Kopplung der Chip-HPLC mit der Tröpfchenmikrofluidik stellt eine aufregende Verknüpfung zweier mikrofluidischer Welten dar. Das Interface erschließt neue Anwendungsgebiete, da nun die vielfältigen Kontrollwerkzeuge aus dem Reich der Tröpfchenmikrofluidik genutzt werden können. Tröpfchen können beispielsweise gezielt manipuliert, passgenau im System bewegt, mit einem molekularen Barcode gelabelt, gesplittet, miteinander verschmolzen, für die Injektion weiterer Reagenzien genutzt und sogar sortiert werden.

Ein Beispiel hierfür – die gezielte Zudosierung eines Reagenzes zu einzelnen Tropfen eines segmentierten Chip-HPLC-Laufs – konnte bereits erfolgreich realisiert werden. Störungsfrei umgesetzt wurde diese mit einer integrierten passiven Dosierungseinheit. Die zugegebene Menge kann allein mit Hilfe der regelbaren Flussgeschwindigkeit bestimmt werden. Dies ist unter anderem für Post-column-Derivatisierungen interessant.

Tröpfchen erleichtern zusätzlich den Mischprozess, der aufgrund der kleinen Reynoldszahlen eine Herausforderung in mikrofluidischen Systemen darstellt. In Tröpfchen kann Mischen durch Integration einer Serpentinenstruktur derart beschleunigt werden, dass aufgrund der asymmetrischen Zirkulation in den Tropfen der Inhalt bereits nach kurzer Zeit (abhängig von der Tropfengröße) vollständig durchmischt ist. Das Tröpfchenformat erlaubt letztlich ein effektives Mischen der zudosierten Reagenzien bei gleichzeitigem Erhalt der chromatographischen Auflösung.

Darüber hinaus kann jedes Tröpfchen als ein kleiner, fließender Reaktor für Experimente betrachtet werden. Daraus ergeben sich vielschichtige Anwendungsbereiche. Die mikro-fluidischen Reaktoren können mit Frequenzen im kHz-Bereich erzeugt werden und finden heute Anwendung in Hochdurchsatzexperimenten wie sie bei der Medikamentenentwicklung oder für Reaktionsscreenings gebraucht werden. Tröpfchensysteme können analog als fließende Mikrotiterplatten betrachtet werden, wobei das Chip-Format eine hohe Kontrolle über Reaktionsparameter wie Temperatur, Konzentrationen, etc. erlaubt.

Ausblick der Chip-HPLC
Mit dem Tröpfcheninterface steht ein Werkzeug zur Verfügung, um bei der Chip-HPLC-Trennung eine ganze Reihe weiterer Prozesse anzuschließen. Dies kann beispielsweise in Form weiterer Analytik erfolgen: Die getrennten Banden können zusätzlich spektroskopisch untersucht werden; der Tröpfcheninhalt kann einzeln im Massenspektrometer analysiert werden. Denkbar ist auch, die Chip-HPLC zu nutzen, um die Komplexität von Proben vor der analytischen Bestimmung im Tropfen zu reduzieren. Dies ist nützlich, um Interferenzen bei biochemischen Assays im Pikolitermaßstab zu reduzieren. Auch können die Tröpfchen bei sorgfältiger Wahl der Ölphase gelagert werden, um für spätere Untersuchungen zur Verfügung zu stehen. Das Entscheidende ist, dass die analytische Information der Trennung unverändert in den Tröpfchen erhalten bleibt.

Eine weitere Idee ist der Einsatz in mehrdimensionalen Trenntechniken. In den Tropfen kann die Information aus der 1. Dimension zwischengespeichert werden, um mehr Zeit für die Trennung in der 2. Dimension zu generieren.

Fazit
Mit der Verknüpfung der hochdruckstabilen Chip-HPLC mit der Tröpfchenmikrofluidik wurde eine neue Technologie vorgestellt, die die mikrofluidischen Welten der Trenntechniken und der Tropfenmikrofluidik vereint. Das Tröpfcheninterface ermöglicht es, die getrennten Analytbanden on-chip totvolumenfrei und ohne Dispersion zu fraktionieren. Dies eröffnet spannende Möglichkeiten zur einfachen Sys-temintegration analytischer Verfahren und zur weiteren chemischen On-chip-Prozessierung der aufgereinigten Substanzen.

Literatur
Seamless combination of high pressure chip-HPLC and droplet microfluidics on an integrated microfluidic glass chip. R. F. Gerhardt, A. J. Peretzki, S. K. Piendl, D. Belder, Anal. Chem. 2017, 89, 13030-13037.

AUTOREN
M. Sc. Renata Gerhardt

Prof. Dr. Detlev Belder

Institut für Analytische Chemie
Universität Leipzig

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