Datenbank für Polymeranalyse

Das Chromatogramm als Fingerabdruck nutzen

Mit der Software ChromIdent können gaschromatographische Fingerabdrücke von Polymeren, Copolymeren und Polymermischungen detailliert analysiert werden.

© Shutterstock, Vectorcat

Neben der gaschromatographischen Analyse von Geruchsstoffen, Aromen, Umwelt- oder Kraftstoffproben resultiert auch die Analyse von Polymeren mittels der analytischen Pyrolyse, gekoppelt mit der Gaschromatographie (Py-GC/MS), in charakteristischen Fingerprints. Diese können aus mehreren hundert Peaks bestehen. Werden Polymer-Substanzen gemischt bzw. werden zusätzlich Additive eingesetzt, kann die Komplexität der Chromatogramme den Anwender schnell überfordern. Wie gelangt er dennoch an deren Zusammensetzung? Vor allem in Anbetracht dessen, dass ein händischer Vergleich seiner Probe gegen z. B. 30 Referenzen von „Reinsubstanzen“ viel Zeit und Nerven kostet?

Aufbau Pyrolysator © Gerstel

Der Vergleich von spektralen Fingerprints gehört für zahlreiche Fragestellungen in der Analytik seit Jahren zum Standard. In der IR-, Raman- oder NMR-Analytik werden Fingerprint-Datenbanken kommerziell angeboten, frei zur Verfügung gestellt oder Labor-intern aufgebaut, um neu analysierte Proben gegenüber diesen Datenbanken abzugleichen – ohne einzelne Signale der oftmals komplexen Spektren isoliert vergleichen zu müssen. Hierdurch wird eine effiziente Möglichkeit z. B. zur Herkunftsanalyse, Qualitätskontrolle, Analyse von Mischungen und weiteren Fragestellungen geboten. In der Chromatographie, gekoppelt mit Massenspektrometern oder anderen Detektoren, ist der Ansatz des Fingerprint-Vergleichs mit Datenbanken nicht annähernd so verbreitet. Das liegt daran, dass die Chromatographie mit limitierenden Faktoren zu kämpfen hat, die den Aufbau von langfristig nutzbaren Bibliotheken erschweren. Zum einen machen dem Anwender hardwareseitige Probleme zu schaffen: z. B. Retentionszeitverschiebungen durch Druckschwankungen oder Säulenalterung und die damit einhergehende erschwerte langfristige Reproduzierbarkeit. Zum anderen mangelt es an geeigneten Softwarelösungen, die eine anwenderfreundliche und weitgehend automatisierte Aufbereitung der Messdaten ermöglichen.

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Zur Charakterisierung von Polymeren bzw. Copolymeren hat sich die Pyrolyse-GC/MS bewährt. Die reproduzierbare thermische Fragmentierung der organischen Feststoffe erlaubt eine gaschromatographische Trennung, wodurch informative Fingerabdrücke der Polymere erzeugt werden. Die anschließende detaillierte Analyse gaschromatographischer Fingerabdrücke von Polymeren und Polymermischungen kann mit der Software ChromIdent® durchgeführt werden, die im Folgenden vorgestellt wird.

Screenshot aus der frei verfügbaren Software OpenChrom® © Lablicate

Pyrolyse-GC/MS von Homo- und Heteropolymeren
Um den Nutzen von ChromIdent für die Analyse von Polymeren zu testen, wurden verschiedene gängige Homopolymere (PP, PC, PU, PE, PCL, PMMA, PVC, BR, PS, PA6, PTFE) und Copolymere (ABS, SB, ASA, SEBS, SIS) mittels Pyrolyse-GC/MS gemessen, um anschließend Referenzdatenbanken aufzubauen und Messungen gegeneinander zu vergleichen.

Die Pyrolysetemperatur ist ein wichtiger Parameter, der das chromatographische Erscheinungsbild eines Pyrolyse-GC-Experiments beeinflusst. Ist sie zu niedrig, findet kaum Pyrolyse statt, ist sie zu hoch, können sekundäre Pyrolyseprozesse (weitere Pyrolyse primärer Produkte) dominieren und die chemische bzw. Strukturinformation der primären Produkte zerstören. Zur Identifizierung unbekannter Polymere mittels Pyrolyse-GC/MS wird oft auf Datensammlungen zurückgegriffen. Zur Erstellung dieser Sammlungen muss bezüglich der Pyrolysetemperatur ein Kompromiss über alle Substanzen eingegangen werden, damit der Vergleich der chromatographischen Muster der Zersetzungsprodukte von der unbekannten Probe mit den Mustern der Datensammlung bei gleichen Bedingungen erfolgt.

Die derzeit als Kompromiss bevorzugte Pyrolysetemperatur liegt bei 600 °C. Bei 600 °C sind allerdings für viele Polymere schon sekundäre Pyrolyseprozesse bei typischen Pyrolyse-GC-Experimenten zu verzeichnen. Bei einem direkt an die GC gekoppelten Pyrolyseofen ist es denkbar, solche Prozesse durch einen schnellen Abtransport der primären flüchtigen Pyrolyseprodukte oder durch eine langsamere Reaktionsrate zu unterdrücken. Da die Gasflüsse nur in Grenzen variiert werden können, verspricht eine langsamere Aufheizrate Erfolg. Üblicherweise werden bei der Pyrolyse-GC sehr schnelle Aufheizraten eingesetzt (bis zu mehreren 1000 °/s). Für die hier vorgestellten Messungen wurde ein Pyrolysetemperaturprogramm von 100 – 800 °C mit einer Aufheizrate von 5 °C/s eingesetzt. Dieses erwies sich als gut geeignet. Für viele Polymerproben konnte gezeigt werden, dass das chromatographische Erscheinungsbild dem einer temperaturoptimierten Pyrolyse entsprach.

Die Anwendung eines solchen Temperaturprogramms (z. B. „SmartRamp“ von der Fa. Gerstel) verspricht gute Ergebnisse mit maximaler Information (keine sekundären Pyrolyseprozesse) bei minimalem Aufwand (keine Temperaturoptimierung).

Aufbereitung der Fingerprints
Im Gegensatz zur spektroskopischen Analytik wird in der Chromatographie üblicherweise nicht das komplette Profil, bzw. Ausschnitte davon, zum Aufbau der Datenbank bzw. zum Fingerprint-Vergleich genutzt. Die Vorgehensweise entspricht stattdessen der klassischen Verarbeitung von Chromatogrammen: Zunächst werden alle Peaks, die für die Analyse von Bedeutung sind, detektiert (falls notwendig, dekonvuliert), integriert und im Idealfall identifiziert, so dass man als Fingerprint der jeweilig gemessenen Probe ein Peakmuster erhält. Diese Peakmuster haben den Vorteil, dass der nicht-informative Anteil des Chromatogramms (z. B. Background, Säulenbluten, Lösungsmittelpeak) aus den Daten entfernt wird und dass die einzelnen Peaks der Peakmuster anhand ihrer Massenspektren, Retentionszeiten oder Identitäten mit anderen Peakmustern verglichen werden können.

Zur entsprechenden Aufbereitung der Polymer-Pyrogramme wurde die herstellerunabhängige und frei verfügbare Software OpenChrom® herangezogen, die eine automatisierte Stapelverarbeitung der Messungen ermöglicht. Im hier beschriebenen Beispiel wurden nur alle detektierten Peaks mit einem S/N > 6 beibehalten. Der über OpenChrom® durchgeführte Abgleich gegen eine kommerzielle Massenspektrenbibliothek (NIST11) war nicht übermäßig ergiebig und erlaubte lediglich die Identifizierung der Hauptfragmente, was im Falle von Pyrolyseprodukten ein bekanntes Defizit darstellt. Allerdings ist die Identifizierung der Pyrolyseprodukte nur ein optionaler Schritt und für den Fingerprint-Vergleich nicht zwingend erforderlich.

Aufbau der Referenzdatenbank
ChromIdent® kann entweder als Erweiterung der Software OpenChrom® oder als eigenständige Software für die Analyse von chromatographischen Fingerprints genutzt werden, die aus GC- (herstellerunabhängig), GC/MS- (herstellerunabhängig) oder GCxGC TOF-Analysen (Leco) hervorgehen. Mit Hilfe der Software können Chromatogramme miteinander verglichen werden, um signifikante Unterschiede zwischen Proben oder Marker-Peaks zur eindeutigen Differenzierung von Komponenten in Mischungen zu detektieren. Hierbei ist ein Vergleich einiger weniger Proben, aber auch großer Datensätze möglich.

Das Prinzip von ChromIdent basiert auf dem Aufbau von Datenbanken mittels vorhandener Peakinformationen, wie Retentionszeit bzw. Retentionsindizes, Massenspektren, Peak-Flächen, und optional Peak-Identifizierungen, aus denen eine globale Peak-Liste erzeugt wird. In dieser werden übereinstimmende Peaks zusammengefasst und durch ihre jeweils unterschiedlichen Peak-Flächen differenziert.

Identifizierung von Copolymeren
Zur Analyse der Fingerprints stehen zum einen Methoden der multivariaten Statistik, wie Hauptkomponentenanalyse (PCA) und „Orthogonal Projections to Latent Structures Discriminant Analysis“ (OPLS-DA) zur Verfügung, zum anderen kann ein direkter paarweiser Vergleich durchgeführt werden, der gerade bei der Analyse von Polymeren, Copolymeren, Polymerblends oder auch Mikroplastik zielführender ist. Für jeden paarweisen Vergleich von zu untersuchenden Messungen gegen die Referenzproben in der Datenbank erhält man zum einen vier verschiedene Ähnlichkeitsindizes mit unterschiedlicher Aussagekraft (abhängig von der jeweiligen Fragestellung bzw. „Sicht“ auf die Daten); zum anderen werden weitere wichtige Informationen bereit gestellt:

  1. potenzielle Marker-Peaks (d. h. Peaks, die nur in einer Referenz bzw. Referenzen-Gruppe zu finden sind),
  2. jeweils nicht identifizierte Peaks und
  3. Peaks, die in mehreren Referenzproben zu finden sind („ambiguous peaks“) sowie
  4. signifikante Abweichungen der Peak-Flächen gegenüber der jeweils verglichenen Referenz (Messungen können hierfür in ChromIdent normiert werden).

Die erzeugten Pyrogramme aller hier getesteten Homopolymere unterscheiden sich signifikant voneinander, wodurch die entsprechende Authentifizierung keine Herausforderung darstellt. Man erhält jeweils eindeutig hohe Ähnlichkeitsindizes und zusätzlich eine Liste von Marker-Peaks, die jeweils eindeutig auf das entsprechende Polymer hinweisen.

Durch die hohe Empfindlichkeit der chromatographischen Trennung der Pyrolyseprodukte lassen sich nicht nur Polymere eindeutig voneinander unterscheiden, sondern es ist auch zu erwarten, dass gleiche Polymere unterschiedlicher Hersteller oder mit voneinander abweichender Additivzusammensetzung mit Hilfe von Chromident® differenziert werden können. So konnten z. B. drei verschiedene PCL-Produkte desselben Herstellers erfolgreich unterschieden werden.

Insbesondere wird es interessant, wenn man Fingerprints von z. B. Copolymeren mit der Homopolymer-Referenzdatenbank abgleicht. Der Abgleich styrolhaltiger Copolymere (SB, ABS, SEBS, ASA und SIS) resultiert je nach Probe in 4 – 28 Marker-Peaks, die eindeutig auf Polystyrol (PS) als Referenz hinweisen und somit Styrol als Komponente des jeweiligen Copolymers belegen. Bei dem Abgleich des Fingerprints des Polystyrol-Polybutadien Block-Copolymers (SB) gegen die Referenzen weisen 28 Marker-Peaks auf Polystyrol (PS) und 18 Marker-Peaks auf Polybutadien (BR) hin. Zusätzlich weisen hohe Ähnlichkeitsindizes (iSI = Intersection Similarity Index) von 96 bzw. 93 auf eine hohe Übereinstimmung mit den beiden Homopolymeren bezüglich der sich jeweils deckenden Peak-Muster hin.

Fazit
Wenn die Gaschromatographie für Fingerprint-Analysen in Erwägung gezogen wird, möchte man neben einer Klassifizierung bzw. Differenzierung von Proben auch zusätzlich die Vorteile der Chromatographie gegenüber der IR-, Raman- oder NMR-Spektroskopie nutzen: d. h. die Möglichkeit der Identifizierung der Einzelsubstanzen in komplexen Mischungen z. B. gegen Massenspektrenbibliotheken sowie die hohe Empfindlichkeit zur Detektion von Substanzen niedriger Konzentration. ChromIdent vereint diese Möglichkeiten und ist ideal zur Fingerprint-Analyse geeignet.

AUTOREN
Dr. Andreas Klingberg
Lablicate GmbH
andreas.klingberg@lablicate.com

Dr. Eike Kleine-Benne
Gerstel GmbH & Co. KG
ebenne@gerstel.com

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