Fachbeitrag

GPC/SEC

Kleinwinkel-Lichtstreuung in der GPC/SEC: So nahe an der Wahrheit wie ­möglich
Dr. Gerhard Heinzmann
Der Einsatz von Lichtstreudetektoren in der GPC/SEC ist seit vielen Jahren eine etablierte Methode zur Bestimmung von Molekulargewichten einer makromolekularen Probe. Das Bestechende an diesen Geräten ist für die meisten Anwender die Tatsache, dass das Molekulargewicht einer Probe direkt aus dem Detektorsignal eines Lichtstreudetektors bestimmt werden kann und eine aufwendige Säulenkalibrierung mit Polymerstandards oder Proteinstandards somit entfällt. Außerdem ist das mittels eines Lichtstreudetektors bestimmte Molekulargewicht einer Probe unabhängig vom Polymertyp und dessen Struktur.

Aus diesen Gründen werden Molekulargewichte, die über Lichtstreuung in der GPC/SEC bestimmt werden, oft fälsch­licherweise als absolute Werte bezeichnet. Tatsächlich müssen aber alle GPC/SEC-Lichtstreudetektoren kalibriert werden und der größte Teil der derzeit erhältlichen Lichtstreudetektoren bestimmen das Molekulargewicht einer Probe über eine Datenextrapolation oder eine Datenkorrektur. Sie sind somit weit entfernt von einer absoluten Messung. Im Folgenden wird die Theorie der Lichtstreuung näher betrachtet und es wird gezeigt, dass nur ein Kleinwinkel-Lichtstreudetektor ein Signal misst, welches direkt proportional zum Molekulargewicht einer Probe ist.

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Theorie der Lichtstreuung

Am Anfang steht die Beziehung zwischen der gemessenen Größe (Intensität der Lichtstreuung) und der daraus berechneten Größe (nach dem Gewicht gemitteltes Molekulargewicht einer Probe). Diese beiden Größen sind verbunden über die bekannte Rayleigh-Gleichung:

KC/R0 = 1/Mw + 2A2C

R0 ist das Rayleigh-Verhältnis bei einem Messwinkel Null.

Mw ist das nach dem Gewicht gemitteltes Molekulargewicht einer Probe.

C ist die Probenkonzentration.

K ist eine optische Konstante die auch den dn/dc-Wert enthält.

A2 ist der zweite Virialkoeffizient.

Für Lösungen mit geringer Probenkonzentration (beispielsweise typische GPC/SEC-Probenlösungen) kann der konzentrationsabhängige zweite Term vernachlässigt werden, wodurch sich die Gleichung in sehr viel einfacherer Weise darstellen lässt:

R0 = KCMw

Somit ergibt sich eine grundlegende Beziehung zwischen dem Lichtstreusignal und dem Molekulargewicht einer Probe.

Bild 1

Allerdings ist festzustellen, dass diese Gleichung von einer Lichtstreudetektion bei einem Winkel von Null Grad ausgeht. Da bei dieser Position aber der primäre Laserstrahl zu finden ist, ist eine solche Detektion bei einem Winkel von Null Grad physikalisch unmöglich, da nicht zwischen primärem Laserstrahl und gestreutem Licht unterschieden werden kann. Daher muss das von der Probe gestreute Licht bei einem anderen Winkel (größer als Null Grad) gemessen werden (Bild 1). Dies führt aber leider zu einer weitaus komplexeren Sicht der Dinge, da sich die Menge des von einer Probe gestreuten Lichtes sowohl mit dem Streuwinkel wie auch mit der Größe der untersuchten Moleküle verändert. Nur für sehr kleine Makromoleküle mit einem Trägheitsradius von weniger als 12 nm (zum Beispiel globuläre Proteine) kann diese Winkelabhängigkeit vernachlässigt werden. Für Moleküle, die einen signifikant größeren Radius haben, muss eine andere Lösung für dieses Problem gefunden werden [1].

Die Theorie sagt uns, dass es prinzipiell 3 Wege gibt, um dieses Problem zu lösen:

1. Mehrwinkel-Lichtstreuung (MALS = Multi Angle Light Scattering); man misst das gestreute Licht bei 2 oder mehr Winkeln und extrapoliert die Daten zurück auf den Winkel Null.

2. Rechtwinkel-Lichtstreuung/Viskosimetrie (RALS = Right Angle Light Scattering); man misst das gestreute Licht bei einem Winkel von 90° und verwendet die Viskositätsdaten, um auf einen Winkel von Null Grad zu korrigieren.

3. Kleinwinkel-Lichtstreuung (LALS = Low Angle Light Scattering); man misst das gestreute Licht bei einem Winkel, der so nahe wie möglich bei Null Grad liegt. In diesem Fall ist die Winkelabhängigkeit des gestreuten Lichtes so gering, dass sie vernachlässigt werden kann. Es ist weder eine Extrapolation noch eine Korrektur des gemessenen Wertes notwendig.

Hunderte von Instrumenten der ersten beiden Kategorien sind weltweit im Einsatz, allerdings misst keines dieser Instrumente das Molekulargewicht einer Probe direkt. Die Mehrwinkeltechnik basiert auf einer Extrapolation der Messdaten, während die reine Rechtwinkeltechnik im Fall von großen Molekülen auf eine Korrektur anhand von Viskositätsdaten zurückgreift.

Historisch gesehen wurde völlig zu recht immer schon die Kleinwinkeltechnik (LALS) als genaueste Methode zur Bestimmung von absoluten Molekulargewichten betrachtet, da nur diese Methode nach vorangegangener Gerätekalibrierung das Molekulargewicht einer Probe direkt bestimmt, ohne auf die Datenmanipulationen der ersten beiden Methoden (MALS und RALS/Viskosimetrie) zurückgreifen zu müssen.

Den Maßstab im Bereich der kommerziell erhältlichen Kleinwinkel-Lichtstreudetektoren setzte bislang das von der Firma Chromatix hergestellte DetektorModell KMX6. Dieses Gerät wurde von den späten 70er bis zu den späten 80er Jahren produziert. Leider wurde es nie weiterentwickelt, so dass in den gesamten 90er Jahren kein Kleinwinkeldetektor am Markt erhältlich war. 2001 kam dann der neue Kleinwinkeldetektor von Viscotek auf den Markt und ermöglichte es den GPC/SEC-Anwendern wiederum, absolute Molekulargewichte direkt zu bestimmen.

Warum die Mehrwinkeltechnik versagt

Alle verfügbaren Mehrwinkelgeräte basieren auf dem gleichen Prinzip der Messung des gestreuten Lichtes bei 2 oder mehr Messwinkeln und der anschließenden Extrapolation der Messdaten auf den Winkel Null. Dennoch denken viele Anwender dieser Geräte, sie würden absolute Molekulargewichte bestimmen. Dies ist nicht korrekt, denn alle diese Geräte müssen kalibriert und normalisiert werden, und die dann resultierenden Ergebnisse beruhen auf einer Extrapolation von Daten und eben nicht auf einer direkten Messung des gewünschten Wertes.

Und genau diese Extrapolation ist die fundamentale Schwäche der Mehrwinkeltechnik: Welchen mathematischen Fit benötige ich für meine Probe? Für kleine Moleküle mag eine lineare Extrapolation das beste Resultat ergeben, aber für größere Moleküle ergeben sich stark nichtlineare Winkelabhängigkeiten des Streulichtes [2], so dass das resultierende Molekulargewicht einer Probe stark von der verwendeten mathematischen Anpassung abhängt. Für breit verteilte Proben, die sowohl kleine wie auch große Moleküle enthalten, bedeutet dies, dass der gewählte mathematische Fit und somit auch das resultierende Ergebnis immer einen Kompromiss darstellt.

Das zweite Problem der Mehrwinkeltechnik, das in Verbindung steht mit dem oben beschriebenen Problem, ist das Fehlen von Messdaten in der wichtigen Region nahe dem Winkel von Null Grad. Dies ist auf das Design der Messzellen von Mehrwinkelgeräten zurückzuführen, welche auf die gleichzeitige Messung vieler Winkel ausgelegt und somit aus optischen Gründen nicht geeignet sind, hochwertige Signale bei kleinen Messwinkeln zu erfassen. Diese Tatsache erschwert die exakte Molekulargewichtsbestimmung wesentlich, da die Genauigkeit der Datenextrapolation (die Güte der mathematischen Anpassung) sehr stark davon abhängt, wie nahe der kleinste gemessene Winkel bei Null Grad liegt und eben auch wie gut die Qualität dieses Messsignals ist [3].

Diese Fakten belegen, dass die allgemein bekannten Aussage „je mehr Messwinkel um so besser das Ergebnis“ so nicht stimmt, sondern dass „je kleiner der gemessene Winkel, um so präziser das Ergebnis“ die korrekte Aussage ist, wenn man Lichtstreuexperimente durchführt.

Bild 2

Der neue Kleinwinkeldetektor

Die neue Kleinwinkeltechnik von Viscotek vermeidet jegliche Datenextrapolation oder Datenanpassung, indem sie das von der Probe gestreute Licht so nahe beim Winkel von Null Grad misst wie möglich, was konkret einen Messwinkel von 7° bedeutet. Bild 2 zeigt schematisch den Aufbau des neuen Kleinwinkel-Detektors. Das neue optische Design ermöglicht eine klare Trennung von primärem Laserstrahl und Streulicht [4]. Somit kann das bei einem Winkel von nur 7° gestreute Licht mit einer exzellenten Signalqualität und einem hervorragenden Signal/Rausch-Verhältnis gemessen werden.

Bild 3

Bild 3 zeigt einen Vergleich der Messsignale für den Rechtwinkeldetektor und den Kleinwinkeldetektor. Im Fall der in Bild 3a dargestellten Messung einer niedermolekularen Polyethylenoxid-Probe (PEO) zeigen beide Winkel das gleiche Signal, da bei der geringen Größe dieser Probe keine Winkelabhängigkeit des Streulichtes zu beobachten ist. Aus diesen Chromatogrammen kann allerdings ein guter Vergleich des Signal/Rausch-Verhaltens beider Messwinkel abgelesen werden. Es zeigt sich, dass der Kleinwinkeldetektor im Vergleich zum aus optischen Gründen stets optimalen Rechtwinkeldetektor ein hervorragendes Signal/Rausch-Verhältnis aufweist.

Die wirkliche Stärke der direkten Streulichtmessung über einen Kleinwinkeldetektor (LALS) zeigt sich vor allem dann, wenn sehr hochmolekulare und/oder kettensteife Makromoleküle wie zum Beispiel Polysaccharide analysiert werden. Diese Art von Molekülen zeigt eine sehr ausgeprägte Winkelabhängigkeit des Streulichtes (siehe Bild 3b) und ist daher mit einem reinen Rechtwinkeldetektor und auch mit Mehrwinkeldetektion nicht zuverlässig bestimmbar. Nur eine direkte Messung des Streulichtes bei einem Winkel von nur 7° führt zu einem exakten und reproduzierbaren Ergebnis, ohne dass die gemessenen Daten über eine weiten Bereich extrapoliert werden müssen.

Bild 4 zeigt nochmals deutlich die Winkelabhängigkeit des Streulichtes für verschiedene Messwinkel (logarithmisch aufgetragen gegen das Molekulargewicht von Polystyrol) [5]. Es ist offensichtlich, dass nur der kleinste Winkel auch im hochmolekularen Bereich noch zuverlässige Daten liefert. Bei allen anderen Winkeln ist eine signifikante Abweichung vom absoluten Wert zu erkennen.

Bild 4

Zusammenfassung

Die erneute Verfügbarkeit eines modernen Kleinwinkel-Lichtstreudetektors ermöglicht es den GPC/SEC-Anwendern, Molekulargewichte von makromolekularen Proben wieder zuverlässig bestimmen zu können. Der Kleinwinkel-Lichtstreudetektor vermeidet jegliche Notwendigkeit der Datenextrapolation bzw. der Datenanpassung. Aufgrund seiner kompakten Größe kann der neue Kleinwinkel-Lichtstreudetektor auch in Mehrfachdetektionssysteme integriert werden, womit bei gleichzeitiger Verwendung beispielsweise eines Viskositätsdetektors [6] simultan die Molekulargewichte wie auch die molekularen Strukturen von Makromolekülen (Größen, Verzeigungsgrade) bestimmt werden können [7,8].

Literatur

[1] GPC MasterClassTM, Viscotek (1998–2003).

[2] S. Mori, H.G. Barth: Size Exclusion Chromatography, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg (1999).

[3] M. Anderson, K.G. Wahlund and B. Wittgren: Separation and ­Characterisation of Natural and Synthetic Macromolecules, ­Amsterdam, Februar 2003.

[4] M. Haney and D. Stone, Waters Int. GPC Symposium, 2000.

[5] M. Haney, Separation and Characterisation of Natural and Synthetic Macromolecules, Amsterdam, Februar 2003.

[6] Triple Detector Array (TDA) product brochure, Viscotek (2001-2003).

[7] R. Walkenhorst, LC-GC Europe, 14 (10), 2001.

[8] P. Clarke, LC-GC Europe Applications Book, September 2002, 37–39.

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