Über Trennmechanismen und Extraktionsmethoden
Mehr Effizienz in der Probenvorbereitung
Der erste Schritt der Probenaufarbeitung beginnt meist mit der Extraktion der zu untersuchenden Substanzen. Zum einen ist es notwendig, dabei die Bedingungen so zu gestalten, dass die Ablösung und der Transport der Zielanalyten aus der Matrix in das Extraktionsmittel möglichst vollständig sind. Andererseits sollte die dafür aufgewendete „Extraktions-Stärke“ (Polarität des Lösungsmittels, Temperatur, Druck etc.) gerade noch dafür ausreichen, damit nicht gleichzeitig unnötig viele, störende Matrixbestandteile ebenfalls im Extrakt landen, die dann wieder mühsam „herausgereinigt“ werden müssen. Wunschvorstellung wäre eine selektive Extraktion, welche ausschließlich die interessierenden Komponenten erfasst, und das vollständig. Die Praxis sieht jedoch oft anders aus, denn bei quantitativen Analysen hat eine möglichst vollständige Extraktion der Zielanalyten Vorrang.
„Optimierte“ Polarität und automatisierte Extraktion
Für die Extraktion fester Proben werden immer häufiger automatisierbare Techniken eingesetzt, deren „Extraktions-Stärke“ im Sinne von Polarität und Energieeintrag gut abgestuft werden kann.
Themen im Artikel
Die Supercritical Fluid Extraction (SFE) ist ein schonendes Verfahren, das überkritisches Kohlendioxid verwendet, dessen Dichte und Eigenschaften über Temperatur und Druck eingestellt werden. Überkritisches CO2 ist genauso dicht wie eine Flüssigkeit, hat aber eine Gas-ähnliche Viskosität. Wenn die Polarität nicht ausreicht, kann mit wenigen Prozenten eines organischen Lösungsmittels (als Modifier) erhöht werden.
Ausschließlich mit organischen Lösungsmitteln, aber ebenfalls mit Unterstützung durch Temperatur und Druck, beschleunigt die Pressurized Liquid Extraction (PLE) das Ab- und Herauslösen der Zielanalyten aus der Matrix. Die Methode ist auch bekannt unter dem Namen Accelerated Solvent Extraction (ASE) (Bild 1). Dasselbe Ziel verfolgen die Techniken Microwave Assisted Extraction (MAE) und Ultrasonic Assisted Extraction (UAE), welche den Eintrag von Energie mittels Mikrowellen bzw. Ultraschall regeln.
Dampfphase vorteilhaft nutzen
Im Idealfall kann die Extraktion gleich mit einer effizienten Matrix-Abtrennung kombiniert werden. Besonders elegant schafft das die Dampfraumanalyse (Headspace-Analyse) zur Bestimmung der Konzentration flüchtiger Stoffe im Dampf oberhalb einer meist wässrigen Flüssigkeit. Das Prinzip der statischen Headspace-Analysemethode beruht darauf, dass der Partialdruck eines Stoffes im Dampf proportional zur Konzentration des Stoffes in der Lösung ist. Es wird hauptsächlich für Geschmacks-, Geruchs- und Aromastoffe, aber auch zur Bestimmung leichtflüchtiger Schadstoffe in der Umweltanalytik und bei der Blutalkoholbestimmung eingesetzt. Als Analysenmethode wird dabei fast immer die GC verwendet.
Bei der dynamischen Headspace-Methode wird ein Inertgas über einen bestimmten Zeitraum durch die Probe bzw. dessen Dampfraum (Bild 2, Pkt. 2) geleitet, der die Gleichgewichtseinstellung zwischen Probe und Gasphase stört. So kann ein größerer Teil der flüchtigen Verbindungen in die Gasphase gebracht und im Vergleich zur statischen Headspace-Mehode die Nachweisempfindlichkeit verbessert werden.
Eng verwandt dazu ist die sog. „Purge and Trap“-Methode, welche die dynamische Headspace-Technik übertrifft mit dem Ziel, die flüchtigen Substanzen möglichst vollständig auszutreiben. Beim Purge-Schritt wird die Probe (Flüssigkeiten, teilweise auch Feststoffe) eine bestimmte Zeit vom inerten Strip-Gas durchströmt. Wie bei der dynamischen Headspace-Methode müssen die flüchtigen Verbindungen sofort an einem geeigneten Adsorbermaterial (Bild 2, Pkt. 2 oben) oder in einer Kältefalle (Trap) gesammelt werden. Die dabei stattfindende Anreicherung und damit Empfindlichkeitssteigerung rechtfertigen den Zusatzaufwand.
Schließlich wird die Trap (Adsorber, Falle) meist in einem sog. Thermodesorber (Bild 2, Pkt. 4) sehr schnell aufgeheizt, damit die Analyten schlagartig freigesetzt werden und in einer schmalen Startbande auf die GC-Säule gelangen. Der Trap-Vorgang kann auch genutzt werden, um z. B. Luft-Schadstoffe direkt durch die Adsorberröhrchen zu saugen oder mittels Diffusion eine passive Probensammlung durchzuführen (z. B. zur Kontrolle, ob MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) bestimmter Stoffe nicht überschritten werden).
Der größte Vorteil von Headspace, Purge and Trap bzw. Thermodesorption ist, dass nur flüchtige Komponenten übertragen werden. Eine Störung durch Matrixkomponenten ist damit minimiert, und die GC wird geschont. Zudem lassen sich diese Techniken hervorragend automatisieren.
Fortschrittliche Weiterentwicklungen
Kann die Flüchtigkeit der Zielanalyten nicht als Differenzierungskriterium genützt werden, müssen andere Eigenschaften, wie die Polarität etc., zur Diskriminierung der Matrix herangezogen werden. Die folgenden Verfahren können sowohl für die direkte Extraktion aus Wasser oder Flüssigproben verwendet werden, kommen aber auch bei Rohextrakten von festen Proben zum Einsatz. Dafür muss das Extraktionsmittel im Bedarfsfall noch an die Erfordernisse des Trennmechanismus angepasst werden (z. B. durch Verdünnen mit Wasser, Puffer etc.).
Auf breiter Linie durchgesetzt hat sich die Festphasen-Extraktion (Solid Phase Extraction SPE) mit einem breiten „Angebot“ an Polaritäten und funktionellen Gruppen. Eine deutliche Miniaturisierung gelang mit der Festphasen-Mikroextraktion (Solid Phase Micro Extraction SPME), bei der nur eine Faser aus Glas oder Metall in die Flüssigkeit eintaucht. Diese ist an der Oberfläche mit einem Polymer beschichtet, das die passenden Extraktionseigenschaften hat. Bild 3 zeigt links den Querschnitt einer PDMS-DVB (Polydimethylsiloxan-Divinylbenol)-Faser in 275-facher Vergrößerung. Die absorbierende, polymere Phase ist eine Suspension von DVB-Partikeln (3 - 5 µm) in PDMS, die auf ein Trägermaterial („Fused-Silca/Stableflex“), das den Kern der Faser bildet, geschichtet wurden. Beim Rühren der Probe stellt sich ein Verteilungsgleichgewicht zwischen den in der wässrigen Probe gelösten und den in der stationären Polymerphase absorbierten Analytmolekülen ein (Bild 3 rechts).
Oft kann die Faser in eine Art GC-Spitzennadel zurückgezogen werden, mit der sie dann – in einen heißen GC-Injektor eingeführt – mittels thermischer Desorption die Zielanalyten freigibt.
Mit speziellen Sonderformen bzw. Weiterentwicklungen wie Stir Bar Sorptive Extraction (SBSE), Twister Back Extraction (TBE) oder Membrane Assisted Solvent Extraction (MASE) wurden weitere Schritte in Richtung Miniaturisierung gegangen, was auch die angestrebte Automatisierung begünstigt.
Online-Automatisierung – „selbst und ständig“
Eine der wichtigsten Entwicklungen auf diesem Gebiet ist eine weitgehende Online-Einbindung der Probenvorbereitung in den automatisierten Workflow direkt vor der Chromatographie. Gelingt es, eine Offline-Probenvorbereitung als Online-Instrumentierung praxisgerecht mit dem Autosampler zu vereinen, so werden damit Verluste von Probenmaterial, die oft nur in sehr geringen Mengen zur Verfügung stehen, vermieden. Das ist auch oft Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von (teuren) isotopenmarkierten Analogen der Zielanalyten. Als ideale interne Standards sollten sie schon bei der Probenvorbereitung zudosiert werden, damit sie eventuell auftretende Verlustraten zwischen Extraktion und Detektion bestmöglich kompensieren können. Das ist aber nur dann wirtschaftlich realisierbar, wenn die Aufarbeitungsverluste so gering als möglich gehalten werden können. Und das gelingt am besten mit einer vollständig automatisierten Online-Kopplung der Probenvorbereitung mit der GC-MS/MS bzw. LC-MS/MS.
Auch in der klassischen Flüssig/Flüssig-Extraktion kann die Verbrauchsmenge Lösungsmitteln durch Miniaturisierung deutlich reduziert werden. Mit der Mikro-Flüssig/Flüssig-Extraktion (Micro Liquid-Liquid Extraction, MLLE) kann darüber hinaus die Gesundheitsbelastung für die Laboranten und Laborantinnen reduziert, und es können Zeit und Kosten eingespart werden. Die Vorgänge im Mikrotechnik-Maßstab spielen sich z. B. in einem 2-ml-Autosampler-Fläschchen ab und können von geeigneten Autosamplern vollkommen selbstständig abgearbeitet werden. Es ist sinnvoll, die MLLE mit der sog. Large Volume Injektion (LVI) der modernen GC zu kombinieren, bei der sich z. B. 50 – 100 µl in einen PTV-Injektor (Programmed Temperature Vaporizer) injizieren lassen. Die Steigerung des Injektionsvolumens auf das Hundertfache macht es möglich, vorher das aufzuarbeitende Probenvolumen um denselben Faktor zu verringern. Bei Flüssigproben ist die Homogenität dafür auch kein Hinderungsgrund.
Molekülgröße entscheidet Trennvorgang
Ein völliger anderer Ansatz muss zum Abtrennen fetthaltiger Matrix von unpolaren Zielanalyten gewählt werden. Fette und Öle bestehen aus Triglyceriden, die relativ große Moleküle bilden, während viele Schadstoffe wesentlich kleiner sind. Für solche Trennungen wurde die Größenausschluss-Chromatographie (SEC: Size Exclusion Chromatographie) entwickelt. Sie wird bei Verwendung organischer Eluenten als GPC (Gel-Permeations-Chromatographie) bezeichnet. Die stationäre Phase besteht bei der GPC üblicherweise aus einem Styrol-Divinylbenzol-Copolymer, das in einem organischen Laufmittel aufquillt. Die Kunststoffkügelchen besitzen die Eigenschaft, innerhalb ihrer porösen Struktur kleine Zielmoleküle stärker zurückzuhalten als große, da der Stoffaustausch zwischen mobiler Phase und den Poren nur mittels Diffusion stattfindet (Bild 4a). Dadurch passieren höhermolekulare Substanzen (Triglyceride, Wachse, Harze etc.), welche nicht in die Poren eindringen können, die Säule schneller und werden in der sog. „Abfall“-Fraktion verworfen (A in Bildern 4a und 4b).
Im darauffolgenden Volumen, der sog. „Sammeln“-Fraktion, eluieren die Zielkomponenten, die auf Grund ihres hydrodynamisch kleineren Volumens unterschiedlich tief in die Porenstruktur eindringen (B und C). Nachfolgende Verunreinigungen eluieren in der sog. „Spülen“-Fraktion, die zur Einsparung von Zeit und Lösungsmittel zugleich „Abfall“-Fraktion der nächsten Probe ist. Das heißt, nach vollständiger Sammlung der Zielanalyten wird die nächste Probe (n + 1) aufgegeben und deren „Abfall“-Zeit mit der aktuellen „Spülen“-Periode (n) überlappt (Bild 4b).
Beim Trennvorgang handelt es sich nicht immer nur um reine Größenausschluss-Effekte, zu einem gewissen Anteil können auch affinitätschromatographische Vorgänge involviert sein. Während die Elution aliphatischer Komponenten primär durch den Ausschlussmechanismus kontrolliert wird, spielt die Affinitätschromatographie bei Aromaten eine größere Rolle. Die Interaktion mehrkerniger Aromaten, wie z. B. bei der Schadstoff-Gruppe der PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), mit der stationären Phase nimmt mit der Ringanzahl zu. Diese Wechselwirkung der Analyten mit dem Polymer wird umso mehr unterdrückt, als die mobile Phase selbst mit der stationären interagiert.
Lösungsmittel wie Cyclopentan und Ethylacetat zeigen nur eine geringe Affinität zur stationären Phase, während diese bei Dichlormethan und besonders bei Toluol deutlicher ausgeprägt ist. Mit n-Hexan z. B., das keine Affinität zur stationären Phase zeigt, hingegen ist der maximale Effekt der Analyt-Polymer-Wechselwirkung möglich. Während das Polymer-Gel in Dichlormethan am stärksten aufquillt, führen Cyclopentan-Ethylacetat-Mischungen zu einem geringeren Aufquellen der stationären Phase. Geringe Quellung bedeutet größere Poren, welche wiederum die Ausschlussgrenze in Richtung größere Moleküle verschieben. Die Diskriminierung mittelgroßer Analyten kann damit reduziert werden.
AUTOR
Wolfgang Brodacz
AGES Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
Lebensmittelsicherheit Linz