SpurenanalytikGut gelüftet dank künstlichem Sinnesorgan
Ein Sensorsystem, das kleinste Spuren von Luftschadstoffen zuverlässig aufspürt, haben Messtechniker der Universität des Saarlandes mit internationalen Partnern im Projekt „SENSIndoor“ entwickelt. Das kostengünstige System ermöglicht, Gebäude automatisch zu lüften, wenn die Schadstoffkonzentration zu hoch ist, und halbiert zugleich den Energieverbrauch des Gebäudes. Jetzt gewannen die Forscher hiermit den „Nanofy! Awarding the Best of the Best“-Wettbewerb beim EuroNanoForum 2017 auf Malta: Hélène Chraye, Abteilungsleiterin für innovative Materialien und Nanotechnologien der Europäischen Kommission, überreichte den Preis in Valetta an Projektkoordinator Professor Andreas Schütze.

Anreicherung flüchtiger Verbindungen in Innenräumen
In Innenräumen herrscht bei geschlossenen Fenstern schnell dicke Luft. Nicht nur, dass die Luft verbraucht und mit zu viel Kohlendioxid angereichert sein kann, was die Insassen müde und unkonzentriert macht. Auch Möbel, Kleber, Lacke dünsten mitunter Schadstoffe aus, die die Hausbewohner mit der Atemluft inhalieren. Für menschliche Nasen kann das völlig unbemerkt vor sich gehen. Denn schlecht riechen muss schlechte Luft nicht. „Flüchtige organische Verbindungen wie Formaldehyd, Benzol oder Naphthalin dünsten aus Möbeln, Teppichböden, Wandfarben oder Lacken aus und reichern sich in Innenräumen an. Auch gesundheitsschädliche Konzentrationen sind für den Menschen geruchlos“, sagt Professor Andreas Schütze, Gassensor-Experte an der Universität des Saarlandes.
Ausgeklügeltes System misst und lüftet
Zusammen mit der Firma 3S GmbH, die sich vor Jahren aus seinem Lehrstuhl heraus gegründet hat, entwickelte der Messtechniker zusammen mit internationalen Partnern aus Forschung und Wirtschaft im EU-geförderten Projekt „SENSIndoor“ Sensorsysteme für Luftschadstoffe. Sie sollen in Zukunft in Innenräumen rund um die Uhr gleichbleibend für gute Luftqualität sorgen. „Wenn die Luft im Raum zu schlecht wird, die Sensoren also Schadstoff-Konzentrationen messen, die bestimmte Grenzwerte übersteigen, sorgt eine ausgeklügelte Lüftungstechnik über die Klimaanlage automatisch für Frischluft“, erläutert Schütze.
Dadurch, dass das Sensorsystem gezieltes Lüften möglich macht, kann der Energieverbrauch von Gebäuden nach den Erkenntnissen der Forscher halbiert werden. „Dies ist auch aus Klima- und Umweltschutzgründen interessant“, sagt er. „Wir erforschen verschiedene Nutzungsszenarien etwa in Schulen, Büroräumen oder Privathaushalten. Ziel ist, das System so fortzuentwickeln, dass es sich genau an bestimmte Einsatzgebiete anpassen kann und die Lüftung optimal auf die jeweilige Nutzung abstimmt. Zum Beispiel, indem es Büroräume automatisch kurz vor der anberaumten Besprechung, oder Schulräume vor Unterrichtsbeginn lüftet“, erläutert der Gassensor-Experte.
Messen verschiedenster Analyten
Die Sensoren erfassen alle Arten von Gasen – von Kohlenmonoxid bis hin zu krebserregenden organischen Verbindungen – und bestimmen ihre Konzentrationen. Auch kleinste Spuren entgehen den hochempfindlichen künstlichen Sinnesorganen nicht. Sie sammeln über einen bestimmten Zeitraum Moleküle und messen anschließend deren Menge. „Unter einer Milliarde Luftmolekülen können wir so einzelne giftige Moleküle aufspüren. Hierzu entwickeln wir die zum Einsatz kommenden Halbleiter-Gassensoren auf Metalloxid-Basis und so genannte gassensitive Feldeffektsensoren mit unseren Projektpartnern so weiter, dass die Nachweisgrenze immer weiter reduziert wird“, erläutert Dr. Tilman Sauerwald, Mitarbeiter von Professor Schütze.
Der jetzt vergebene Preis war anlässlich des EuroNanoForums 2017 ausgeschrieben worden. Beteiligen konnten sich alle EU-Forschungsprojekte, die im siebten Forschungsrahmenprogramm und im Rahmen von Horizon 2020 gefördert werden.
Die Ingenieure der 3S GmbH führen die in SENSIndoor entwickelte Technologie aktuell zur vollständigen Marktreife. Hierzu suchen sie Kooperationspartner für verschiedene Produktentwicklungen.
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