Bakterien in Umwelt- und Industriewässern bestimmen

Aufkonzentrieren für die Analytik

Am Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme in Mainz wird ein Konzentrierungssystem für die Überwachung der Wasserqualität in Bezug auf Bakterien entwickelt. Einen ersten Prototyp haben die Forschenden für den Legionellennachweis konzipiert. Die weitere Entwicklung zielt auf ein System, das auch in industriellen Prozessen zur Kontrolle verschiedener Mikroorganismen in Wässern eingesetzt werden kann.

Durch Wasser übertragene Krankheiten verursachen weltweit 2,2 Millionen Todesfälle und einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden von fast 12 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Ein allgemein bekanntes Beispiel ist die „Legionärskrankheit“. Sie wird durch Legionellen, eine Bakterienart, verursacht, die häufig in Kühltürmen von Krankenhäusern, Industrieanlagen oder Geschäfts- und Wohngebäuden vorkommen, wo sie sich besonders gut vermehren und über Aerosole schnell verbreiten können (Brigmon et al., 2020; Paschke et al., 2019). In Deutschland meldete beispielsweise das Robert-Koch-Institut für das Jahr 2020 1.281 Fälle der Legionärskrankheit, während die tatsächliche Zahl der Fälle schätzungsweise um das 20- bis 30-Fache höher liegt (Robert-Koch-Institut, 2021). Daher ist die frühzeitige Erkennung und Identifizierung von durch Wasser übertragenen Mikroben aus Umwelt- und Industriewässern von entscheidender Bedeutung, um die Unbedenklichkeit des Wassers zu gewährleisten und durch Wasser übertragene Krankheiten zu verhindern (Deshmukh et al., 2016).

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Kulturbasierte Methoden sind der Goldstandard für die Entdeckung und Identifizierung von Bakterien. Diese Verfahren erfordern jedoch in der Regel den Transport der Probe in ein Labor und langfristige Testprotokolle (Zeitbedarf für Legionellentests z. B. ca. zehn Tage). Und mit diesen Methoden können lebensfähige, aber nicht kultivierbare Bakterien nicht nachgewiesen werden, weshalb sie für einen schnellen und genauen Nachweis ungeeignet sind. Alternativ dazu ermöglichen molekulare Nachweismethoden den Nachweis und die Identifizierung von Mikroorganismen innerhalb weniger Stunden, unabhängig von deren Kultivierbarkeit. Die quantitative Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) ist ein bewährtes molekulares Laboranalyseverfahren zum Nachweis von Mikroorganismen durch Vervielfältigung spezifischer DNA-Abschnitte und entwickelt sich zum industriellen Standard für den Nachweis von Mikroorganismen. Darüber hinaus haben viele Studien und Arbeiten im Bereich der Diagnostik gezeigt, dass PCR-Reaktionen in vollautomatischen, mikrofluidischen Systemen mit äußerst geringem Reagenzienverbrauch durchgeführt werden können und somit prinzipiell zu industriellen Anforderungen passen.

Bei der Verwendung von PCR-Methoden für die Wasseranalyse ist es jedoch zwingend erforderlich, zuvor ein Reinigungs- und Konzentrierungsverfahren durchzuführen, um unerwünschte, störende Komponenten weitestgehend zu entfernen und damit die erforderliche Nachweis-(und Quantifizierungs-)Grenze der vorhandenen Mikroorganismen erreicht wird. Diese Probenvorbereitung, die hauptsächlich auf eine Vorreinigung und Aufkonzentrierung von Krankheitserregern in Wasserproben abzielt, wird (noch) in manuellen oder halbmanuellen Verfahren in Laboren durchgeführt.

Wasserkontrolle am Point-of-Use

Unter Point-of-Use Technologien werden Lösungen verstanden, bei denen die Bearbeitung einer Aufgabenstellung nicht mehr zentral in spezialisierten Einrichtungen erfolgt, sondern direkt vor Ort. Im Zusammenhang mit der Wasseranalyse ist damit der Ort gemeint, an dem die Verunreinigung des Wassers festgestellt werden muss, z. B. im Umwelt- oder Industrie-Wasserkreislauf. Der bakterielle Nachweis am Point-of-Use bietet mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Labormethoden, da er den erforderlichen Transport der Probe und den manuellen Arbeitsablauf vereinfacht und es möglich macht, dass kein Fachpersonal für die Analyse gebraucht wird. Gleichzeitig sollten Point-of-Use-Geräte vollautomatisch, kompakt, tragbar und robust sein.

Bakterien für die Analytik aufkonzentieren

Das Fraunhofer IMM entwickelt ein miniaturisiertes Point-of-Use-Gerät namens „InBaDtec“, das auf die vollautomatische Aufbereitung von Wasserproben vor der Verwendung der qPCR-Analyse abzielt und den direkten Vor-Ort-Nachweis von Krankheitserregern aus großen Wasserprobenmengen (ein Liter oder mehr) ermöglichen soll.

Bild 2: Teil des Aufbaus der Konzentrierungsvorrichtung, die am Fraunhofer IMM entwickelt wird. Zentraler Bestandteil ist ein mikrofluidischer Chip, der für die Aufkonzentration von 10 ml Bakteriensuspension auf 200 µl PCR-geeignetes Wasser verwendet wird. © Fraunhofer IMM

Unter den verschiedenen Techniken zur Aufkonzentration von Bakterien aus großen Volumina ist die Mikrofiltration vergleichsweise einfach und schnell (El Boujnouni et al., 2022). Daher wurde „InBaDtec“ auf der Grundlage standardmäßiger und bereits etablierter Methoden der Mikrofiltration für die Bakterienkonzentrierung entwickelt. Dabei wird der Konzentrierungsprozess unter Anwendung einer integrierten Mikrofluidik-Technologie (s. Bild 2) in zwei Schritten durchgeführt, wobei zunächst die Bakterien in der 1-l-Probe in 10 ml und dann final in 200 µl Flüssigkeit aufkonzentriert werden (also ein Konzentrierungsfaktor von 5 000 : 1). Das „InBaDtec“-System selbst ist vollständig reinigbar und wiederverwendbar. Das einzige Verbrauchsmaterial sind einsetzbare Filtermembranen aus Kunststoff.

Validierung des Verfahrens

Derzeit wird das Konzentrierungsverfahren am IMM experimentell validiert, wobei ein Liter Reinstwasser mit einer bekannten Anzahl von E. coli-Erregern (einem Indikator für fäkale Verunreinigung und ein allgemeiner Indikator für die Wasserqualität) versetzt wird. Die vorläufigen qPCR-Ergebnisse des Validierungsverfahrens mit solchen Wasserproben zeigen, dass mindestens 1/5 der in einem Liter vorhandenen Zielbakterien in 200 µl angereichert werden können, wie in Bild 1 dargestellt. Dies führt zu einer Erhöhung des Detektionslimits der qPCR um den Faktor 1 000 im Vergleich zu einem Verfahren ohne Anreicherung. Wenn man davon ausgeht, dass die unterste Detektionsgrenze einer qPCR bei einer genomischen Einheit pro Reaktion (Probenvolumen: 25 µl) liegt und die Effizienz der DNA-Extraktion in Form von Lyse und Aufreinigung bis zu 100 % erreichen kann, bedeutet dies, dass mit dem Konzentrierungssystem theoretisch ein Detektionslimit von 40 genomischen Einheiten pro Liter erreicht werden kann.

Bild 1: Die 1-l-Wasserprobe wird für den Bakteriennachweis auf 200 µl (im Reaktionsgefäß rechts) aufkonzentriert. © Fraunhofer IMM

Mit dem am IMM entwickelten System können bakterienhaltige Wasserproben von einem Liter Volumen in weniger als zehn Minuten vollautomatisch auf 200 µl konzentriert werden. Für solche Wasserkontrollen, bei denen eine längere Verarbeitungszeit unproblematisch ist, können auch größere Eingangsvolumina (z. B. zwei oder sogar zehn Liter) für das Konzentrierungssystem verwendet werden, wodurch das Detektionslimit weiter verbessert werden könnte.

Mögliche Einsatzbereiche

Bild 3: Mögliche Anwendungsszenarien des Systems „InBaDtec“: (a) Wasseranalyse im Labor; (b) Wasseranalyse am Point-of-Use; (c) Online-Wasseranalyse. © Fraunhofer IMM

Derzeit funktioniert der Prototyp für das Konzentrierungssystem als eigenständiges Gerät, bei dem Druckbehälter und eine Pumpe für eine einfache Probenbeladung mit Steuerung und Kontrolle des Wasserstroms verwendet werden. Dieser Ansatz ist vor allem in Laborumgebungen nützlich, in denen ein einfacher Zugang zu gängigen wissenschaftlichen Instrumenten und eine direkte Analyse der Proben, z. B. mit einem herkömmlichen qPCR-Instrument, möglich ist (Bild 3 [a]).

Durch die Verwendung integrierter und miniaturisierter Techniken könnte das System auch mit dem bereits etablierten mikrofluidischen qPCR-System des IMM kombiniert werden, um eine direkte Detektion im Anschluss an die Bakterien-Aufkonzentration zu ermöglichen. Solch ein System könnte in Zukunft für Point-of-Use-Anwendungen eingesetzt werden, bei denen eine schnelle bakterielle Erkennung erforderlich ist (Bild 3 [b]).

Darüber hinaus ist es auch möglich, das Konzentrierungs-/Detektionsgerät direkt in ein Wasserverteilungsnetz über fluidische Verbindungen und Ventile für die Online-Detektion zu integrieren, was eine kontinuierliche Wasserüberwachung ermöglichen würde (Bild 3 [c]). Ziel des Fraunhofer IMM ist es, einen voll funktionsfähigen und serientauglichen Prototyp zu entwickeln, der in Zukunft von einem Drittanbieter zur Unterstützung der Wasseranalyse hergestellt und vermarktet werden kann. Trotz der anfänglichen Fokussierung auf den Nachweis von Legionellen in Kühlwasser könnte das „InBaDtec“-System in Zukunft leicht für ein breites Spektrum industrieller Anwendungen angepasst werden: beispielsweise für den Nachweis von Mikroorganismen in Warmwasser, Pools, Schwimmbädern und Trinkwasser oder in der Prozesskontrolle in verschiedenen industriellen Bereichen wie der Pharmaproduk- tion, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie oder zur Überwachung von Bioreaktoren und anderen biologischen Prozessen.

Dieses Projekt („InBaDtec“) wird vollständig durch das Fraunhofer-Attract-Programm finanziert.

Literatur

Brigmon, R. L., Turick, C. E., Knox, A. S. & Burckhalter, C. E. (2020). The Impact of Storms on Legionella pneumophila in Cooling Tower Water, Implications for Human Health. Frontiers in microbiology, 11, 543589. https://doi.org/10.3389/fmicb.2020.543589

Deshmukh, R. A., Joshi, K., Bhand, S. & Roy, U. (2016). Recent developments in detection and enumeration of waterborne bacteria: a retrospective minireview. Microbiol-ogyOpen, 5(6), 901–922. https://doi.org/10.1002/mbo3.383

El Boujnouni, H., Nait Balla, K., Belkadi, B. & Rahouti, M. (2022). Comparison between the recovery rate of three concentration protocols of water samples intended for analysis by Molecular Biology: Membrane filtration, filtration on gauze pad and centrifugation. Saudi journal of biological sciences, 29(3), 1592–1597. https://doi.org/10.1016/j.sjbs.2021.11.004

Paschke, A., Schaible, U. E. & Hein, W. (2019). Legionella transmission through cooling towers: towards better control and research of a neglected pathogen. The Lancet Respiratory Medicine, 7(5), 378–380. https://doi.org/10.1016/S2213-2600(19)30041-4

Robert Koch-Institut; Epidemiologisches Bulletin 42/2021; Legionärskrankheit in Deutschland – 2010 bis 2020: Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health (ISSN 2569-5266); 21. Oktober 2021; http://www.rki.de

AUTOREN

Luís Real Carreira, Anna Lena Maisch, Knut Welzel, Dr. Michael Baßler, Dr. Sisi Li
Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM, Mainz
Tel.: 06131/990-0
info@imm.fraunhofer.de
www.imm.fraunhofer.de

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