Fachbeitrag
Genetischer Fingerabdruck für Medikamente
Franz Bockhorni*), Dr. Stefan Schuberth**)
- Leiter Europäisches Key Account Management, Movianto GmbH, Neckartalstraße 155, 70376 Stuttgart, http://www.movianto.com.
- Leiter Forschung & Entwicklung DNA-Technologie, identif GmbH, Ulrich-Schalk-Straße 3, 91056 Erlangen, http://www.identif.de.
Bislang ist die Gefahr in Deutschland und Westeuropa über den legalen Handel in Apotheken an ein gefälschtes Medikament zu gelangen, sehr gering. WHO und Bundesgesundheitsministerium schätzen die Wahrscheinlichkeit übereinstimmend auf unter 1 %. Medikamentenfälschungen tauchen am häufigsten in den Ländern der dritten Welt auf, jedoch auch zunehmend bei illegalen Internetanbietern.
Für Pharmahersteller gilt, sich und ihre Kunden vor Plagiaten zu schützen – ihre Produkte also dahingehend sicher zu machen, dass diese sich als Originale ausweisen lassen. Diverse Produktschutztechniken bieten hier unterschiedliche Grade von Fälschungssicherheit. Während sich beispielsweise Barcodes leicht nachahmen lassen, sind Markierungen mit UV-/IR-Farbstoffen und -Pigmenten, wie sie auch auf Geldscheinen und Briefmarken zu finden sind, schon deutlich schwieriger zu kopieren. Hologramme sind zwar optisch attraktiv, jedoch in ihren einfachen Varianten leicht zu imitieren und in der Herstellung kostenintensiv. An den hohen Kosten scheiterte bislang auch der massenhafte Einsatz von Radio-Frequency-Identification-Tags (RFID-Tags) – noch dazu, weil diese – sind Metalle oder Flüssigkeiten in der Nähe – nicht einwandfrei ausgelesen werden können.
Eine Methode zur Produktschutzmarkierung, die sich in der Praxis bewährt, ist die Markierung mit künstlich erzeugten DNA-Codes (Biomolekular-Marker). Das Verfahren, wie es von identif angeboten wird, lässt sich kostengünstig in die Produktionslinie integrieren; die DNA wird entweder sichtbar oder unsichtbar auf den Produkten angebracht und kann einfach ausgelesen werden. Kommt von einem bestimmten Medikament ausschließlich DNA-codierte Ware in den Umlauf, gibt jede nicht entsprechend etikettierte oder bedruckte Packung Anlass zum Verdacht: Die Ware muss kontrolliert werden. Um maximale Sicherheit zu erreichen, ist es jedoch mit der Kennzeichnung allein nicht getan. Der Pharmahersteller muss einen Logistikpartner finden, der das Handling von pharmazeutischer Ware und alle damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen beherrscht – also die Lager- und Distributionsprozesse im Interesse des erfolgreichen Fälschungsschutzes steuern kann.
DNA-Markierung im Logistikprozess
Beim Healthcare-Logistiker Movianto werden die Medikamente, die direkt vom Hersteller kommen und noch nicht markiert sind, zunächst in ausgewiesenen Sperrlager-Bereichen untergebracht. In einem vollautomatischen, also nicht begehbaren Hochregallager funktioniert das über die Vergabe eines logischen Quarantäne-Status durch das Warenwirtschaftssystem. Hierbei handelt es sich um einen pharmazeutischen Sicherheitsstatus, der zum Beispiel auch für Medikamente verwendet wird, die noch nicht zugelassen sind, und darum nicht in den Verkehr gelangen dürfen. Von hier aus darf das Warenwirtschaftssystem nur in den zutrittskontrollierten Bereich der Herstellung auslagern, nicht in den Versand. Parallel dazu muss auch die sichere Aufbewahrung der DNA-Etiketten gewährleistet sein – etwa durch die bestandsgeführte Lagerung in einem Tresor.
Die Markierung der Verpackung passiert bei Movianto in einem zutrittskontrollierten Bereich, den nur Mitarbeiter betreten dürfen, die sich durch einen Transponder identifizieren können. Je nach gewähltem Verfahren wird die DNA-Markierung durch direktes Aufdrucken oder als Etikett auf der Verpackung angebracht. Wasserbasierte Drucktinten haben den Vorteil, gesundheitlich unbedenklich zu sein. Sie eignen sich daher besonders gut für den Pharmabereich. Hydrophobe Oberflächen wie Kunststoffe, Metalle oder bereits lackierte Kartons lassen sich mit diesen Tinten allerdings nicht beschriften. Für diese Oberflächen stehen lösungsmittelbasierte DNA-Drucktinten zur Verfügung. Alle DNA-Druckfarben eignen sich für die verschiedensten Druckmaschinen; jedes Identifikationssystem, das sich mit konventionellen Drucktechniken kombinieren lässt, kann mit einer DNA-Markierung ausgestattet werden. Die Alternative zum Aufdruck sind DNA-Etiketten mit permanent haftendem Kleber, die sich nicht unbeschädigt von der Packung ablösen lassen und damit nicht einfach zweckentfremdet werden können.
Gleichgültig, welches Verfahren zum Einsatz kommt – immer spielt die exakte Dokumentation eine große Rolle. Sie gibt zum Beispiel Auskunft über die Anzahl der verwendeten Etiketten oder erfasst den Nummernkreis, der für die aktuelle Charge vergeben wurde. Die Codierungskapazität der DNA, also die Anzahl der molekularen Schlüssel-Schloss-Kombinationen, ist bereits bei kurzen DNA-Molekülen so hoch, dass sie die Anzahl der möglichen Kombinationen im Lotto um Größenordnungen übersteigt. Diese einmaligen Codes werden als molekularer Fingerabdruck exklusiv an Markeninhaber oder Produktreihen vergeben.
Bis zur Freigabe durch den Hersteller behalten die Medikamente bei Movianto ihren Quarantäne-Status und werden ins Sperrlager zurückgelagert. Erst wenn alle Informationen über die Markierung beim Pharmaunternehmen eingegangen sind, bekommen die Medikamente den Status normaler Verkaufsware. Die zuverlässige IT-Anbindung zwischen Logistikdienstleister und Pharmahersteller gewährleistet, dass diese Freigabe ohne Verzögerung erfolgen kann. Geht eine Bestellung ein, wird die gekennzeichnete Arzneimittelpackung entweder zusammen mit anderen Medikamenten oder im Originalkarton kommissioniert. Während die unmarkierten Arzneien bei der Logistik-Endkontrolle Versandetiketten und Lieferscheine erhalten, werden die DNA-markierten Packungen elektronisch ausgesteuert. Für sie findet eine so genannte „flexible Kennzeichnung“ statt: Jede einzelne Packung bzw. jedes DNA-Label ist einzuscannen, um die Informationen mit den Lieferscheindaten zu verknüpfen. Diese Datei, welche auch Lieferadresse und Stückzahlinformationen enthält, bleibt dauerhaft gespeichert – jetzt ist jederzeit nachvollziehbar, wer welche Menge des DNA-geschützten Medikaments erhalten hat.
Authentizitäts- nachweis oder Fälschungsverdacht
Kommt jetzt ein DNA-markiertes Medikament als Retoure zurück, prüft der Logistikpartner dessen Authentizität: Nach dem Auslesen der DNA-Codierung erfolgt ein Abgleich mit der Datenbank, der Aufschluss darüber gibt, ob das Medikament auch von dort zurückkommt, wohin es ausgeliefert wurde. Ist das nicht der Fall, muss von einer Abweichung ausgegangen werden; der Logistiker unterrichtet den Hersteller, der gegebenenfalls ein Verfahren in die Wege leiten kann. DNA-Markierungen sind kriminaltechnisch beweisfähig.
Um die Echtheit eines gekennzeichneten Produkts zu prüfen, wird die DNA-Markierung des Etiketts zunächst per Scanner auf seine Unversehrtheit und mögliche Manipulationen getestet (Bild 1). Der nächste Kontrollschritt sieht vor, die Nachweisflüssigkeit mit einem Detektionsstift auf die am Produkt vorhandene DNA-Markierung aufzubringen. Nur wenn die DNA-Stränge aus dem Detektionsstift und die Markierung hybridisieren, entsteht innerhalb von etwa zehn Sekunden eine vollständige DNA-Doppelhelix. Der Handscanner erfasst die optischen Veränderungen, die diesen Prozess begleiten. Ist das Produkt echt, bekommt der Anwender vom Scanner ein positives Signal – die automatische Bewertung durch das Gerät schließt Interpretationsfehler aus.
Der Markierung ist neben der definiert hergestellten DNA auch ein Fluorophor beigemischt. Das macht es zum Beispiel im Einzelhandel möglich, die Markierung in einer ersten Stufe mit einer UV-Handlampe auszulesen – ähnlich wie es bei Geldscheinen bereits üblich ist. Dieses Fluorophor erlaubt während des Drucks auch den Nachweis, dass das DNA-Label tatsächlich gedruckt wurde. Zusätzlich wird der DNA-Code in der Markierung versteckt, so dass er selbst mit biomolekularen Methoden nicht entschlüsselt werden kann und höchste Fälschungssicherheit bietet.
Kosteneffiziente Sicherheit
Heute bestehen Logistikketten aus vielen verschiedenen Ebenen. Jeder Knoten im Verteilungsnetz ist ein potenzieller Punkt, an dem gefälschte Produkte eingeschleust werden können. Aktiver Markenschutz beginnt daher mit einer effektiven Zusammenarbeit aller am Logistikprozess Beteiligten, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Unverzichtbar ist darüber hinaus ein Produktschutzsystem, das Nachahmungen verhindert und dafür sorgt, dass die Kosten für die Fälschung des Produkts über dem erwarteten Gewinn liegen. Wird eine Fälschung vermutet, muss es möglich sein, die markierten Artikel schnell und zweifelsfrei zu überprüfen. Während etwa Barcodesysteme dazu geeignet sind, die Waren zu identifizieren, dient die DNA-Markierung dazu festzustellen, ob das Produkt authentisch ist – nicht zuletzt, weil DNA-Codes über eine hohe Informationsdichte verfügen. Der Einsatz künstlich erzeugter DNA als Authentifizierungssystem ist zum jetzigen Stand der Technik die kosteneffizienteste Methode in Kombination mit höchster Fälschungssicherheit.