Interview
Analysen unter Zeitdruck – aber mit korrekten Ergebnissen
Lebensmittelchemiker Dr. Günther Kempe ist bei der QS Qualität und Sicherheit GmbH (im Folgenden kurz: QS) für die Entwicklung des Testdesigns der Laborkompetenztests verantwortlich. Einen einheitlichen Stand in der Wirkstoffbeurteilung zu erreichen, ist ein wesentliches Ziel der regelmäßigen QS-Laborkompetenztests. Näheres hierzu und zu den Herausforderungen für Labore erläutert Dr. Günther Kempe im Interview.
Welches sind derzeit die besonderen Herausforderungen in der Analytik und bei der Beurteilung der Analyseergebnisse für Labore im Rückstandsmonitoring?
Dr. Günther Kempe: Die Labore, die die Untersuchungen vornehmen, stehen sehr unter Zeitdruck. Sie sollen immer schneller analysieren und am besten vorgestern die Ergebnisse liefern. Das ist eine Mammutaufgabe für sie, auch wenn es dazu etwa seit 20 Jahren geeignete Verfahren gibt. Früher haben wir vier bis fünf Tage gebraucht und dann vielleicht fünf bis zehn Wirkstoffe erfasst. Heute bekommt man ein Ergebnis innerhalb von zwölf Stunden und hat dann 300 bis 400 Wirkstoffe analysiert.
Die Herausforderung bei der Analytik von Pflanzenschutzmitteln (PSM) besteht darin, dass weltweit jährlich etwa zehn bis 20 Wirkstoffe neu hinzukommen. Zum Vergleich: Im Tierarzneimittel-Bereich sind es nur ein bis zwei in Europa, da ist der Markt ebenso stark reguliert wie im PSM-Bereich. Da aber Obst und Gemüse weltweit importiert wird, haben wir es mit einer großen Anzahl immer neuer Wirkstoffe zu tun, darauf müssen wir uns immer wieder neu einstellen.
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Pflanzenschutzmittel unterliegen zwar einer Zulassung, aber auch das funktioniert beispielsweise in Asien nicht so, wie wir es aus Europa kennen. Wir müssen also bei importierten Produkten auch immer damit rechnen, das Mittel eingesetzt werden, die bei uns nicht oder nicht mehr zugelassen sind. Wir haben in Europa ein einheitliches System: Die EU-Pesticides-Database ist jedermann zugänglich und damit auch sehr transparent. Das bedeutet für die Labore, dass sie in der Lage sein müssen, circa 550 Wirkstoffe und deren toxikologische Metaboliten analysieren zu können. Weltweit sind es circa 1 000.
Das ermöglicht eine inzwischen weltweit anerkannte Multimethode – die sogenannte QuEChERS-Methode. Das hat sich weltweit durchgesetzt. Damit ist man heute in der Lage, zwischen 300 und 500 Stoffe in einem Durchgang aufzuarbeiten und zu analysieren. Die Krux dabei ist: Chemie ist sehr vielfältig, und es gibt immer Stoffe, die sich nicht mit einer solchen Multimethode erfassen lassen, beispielsweise weil sie wasserlöslich sind wie Glyphosat. Wir haben deshalb für ca. 50 Stoffe Einzelmethoden. Von diesen unterschiedlichen Methoden müssen die Labore, entsprechend der zu untersuchenden Matrix, weitere zwei bis drei Einzelmethoden anwenden. Der Auftraggeber erwartet, dass sie in der Regel nach ca. 36 bis 48 Stunden berichten können Das muss so schnell gehen, denn in der Realität stehen Trucks an der EU-Grenze mit verderblicher Ware.
Der QS-Kompetenztest soll die Zuverlässigkeit der Labore dokumentieren und angleichen. Deshalb unterscheidet QS ja auch anerkannte Labore und solche, die sich im Anerkennungsverfahren befinden. Der Kompetenztest hat also zwei Hauptaufgaben: das Niveau der Labore vereinheitlichen und auf neue Herausforderungen einstellen.
Worauf legen Sie im Hinblick auf diese Herausforderungen ein besonderes Augenmerk bei der Aufgabenstellung an die Labore?
Dr. Günther Kempe: Es geht neben der reinen Analytik der Matrix auch um die Beurteilung der Ergebnisse. Dafür ist die Kenntnis der gesetzlichen Rückstandshöchstgehalte notwendig. Die Grenzwerte müssen beurteilt werden. Die Schwierigkeit dabei ist, dass in etwas mehr als 100 Fällen nicht nur der Mutterwirkstoff gesetzlich reguliert ist, sondern nach der Rückstandsdefinition bis zu fünf Metaboliten detektiert werden müssen. Es gibt also sechs Analyten, die dann wieder aufsummiert und richtig berechnet werden müssen, um dann den Grenzwert bei der Beurteilung betrachten zu können.
Hinzu kommt eine Beurteilung des gefundenen Wirkstoffs hinsichtlich seiner Toxizität. Die akute Referenzdosis ist für etwa 3 400 Wirkstoffe in der EU-Pesticides-Database vorgegeben. Jetzt muss geschaut werden, ob die Auslastung unter 100 Prozent liegt. Dann muss eine Risikobetrachtung nach dem Worst-Case-Prinzip vorgenommen werden, denn hier geht es ja nicht mehr um einen Grenzwert, sondern um einen toxischen Wert. Alle diese Dinge müssen im Kompetenztest berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass nicht nur die Analytik stimmt, sondern dass auch die aktuelle Kenntnis der Gesetzeslage vorhanden ist. Die EU gibt zwischen zehn und 30 neue Verordnungen pro Jahr heraus, das müssen die Labore immer aktuell verfolgen.
Seit 2018 sind Sie bei QS verantwortlich für die Entwicklung des Testmaterial-Designs, kennen aber den Test auch schon aus den Vorjahren. Was hat sich in den letzten Jahren an der Ausrichtung im Wesentlichen verändert?
Dr. Günther Kempe: Mir geht es darum, dass wir ein realistisches Wirkstoffspektrum für die entsprechende Matrix bekommen, damit wir die Labore mit einem realistischen Szenario konfrontieren. Neue Wirkstoffe spielen immer eine Rolle, sie kommen in den Test, wenn sie bereits mindestens ein halbes Jahr in den QS-Anforderungen enthalten sind. Wir überraschen die Labore also auch nicht mit neuen Anforderungen. Das Design umfasst auch regulierte Metaboliten. Es werden immer ein bis zwei in den Test mit eingestreut, um sicherzustellen, dass auch die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Die Labore sollen nicht nur am niedrigsten Grenzwert von 0,01 mg/kg messen, sondern auch realistisch große Gehalte. Beispielsweise haben wir bei Erdbeeren oder Himbeeren oft hohe MRL-Werte (Rückstandshöchstgehalte). Das ist eine Herausforderung für die Labore dahingehend, dass sie bei 0,01 messen müssen, aber gleichzeitig auch noch beim Faktor 1 000 höher. Das ist die Realität in der Praxis, das sollten sie können.
Welchen Mehrwert kann der QS-Laborkompetenztest bieten, welche Erfahrungswerte können teilnehmende Labore aus dem Test für ihre analytische Kompetenz ziehen?
Dr. Günther Kempe: Der schlimmste Fehler, neben falsch positiven Befunden, ist, dass ein Wirkstoff überhaupt nicht erkannt wird. Insofern ist das ein sehr wichtiges Kriterium für die Qualität eines Labors. Defizite bei den Laboren zeigen sich oft schon in der Probenvorbereitung. Die ist bei einigen Wirkstoffen äußerst wichtig. Meistens ist im Test ein Wirkstoff dabei, der große analytische Kompetenz voraussetzt.
Labore können ihre analytischen Defizite erkennen. Manche haben eben den gesuchten Wirkstoff oder seine Metaboliten gar nicht im Detektionsspektrum. Ein sehr wichtiger Punkt ist neben der Beurteilung auch die Kommunikation mit dem Kunden der Dienstleistungslabore. Sie müssen den Kunden schon darauf hinweisen, dass es Grenzwertüberschreitung gab, oder bei einer ARfD-Wert-Überschreitung (akute Referenzdosis) – und das in einer Weise, dass er die Testergebnisse auch versteht, wenn er kein Fachmann ist. Wichtig ist uns die Reaktion auf neue, in Europa nicht zugelassene Wirkstoffe.
Dazu gehört auch, und das ist der Unterschied zwischen staatlichen und Privatlaboren, der von uns organisierte Austausch der Laborleiter. Die privaten Labore stehen in Konkurrenz und haben schon deshalb selten Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen. Bei unseren Laborleitertreffen geht es hauptsächlich um die beiden vorangegangenen Kompetenztests. Auf diese Weise schaffen wir für die in den Tests erfassten Wirkstoffe einen einheitlichen analytischen Stand der Wirkstoffbetrachtung. Das ist mein großes Ziel für die Labore im QS-System.
Unterscheidet sich ein QS-Laborkompetenztest von anderen Ringversuchen?
Dr. Günther Kempe: Im Vergleich zu anderen Kompetenztests ist es vor allem der Faktor Zeit. Bei den staatlichen Laboren gibt es auch entsprechende Tests, die von den EU-Referenzlaboren veranstaltet werden und auch verpflichtend sind. Aber der Unterschied besteht darin, dass man vier Wochen Zeit hat, zu berichten. Bei QS müssen die Labore nach drei bis fünf Werktagen berichten. Sie kennen zuvor weder den Termin noch die Matrix, noch die Wirkstoffe. Und es gibt drei Gruppen von Proben mit unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen, so dass sie sich, falls sie sich gegenseitig kennen, auch nicht austauschen können. Das ist für mich das Nonplusultra, was Labore leisten können. Mehr geht aus meiner Sicht nicht. Zugleich ist es ein realistisches Szenario, um die Kompetenz zu verfolgen.
Nach meiner Kenntnis gibt es nur ein System, das noch schärfer arbeitet, da sind es verdeckte Proben. Andere Tests arbeiten mit Z-Scores, das führt tendenziell zu einer besseren Bewertung der Labore, denn einen Mittelwert gibt es immer. Grundsätzlich kann sich jedes Labor auch in einen Test einkaufen, aber mit der Entscheidung, dass man daran teilnehmen möchte, weiß man, wann der Test stattfindet. Das ist natürlich ein Vorteil.
Warum sollten Labore an dem Test teilnehmen und sich jedes Mal aufs Neue den Herausforderungen stellen?
Dr. Günther Kempe: Der Test dient der Erhöhung der Kompetenz und dem Nachweis, dass das veröffentlichte Nachweisspektrum auch wirklich abgearbeitet wird. Das ist ein ganz entscheidender Faktor, und wir haben auch immer wieder Beispiele dafür, dass gerade die Labore, die sich noch im Anerkennungsverfahren befinden, sich damit schwertun. Die meisten anerkannten Labore hingegen haben es wirklich drauf.
Zur Person:
Lebensmittelchemiker Dr. Günther Kempe ist beim Unternehmen QS Qualität und Sicherheit für die Entwicklung des Testdesigns der Laborkompetenztests verantwortlich. Über einen Zeitraum von zehn Jahren war er Obmann der AG Pestizide der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh). Bis zu seinem Ruhestand 2019 war er außerdem Mitglied in verschiedenen Arbeitsgruppen beim DIN-Institut, beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR).
Quelle: QS Qualität und Sicherheit