Laserlicht für schonende Zellanalyse

Spot an: Zellen im Fokus

Laserlicht für eine marker-freie und schonende Zellanalyse: Mit Hilfe der Raman-Trapping-Mikroskopie werden Zellen, Bakterien oder Viren für die Untersuchung berührungslos eingefangen. Die Zelle verbleibt im Lichtfokus, während ein Raman-Spektrum aufgezeichnet wird, das für diese Zelle und ihre Zellbausteine (Moleküle) einzigartig ist – also so charakteristisch wie ein Fingerabdruck. Sobald die Lichtquelle ausgeschaltet wird, kann sie sich ungestört weiterentwickeln. Die Raman-Spektroskopie ist eine besonders schonende und schnelle Art und Weise, Informationen über die Zelle, ihre Eigenschaften und ihr „Wohlbefinden“ in Form eines ein „Multi-omics“-Profils zu erhalten.
© Celltool

Die Corona-Pandemie hat uns wieder einmal drastisch vor Augen geführt, wie wenig wir über die Entstehung von Krankheiten und insbesondere über die Natur (die Eigenschaften), die Wirkweise sowie Verbreitung von Viren wissen – trotz jahrelanger Forschung unter großem finanziellen Aufwand sowie dem hohen Einsatz unzähliger engagierter Forscherinnen und Forscher. Trotz des großen technologischen Fortschritts in der Biotechnologie und in der Medizintechnik stoßen wir immer wieder an Grenzen, was die Auflösung bzw. die Sensitivität der Analyse-Verfahren betrifft.

Viele der im Moment standardmäßig eingesetzten Zellanalysemethoden nutzen die Oberflächenstruktur der Zellen, um diese mit speziell dafür gezüchteten Erkennungsmolekülen kombiniert mit Fluoreszenzfarben oder Magnetkügelchen kennzeichnen zu können. Diese Kennzeichnung (Labeling) der Zellen ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Viele der Oberflächeneigenschaften sind bei den Zellen identisch, so dass für eine zuverlässige Erkennung bzw. eindeutige Unterscheidung von Zelltypen sogar mehrere solcher Markierungsmoleküle mit entsprechender Prozessierung benötigt werden. Leider werden die Zellen dabei sehr gestresst und verändern ihre ursprünglichen Eigenschaften. Für manche Verfahren wie z. B. der FACS-Analyse (Fluorescence activated cell sorting) werden Millionen von Zellen (mindestens 106) benötigt, die z. B. bei Zelltherapeutika oder Gewebetransplantaten extra dafür hochgezüchtet werden müssen. Das kostet Zeit. Zudem besteht auch bei der Zellvermehrung (Expansion) die Gefahr, dass sich deren Eigenschaften verändern und man somit dann nicht mehr die Information über den ursprünglichen Zustand bekommt.

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Daher sind Verfahren gefragt, die die Zellen stressfrei und schonend untersuchen. Gerade in der biologischen Grundlagenforschung, der Regenerativen Medizin, aber auch zur Qualitätskontrolle zellbasierter Therapeutika sowie insbesondere zur schnellen Erkennung von Krankheiten und Infektionen soll die Messmethode marker-frei und effizient (zeit- und kostensparend) einzelne Zellen sowohl in Lösung (z. B. 2D-Zellkulturen, Liquid Biopsies) als auch in 3D-Geweben (Spheroide, Explantate) erkennen und charakterisieren können – und das möglichst „natürlich“ also z. B. nativ direkt in ihrer physiologischen Umgebung.

Anwendung der Raman-Spektroskopie

Die Raman-Spektroskopie arbeitet mit Laserlicht, das an Molekülen gestreut wird. Raman-Spektren können spezifische Informationen über den metabolischen Zustand einer Zelle liefern, da alle Biomoleküle (Biopolymere) wie Proteine, Nukleinsäuren, Zucker, Aminosäuren, die vom Laserstrahl getroffen werden, zu einem Summenspektrum beitragen, das so charakteristisch ist wie ein „Fingerabdruck“. Die Zusammensetzung der Biopolymere ist für jede Zellenart verschieden. Sie ist aber auch abhängig vom aktuellen Zustand der Zellen, dem Grad der Differenzierung oder von krankheits- bzw. umweltbedingten Veränderungen. Somit kann die Raman-Spektroskopie einen Marker-unabhängigen „Multi-omics“-Fingerprint erfassen.

Jahrzehntelang war die Raman-Spektroskopie die Domäne von Physikern, Chemikern und Pharmazeuten, die damit die Qualität von Lacken, Metallen, reinen Substanzen oder Verbindungen untersucht und geprüft haben. Es wurden Raman-Spektren von fast allen Materialien, chemischen Substanzen und reinen Biomolekülen vermessen [1]. Erst in jüngerer Zeit kam der Einsatz der Raman-Spektroskopie für die Charakterisierung biologischer Zellen hinzu. Die Herausforderung hierbei besteht darin, dass diese aus Tausenden verschiedener Moleküle bestehen, die sich zudem in einem ständigen Umsatz befinden, wodurch sich deren Zusammensetzung und Konzentration stetig verändert.

Raman-Spektroskopie für die Biologie und Medizin

In den letzten Jahren sind nun zahlreiche Publikationen erschienen, welche die Eignung und die Bedeutung der Raman-Spektroskopie zur Untersuchung und Erkennung von Zellen belegen. Trotz der spannenden Ergebnisse und der vielversprechenden Informationen über Zellen und deren krankhafte Veränderungen fand die Raman-Spektroskopie jedoch bisher nicht den Weg in die biomedizinische Forschung bzw. in die Routine der Zellanalyse und klinischen Diagnostik. Das könnte u. a. daran liegen, dass Raman-Systeme nicht immer einfach zu bedienen oder auch für biologische Fragestellungen nicht anwendergerecht sind. Zudem ist die Auswertung der Raman-Spektren schon für den Experten in Statistik eine große Herausforderung. Und es erfordert tiefgehende biologische Expertise, um aus der Flut von Daten insbesondere biomedizinisch relevante Informationen zu gewinnen und anwenderorientiert in verständlicher Form dazustellen.

Das „BioRam®“-System von Celltool liefert auch ein Livebild der untersuchten Probe ... © CellTool

Das BioRam®-System von Celltool ist ein konfokales Raman-Trapping-Mikroskop, das dem Biologen und Mediziner einen einfachen Zugang zur Raman-Spektroskopie erlaubt und mit dem Zellen marker-frei, schnell und auf schonende Art analysiert werden können, z. B. direkt in Fluidik-Kanälen, Mikrotiterplatten, Kulturschalen oder Microwells, aber auch auf dünnen Glasobjektträgern. Das System kombiniert zwei physikalische Methoden – die Raman-Spektroskopie (Sir Chandrasekhara Venkata Raman, Nobelpreis 1930) sowie die Optische Pinzette (Dr. Art Ashkin, Nobelpreis 2018) – mit einem inversen digitalen Forschungsmikroskop zu einem speziellen Raman-Trapping-Mikroskopie-System. Von Biologen entwickelt und insbesondere auf biomedizinische Fragestellungen zugeschnitten ist die Raman-Spektroskopie nun so einfach wie die Licht-Mikroskopie.

... hier im Bild: ein Beispiel-Spektrum mit Auswertung. © CellTool

Die Zellen werden während der Raman-Messung im fokussierten Laserstrahl festgehalten. Für jede gemessene Zelle wird ein entsprechendes Durchlichtbild erfasst und zusammen mit den Spektrendaten und allen Messparametern abgespeichert. Im Bild sind typische Spektren von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sowie Blutplättchen (Thrombozyten) gezeigt. Deutlich sieht man die Unterschiede in den jeweiligen Raman-Peaks, die bestimmten Molekülen zugordnet werden können. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Zelltypen ist das Hämoglobin-Molekül in den Erythrozyten, das charakteristische Peaks zeigt. Nach statistischer Datenanalyse („Principal Component Analyse“) kann der Unterschied zwischen den gemessenen Zellgruppen z. B. in einem Score-Plot verdeutlicht dargestellt werden (jeder Punkt repräsentiert eine gemessene Zelle mit mehreren hundert erfassten Spektren-Daten).

Es werden nur wenige Zellen (< 100) für eine aussagkräftige Analyse benötigt und die Zellen bleiben für weitergehende Untersuchungen unverändert erhalten. Aufgrund der integrierten Trapping-Eigenschaften lassen sich sogar aktiv sich bewegende Bakterien oder nanometerkleine Teilchen wie Exosomen oder Viren direkt in Lösung fangen und vermessen.

Fangen und Messen

Der Trapping-Effekt [2] entsteht simultan beim Einschalten des Raman-Anregungslasers. Die Fokussierung des Lasers bedeutet eine hohe Photonendichte, die zu einer deutlichen Intensitätssteigerung des Raman-Signals führt. Zudem wird ein elektro-magnetischer Gradient erzeugt. An diesem entlang wandern Zellen/Partikel zum Laserfokus hin und werden dort während der Aufzeichnung der Raman-Spektren festgehalten. Diese Kombination aus Intensitätssteigerung und Trapping-Eigenschaften ermöglichen das Fangen, Festhalten und Messen einzelner Zellen oder gar freibeweglicher Bakterien, Exosomen und Viren in Lösung – also direkt in ihrer nativen Umgebung (z. B. im Medium) –, das gibt die richtigen Information, spart Zeit und Zellmaterial. Eine wichtige Voraussetzung für die Verbreitung der Raman-Mikroskopie in der Biologie und Medizin ist eine schnelle und automatisierte Analyse der Raman-Spektren mit entsprechender biomedizinisch relevanter Interpretation der Messergebnisse, um relevante Veränderungen in der Molekülzusammensetzung zu erkennen.

Die Raman-Spektren-Analyse-Software CT-RamSES („Celltool-Raman-Spektren EvaluierungsSoftware“) kann in wenigen Minuten die Raman-Spektren-Daten importieren, die spektralen Daten automatisch verarbeiten und die Analyseergebnisse in diversen Plots darstellen – für eine biostatistische und biologische Interpretation der Daten. Dies erleichtert dem Biologen und Mediziner, auch ohne tiefe Kenntnisse der Statistik aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, die zudem standardisiert und nachvollziehbar dokumentiert sind. Die Implementierung künstlicher Intelligenz und Maschinellen Lernens wird die Datenanalyse voraussichtlich noch schneller werden lassen und noch präzisere Aussagen über die Zusammensetzung der Biomoleküle in den Zellen ermöglichen. Sogar feinste Unterschiede könnten damit sichtbar werden, um z. B. zu erkennen, ob die Zellen noch gesund und fit sind oder wie sie auf Wirkstoffe bzw. Umwelteinflüsse reagieren.

„Next Generation Zellanalyse“

Die Kombination aus Raman-Trapping-Mikroskopie und moderner Dateninterpretation bietet erweiterte Möglichkeiten für die Zell-Analyse. Eine Direktmessung in der Zellkultur, in Gewebe oder in Flüssigkeiten ist eine notwendige Vor-aussetzung für die zuverlässige Charakterisierung von Zelleigenschaften, Zellentwicklung oder Reaktionen der Zelle auf Wirkstoffe und Umweltfaktoren. Den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten sind dabei kaum Grenzen gesetzt: von der Grundlagenforschung in der Zell- oder Mikrobiologie, über die Untersuchung von Krankheiten und zur Unterstützung in der Diagnostik, oder in der Qualitätssicherung von Zelltherapeutika und Arzneimitteln bis hin zu Überwachung der Qualität von Nahrungsmitteln und Gewässer.

Die Raman-Trapping-Mikroskopie kann z. B. genutzt werden,

  • um die Qualität von Zellkulturen bzw. zellbasierten Produkten zu überwachen,
  • für eine schnelle Erkennung von Krankheiten und Infektionen,
  • um effizient einen Überblick über Wirkstoff-Reaktionen zu erhalten,
  • um schnell Transfektionsraten zu bestimmen (z. B. bei der Herstellung von Zelltherapeutika),
  • um schnell bakterielle Kontaminationen oder virusinfizierte Zellen zu erkennen,
  • in der Arzneimittel-Entwicklung,
  • zur Erkennung von Pathogenen in Nahrungsmitteln,
  • zur Überprüfung der Wasserqualität.

Literatur:

[1] ACS, Movasaghi Z, Rehman S, Rehman U (2015) Raman Spectroscopy of Biological Tissues. Appl Spectrosc Rev 50:46–111. https://doi.org/10.1080/05704928.2014.
[2] Ashkin and JM Dziedzic (1987) Optical trapping and manipulation of viruses and bacteria. Science 20 Mar 1987:Vol. 235, Issue 4795, pp. 1517-1520 DOI:10.1126/science.3547653

Weiterführende Literatur:

Zanyar Movasaghia, Shazza Rehman & Ihtesham U. Rehman, Raman Spectroscopy of Biological Tissues, Applied Spectroscopy Reviews, 42, 5: 493-541 (2007)

Zunhammer et al.:Fitness Test of motile cells; Lab&More (2015) 4.15:30-31

Charwat et al.: Potential and limitations of microscopy and Raman spectroscopy for live-cell analysis of 3D cell cultures J. Biotechnol. 205:70-81 (2015)

Steinke et al.: Rapid Analysis of Cell–Nanoparticle Interactions using Single-Cell Raman Trapping Microscopy; Angew. Chem. Int. Ed. 2018, 57, 4946 – 4950 (DOI:10.1002/anie.201713151)

R. Pörtner: Animal Cell Biotechnology: Methods and Protocols, Methods in Molecular Biology, vol. 2095; Chapter 18: Raman Trapping Microscopy for Non-invasive Analysis of Biological Samples, Hesham K. Yosef, and Karin Schütze; Springer Nature 2020 DOI: 10.1007/978-1-0716-0191-4_18 (2019)

Buchacher et al: Human blood monocytes support persistence, but not replication of the intracellular pathogen C. pneumoniae BMC Immunology 2014, 15, 60; www.biomedcentral.com/1471-2172/15/60

AUTORIN
Dr. Karin Schütze
CSO
CellTool GmbH, Tutzing
info@celltool.de
www.celltool.de

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