Software im FT-IR-Imaging
Maschinelles Lernen für die Mikroplastikanalytik
Bildgebende FT-IR-Spektroskopie ist eine geeignete Methode, um Mikroplastik zu identifizieren und zu quantifizieren. Maschinelles Lernen kann genutzt werden, um die erhaltenen Spektren zu interpretieren und Detail-Informationen zu erhalten.
Die bildgebende FT-IR-Spektroskopie kombiniert detaillierte chemische Information mit einer guten räumlichen Auflösung. Werden beispielsweise aus einer Umweltprobe viele Partikel extrahiert und auf einem IR-kompatiblen Filter gesammelt, können noch einzelne Mikroplastikpartikel mit einer Größe von nur wenigen Mikrometern erkannt werden. Mit modernen Messsystemen ist es möglich, Bilder einer Probe zu erhalten, die aus mehreren Millionen Einzelspektren bestehen. Mit der Menge der erzeugten Messdaten steigen allerdings auch die Anforderungen an deren Auswertung und Interpretation. Millionen Spektren einer Probe manuell zu analysieren, würde einen immensen zeitlichen Aufwand bedeuten. Neben der großen Arbeitserleichterung bedeutet die Automatisierung dieser Vorgänge auch eine Verbesserung der Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit von Ergebnissen, auch über Laborgrenzen hinaus.
Maschinelles Lernen im Vergleich zum „klassischen“ Datenbankabgleich
Die automatisierte Identifizierung von Mikroplastik beruht typischerweise auf dem Vergleich der gemessenen Spektren mit Spektren von Partikeln bekannter Zusammensetzung. Oxidation, die Gegenwart von Biofilmen, Totalabsorption bei großen Partikeln, Reste der Probenmatrix und vieles mehr sind Einflüsse, die sich an den Infrarotspektren von Mikroplastik in unterschiedlich starkem Ausmaß ablesen lassen. Folglich müssen diese bei der Auswahl der Vergleichsspektren für eine sichere Erkennung von Mikroplastik berücksichtigt werden. Hierfür muss eine umfangreiche Spektren-Sammlung vorhanden sein. Bei einem klassischen Datenbankabgleich wird jedes Spektrum im aufgenommenen FT-IR-Bild mit einer großen Anzahl dieser Referenzspektren aus der Datenbank verglichen. Die Gesamtrechenzeit summiert sich dabei schnell zu Stunden, was die Zahl der Vergleichsspektren einschränkt.
Um diese Limitierung der Zahl eingesetzter Vergleichsspektren zu umgehen, wurde bei Purency eine Softwarelösung entwickelt, die eine Analyse basierend auf Machine Learning nutzt. Anders als bei beim „klassischen“ Datenbankabgleich kann diese Analyse praktisch eine beliebige Anzahl unterschiedlicher Spektren und Substanzklassen enthalten. Diese Spektren – die Trainingsdaten – sind die Grundlage, um mathematische Modelle für die Identifikation von Mikroplastik zu erstellen: Der (Trainings-)Datensatz umfasst mehr als 12 000 Spektren. Dieser enthält auch „unperfekte“ Spektren von Realproben, um eine robuste Analyse zu ermöglichen. Berücksichtigung finden beispielsweise Spektren mit (partieller) Totalabsorption und solche, die aus unterschiedlichen Umweltproben wie Abwasser, Sediment oder Klärschlamm stammen.
Der anspruchsvolle Teil der Berechnung, nämlich das Erstellen der Modelle, findet hierbei einmalig statt. Die Analyse neuer, unbekannter Spektren und die Entscheidung, ob es sich bei einem Spektrum um Mikroplastik handelt, erfolgt hingegen im Bruchteil einer Sekunde. Bei einer typischen Dateigröße eines FT-IR-Bildes (ca. 5 – 10 GB) sind die Gesamtergebnisse in wenigen Minuten verfügbar. Die Anwendung der Software auf verschiedene Arten von Umweltproben bedarf weiters keiner gesonderten Parameteroptimierung und erfolgt direkt auf die gemessenen Rohdaten ohne vorheriger Basislinienkorrektur. Zusammenfassend muss durch die Nutzung von maschinellem Lernen zur Identifizierung von Mikroplastik kein Kompromiss mehr zwischen Geschwindigkeit und Qualität eingegangen werden.
Unterschiedlichste Proben untersucht
Umweltproben sind sehr variabel in ihrer chemischen Zusammensetzung und können daher für die Mikroplastikanalytik eine große Herausforderung darstellen. In einer umfangreichen Anwendungsstudie haben Spezialisten die breite Anwendbarkeit der modellgestützten Spektreninterpretation zur Identifizierung und Quantifizierung von Mikroplastik an sehr unterschiedlichen Datensätzen erfolgreich getestet [1]. Die einzelnen Bilder (s. Bild 1) lassen bereits die große Heterogenität bezüglich der Partikelbeladung, Partikelgröße und Partikelform erkennen. Doch bedeutend sind hier die Unterschiede der Probenmatrix und damit die organischen und anorganischen Probenbestandteile, die eine Identifizierung von Mikroplastik behindern können. Die Messdaten wurden von unterschiedlichen Laboratorien erhoben, in denen verschiedene Methoden der Probenvorbereitung (oxidativ, enzymatisch, …) und verschiedene Messinstrumente für die Mikroplastikanalytik verwendet wurden. Die hier beschriebenen Ergebnisse und Bilder ergaben Messungen mit dem Gerät Lumos II bzw. Hyperion 3000 von Bruker.
Fazit
Wie beschrieben, können über Machine Learning mit Spektren als Trainingsdaten mathematische Modelle erstellt werden, auf deren Basis Spektren interpretiert werden können. Die identifizierten Mikroplastikpartikel sind in den gezeigten Bildern farblich hervorgehoben und leicht zu erkennen. Doch Mikroplastik anhand von µ-FT-IR-Spektren zu identifizieren ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Mit Hilfe der Software Microplastics Finder, die mit fertig trainierten Modellen zur Interpretation von Spektren arbeitet, können die einzelnen automatisch generierten Ergebnisse überprüft werden (Bild 2).
Originalpublikation:
[1] Benedikt Hufnagl, Michael Stibi, Heghnar Martirosyan, Ursula Wilczek, Julia N. Möller, Martin G. J. Löder, Christian Laforsch, Hans Lohninger: Computer-Assisted Analysis of Microplastics in Environmental Samples Based on μFTIR Imaging in Combination with Machine Learning; Environ. Sci. Technol. Lett. 2022, 9, 1, 90–95 (Publication Date: December 9, 2021); https://doi.org/10.1021/ acs.estlett.1c00851
AUTORIN
Aurelia Liechtenstein
Purency GmbH, A-Wien
Tel.: 0043 664 2039 649
info@purency.ai
www.purency.ai