Fachbeitrag
Klinische Mikroorganismen
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Dr. Martin Welker*), Dr. Wibke Kallow*), Dr. Martin Resch**), Dr. Gerhard Smettan***), Dr. Marcus Mreyen**), Dr. Marcel Erhard*)
- AnagnosTec, Gesellschaft für Analytische Biochemie und Diagnostik mbH, Am Mühlenberg 11, 14476 Potsdam/Golm.
- Shimadzu Europa GmbH, Albert-Hahn Straße 6-10, 47269 Duisburg.
- Shimadzu Deutschland GmbH, Technisches Büro Berlin, An der Wuhlheide 232b, 12459 Berlin.
In der klinischen Mikrobiologie sind dazu eine Reihe von Verfahren im Einsatz. Biochemische Verfahren nutzen dabei Enzymaktivitäten, die in Verbindung mit geeigneten Substraten im Nährmedium Farbreaktionen hervorrufen. Die Kombination mehrerer solcher Reaktionen können für einzelne Spezies in so genannten „bunten Reihen“ erfasst werden, die als artspezifische Muster die Identifikation der Pathogene erlauben.
Ein grundsätzlich anderes Verfahren stellt dagegen die Identifizierung von klinischen Keimen mit massenspektrometrischen Methoden dar. Dabei wird das Proteinmuster im Massenbereich von 2000...20000 Dalton genutzt (low molecular weight proteome, LMWP), das vor allem durch abundante und konservierte Strukturproteine bestimmt ist [1, 2].
Schnelle Erfassung komplexer Muster
Eine schnelle und reproduzierbare Erfassung des LMWP wurde vor allem durch die Entwicklung der MALDI-TOF MS (Matrix Assisted Laser Desorption/Ionization Time-Of-Flight Mass Spectrometry) ermöglicht. Bei dieser Technologie ist eine vorhergehende Trennung der Proteine überflüssig, anders als bei anderen massenspektrometrischen Verfahren, die in Verbindung mit einer Chromatographie durchgeführt werden. Weitere Vorteile der MALDI-TOF MS ist die „sanfte Ionisierung“, die bewirkt, dass selbst größere Moleküle nicht fragmentieren sowie die Detektion ionisierter Proteine zu einem hohen Prozentsatz als mono-protonierte Ionen. Letzteres ist vor allem für die Analyse von komplexen Mischungen – wie es zelluläre Proteine sind – von Bedeutung, da andernfalls einzelne Proteine eine Vielzahl von Peaks unterschiedlicher Ladungszahl produzieren können, was die Interpretation der Massenspektren deutlich erschwert.
MALDI-TOF MS zur Identifikation
Die relativ junge MALDI-TOF MS-Technologie – entwickelt in den späten 1980er Jahren – hat sich in vielen Bereichen der biologischen und biochemischen Forschung sehr schnell durchgesetzt. Vor allem die Analyse von Makromolekülen wie Proteine oder Polymere in großem Umfang wurde erst durch die Entwicklung der „sanften Ionisierung“ möglich. Die Bedeutung dieser Technologie wird auch durch die Vergabe des Nobelpreises für Chemie im Jahr 2002 an Koichi Tanaka (Shimadzu Corp. Japan) für dessen Arbeiten zur Laserionisierung und Massenbestimmung von Proteinen unterstrichen [3].
Schon bald nach der Entwicklung kommerzieller MALDI-TOF MS-Geräte wurde die potenzielle Bedeutung dieser Technologie für die Identifizierung von Mikroorganismen erkannt [4]. Durch eine Vielzahl entsprechender Studien wurde einerseits die Anwendbarkeit der Technologie untermauert als auch gezeigt, dass einzelne Arten von Mikroorganismen in der Analyse spezifische und reproduzierbare Massenspektren („fingerprints“) erzeugen [5, 6]. Um die Technologie für Routine-Analysen einsetzen zu können, bedurfte es noch eines geeigneten Verfahrens, mit dem die gewonnenen massenspektrometrischen Daten so verarbeitet werden konnten, dass als Ergebnis der Analyse ein Artname steht.
Analyse in Sekundenschnelle
Das Funktionsprinzip der MALDI- TOF MS ist in Bild 1 dargestellt. Auf einem Probenträger befinden sich Kristalle der Matrixsubstanz, in die die Analytmoleküle eingebaut sind. Als Matrixsubstanzen werden vor allem niedermolekulare aromatische Säuren genutzt, die im Bereich der Wellenlänge des eingesetzten Lasers einen hohen Absorptionskoeffizienten aufweisen. Für die massenspektrometrische Identifizierung von Mikroorganismen hat sich vor allem 2,5-dihydroxy-Benzoesäure bewährt.
Am Beginn eines jeden Zyklus wird die Probe mit einem Laserpuls für wenige Nanosekunden „beschossen“ (Bild 1, Schritt A). Die Absorption der energiereichen Photonen durch die Matrixsubstanz führt zu einer Desorption an der Kristalloberfläche, bei der sowohl Matrix- als auch Analytmoleküle in die Gasphase überführt werden. Im Hochvakuum (< 10-4 Pa) kommt es durch die Kollision geladener – in der Regel protonierter – Matrixmoleküle mit neutralen Analytmolekülen zur Ladungsübertragung, in deren Folge geladene Analytmoleküle entstehen (Bild 1, Schritt B). Danach werden die Ionen – geladene Matrix- und Analytmoleküle – in einem elektromagnetischen Feld beschleunigt, das für wenige Nanosekunden zwischen dem Probenträger und einer durchlässigen Gitterelektrode aufgebaut wird (Bild 1, Schritt C).
Die Geschwindigkeit, die die einzelnen Ionen bei ihrem Durchtritt durch die Gitterelektrode haben, hängt direkt von dem Produkt aus Masse und Ladungszahl ab. Bei einfach protonierten Ionen sind schwerere Moleküle aufgrund der höheren Trägheit während der Beschleunigungsphase langsamer als leichtere. Nach dem Durchtritt durch die Gitterelektrode erfahren die Ionen in der feldfreien Driftstrecke keine weitere Beschleunigung und werden wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeit nach ihrer individuellen Flugzeit (Time-Of-Flight) aufgetrennt (Bild 1, Schritt D). Das Auflösungsvermögen eines MALDI-TOF MS ist daher vor allem durch die Länge des Flugrohres bedingt.
Die letzte Phase eines Zyklus ist die Detektion der Ionen, bei der die Zahl der auf den Detektor treffenden Ionen über ein festgelegtes Zeitfenster registriert wird (Bild 1, Schritt E). Durch eine Kalibrierung des Systems mit Ionen bekannter Masse lässt sich das zeitbezogene Intensitätsspektrum in ein Massenspektrum übersetzen. Für eine vollständige Messung wird der beschriebene Zyklus wiederholt durchlaufen und die Daten, die aus einzelnen Laserpulsen („shots“) resultieren, in einem Massenspektrum akkumuliert (Bild 1, Schritt F).
Neue Entwicklungen in der MALDI-TOF MS-Technologie erlauben eine deutliche Verkürzung der Messzeit und eine weitgehende Automatisierung des Messvorgangs. So benötigt die neue Generation der AXIMA-Geräte von Shimadzu weniger als eine Minute für ein Massenspektrum aus 500 Einzel-Laserschüssen.
Identifikation klinischer Mikroorganismen
In Zusammenarbeit mit Shimadzu hat AnagnosTec ein System zur schnellen Identifizierung klinisch Mikroorganismen entwickelt: SARAMIS – Spectral Archive And Microbial Identification System. Es erlaubt die weitgehend automatisierte Erfassung von Massenspektren von Mikroorganismen und deren Identifizierung über den Vergleich mit Referenzspektren in einer Datenbank. Eine Identifizierung von Mikroorganismen innerhalb weniger Minuten von der Kolonie auf der Kulturplatte bis zum Ergebnis wird so ermöglicht.
In der praktischen Durchführung werden Zellen ohne weitere Vorbereitung von Kulturplatten entnommen und auf den Probenträger übertragen (Bild 2). Die Extraktion der Proteine aus den Zellen erfolgt unmittelbar auf dem Probenträger mit einer dafür optimierten Lösung, die bereits die Matrixsubstanz enthält. Nachdem sich die Matrix/Analyt-Kristalle bei Raumtemperatur durch Verdunstung des Lösungsmittels gebildet haben, ist die Probe bereits fertig für die Analyse. Die gesamte Probenvorbereitung – von der Kulturplatte bis zur Messung – nimmt pro Probe nur ungefähr eine Minute in Anspruch.
Probenträger für die AXIMA MALDI-Produktfamilie stehen in verschiedenen Formaten zur Verfügung, die einen variablen Einsatz in der Laborroutine erlauben, z.B. die zeitgleiche Probenvorbereitung an mehreren Arbeitsplätzen. In Kombination mit einem Barcode-System können probenrelevante Daten schnell und fehlerfrei übertragen werden.
Auswertung in Minuten
Die massenspektrometrische Analyse der vorbereiteten Proben erfolgt automatisch für bis zu 192 Proben pro Probenträger. Die Analyse einer Einzelprobe dauert weniger als eine Minute, abhängig davon, wie schnell die in der Geräte-Software vorgegebenen Qualitätskriterien für die automatische Peak-Erkennung erreicht werden. Resultierende Massenspektren werden automatisch gespeichert und verarbeitet. Dabei wird durch die Umwandlung der AXIMA-Datei in eine SARAMIS-Datei die Dateigröße auf etwa 1 % reduziert. Dadurch kann auch bei hohem Probendurchsatz die benötigte Speicherkapazität und die Rechenzeit gering gehalten werden.
Grundsätzlich ist SARAMIS für alle Arten von Mikroorganismen einsetzbar, da eine entsprechende Referenzdatenbank durch die Analyse von Referenzstämmen innerhalb kurzer Zeit aufgebaut werden kann. So ließ sich SARAMIS in mehreren Forschungsprojekten der Umweltmikrobiologie erfolgreich einsetzen [7, 8]. Darüber hinaus eignet sich SARAMIS für weitere Anwendungen, bei denen massenspektrometrische Analysen aussagekräftig sind, wie beispielsweise in der Qualitätskontrolle von Nahrungsmitteln.
In der aktuellen Version der SARAMIS-Datenbank finden sich vor allem Spektren medizinisch und veterinärmedizinisch relevanter Mikroorganismen – Enterobakterien, Staphylokokken, Streptokokken, Non-Fermenter, Hefen, Dermatophyten und andere. Dadurch werden ca. 98 % der in der Laborroutine auftretenden Mikroorganismen abgedeckt. Die in der SARAMIS-Datenbank gespeicherten Referenzspektren sind Konsensus-Spektren, die aus mehreren Spektren von Mikroorganismen einer Art berechnet werden. Die dafür analysierten Stämme kommen einerseits aus Stammsammlungen (DSMZ, CBS, CIP u.a.) und andererseits aus klinischen Proben, die mit biochemischen und molekulargenetischen Verfahren identifiziert wurden. Bei der Analyse von Proben aus Stammsammlungen hat sich gezeigt, dass die Massenspektren der zum Teil schon sehr lange hinterlegten Stämme deutliche Abweichungen zu Neuislolaten der gleichen Art aufweisen.
Durch die Verwendung von Superspektren als Referenzspektren wird die Selektivität und Robustheit des Verfahrens signifikant gegenüber der Verwendung von Einzelspektren erhöht, da vor allem solche Massensignale zur Identifizierung herangezogen werden, die unabhängig von den Inkubationsbedingungen und der Herkunft der Referenzstämme auftreten (Bild 3).
Nach der Analyse der Proben werden die Massenspektren im SARAMIS-Format automatisch mit einer Datenbank mit einem Algorithmus abgeglichen, der auf einem „single link agglomerative clustering“-Verfahren beruht. Innerhalb weniger Sekunden wird eine Liste der Referenzspektren erstellt, die die meisten Übereinstimmungen mit der untersuchten Probe zeigen. Eine positive Identifizierung wird angezeigt, wenn die erforderliche Übereinstimmung mit einem Referenzspektrum erreicht wurde. Daraus ergibt sich auch der Vorteil, dass verunreinigte Proben – z.B. aus zusammengewachsenen Kolonien (Mischproben) – als solche erkannt werden können: Sind die untersuchten Proben nicht monospezifisch, wird dies dadurch ersichtlich, dass Referenzspektren mehrerer Arten als übereinstimmend angezeigt werden.
SARAMIS im klinischen Einsatz
In Kooperation mit dem Institut für medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Universität Köln wurde der Einsatz von SARAMIS in der Laborroutine getestet [9]. Dazu wurden über 1300 klinische Isolate (v.a. Enterobakterien, Staphylokokken, Streptokokken, Nonfermenter, Hefen) jeweils mit biochemischen Methoden und SARAMIS analysiert und die Ergebnisse verglichen.
Insgesamt konnten 94 % der Proben automatisch identifiziert werden. 5 % der Isolate wurden nicht auf Artebene identifiziert, weil entsprechende Spezies noch nicht in der Datenbank mit Superspektren vertreten waren. In der Gruppe der Enterobakterien und Staphylokokken lag die Identifizierungsquote jeweils bei 97,5 %, für Nonfermenter bei 90 % und für Hefen bei 97,3 %. Bei 16 Proben, für die eine Diskrepanz zwischen Ergebnissen der biochemischen Methode und SARAMIS gefunden wurde, konnte durch PCR und Sequenzierung die Richtigkeit der SARAMIS-Identifikation in 14 Fällen bestätigt werden.
Fazit
Mit SARAMIS in Kombination mit AXIMA steht ein komplettes System zur Identifikation klinischer Mikroorganismen im klinischen Routinebetrieb zur Verfügung. Das System ist speziell für den hohen Probendurchsatz optimiert und erlaubt die schnelle und zuverlässige Identifikation der meisten medizinisch relevanten Mikroorganismen. Durch den geringen Bedarf an Verbrauchsmaterialien und die einfache Handhabung ist das System eine ideale Technologie für das moderne mikrobiologische Labor.
Literatur
- Arniri-Eliasi B, Fenselau C (2001) Characterization of protein biomarkers desorbed by MALDI from whole fungal cells. Anal. Chem. 73:5228-5231.
- Rhyzhov V, Fenselau C (2001) Characterization of the protein subset desorbed by MALDI from whole bacterial cells. Anal.Chem. 73:746-750.
- Tanaka K, Waki H, Ido Y, Akita S, Yoshida Y, Yoshida T (1988) Protein and polymer analyses up to m/z 100 000 by laser ionization time-of-flight mass spectrometry. Rapid Comm. Mass Spectrom. 2:151-153.
- Krishnamurthy T, Ross PL, Rajamani U (1996) Detection of pathogenic and non-pathogenic bacteria by matrix assisted laser desorption/ionization time of flight mass spectrometry. Rapid Comm. Mass Spectrom. 10:883-888.
- Valentine NB, Wunschel SC, Wunschel DS, Petersen CE, Wahl KL (2005) Effect of culture conditions on microorganism identification by matrix-assisted laser desorption ionization mass spectrometry. Appl. Environ. Microbiol. 71:58-64.
- Wunschel SC, Jarman KH, Petersen CE, Valentine NB, Wahl KL, Schauki D, Jackman J, Nelson CP, White E (2005) Bacterial analysis by MALDI-TOF mass spectrometry: an inter-laboratory comparison. J. Am. Soc. Mass Spectrom. 16:456-462.
- Dieckmann R, Graeber I, Kaesler I, Szewzyk U, von Döhren H (2005) Rapid screening and dereplication of bacterial isolates from marine sponges of the Sula Ridge by Intact-Cell-MALDI-TOF mass spectrometry (ICM-MS). Appl. Microbiol. Biotechnol. 67:539-548.
- Stackebrandt E, Päuker O, Erhard M (2005) Grouping Myxococci (Corallococcus) strains by matrix-assisted laser desorption ionization time-of-flight (MALDI TOF) mass spectrometry: comparison with gene sequence phylogenies. Curr. Microbiol. 50:71-77.
- Gielen, J., Erhard, M., Kallow, W., Krönke, M., and Krut, O. (2007) Rapid pathogen identification by MALDI-TOF mass spectrometry/SARAMIS database in clinical microbiological routine diagnostics. ECCMID 17. Munich, Germany.